London liegt nicht in der EU? Daran werden wir uns erst gewöhnen müssen.
Das Brexit-Votum verändert die Europäische Union. Bleibt es beim Ausstieg, verliert die EU rund 65 Millionen Bürger und ihre zweitgrößte Volkswirtschaft. Das künftige Verhältnis ist völlig offen. Soll Schottland bleiben? Ist die gängigste Amtssprache Englisch alternativlos? Hier laden wir Sie ein, über die Folgen des Brexits zu diskutieren...
Ein Beitrag von Moderation BürgerdialogeEuropa-Union Deutschland
Sobald die britische Regierung den Austritt aus der EU beantragt, läuft die Uhr. Das entsprechende Verfahren sieht einen Zeitrahmen von zwei Jahren vor, um den Austieg abzuwickeln – und eine neue Form der Zusammenarbeit zu finden.
Modell Norwegen?
Als Ein Vorbild für die neuen Beziehungen könnte das Nicht-EU-Land Norwegen dienen. Norwegen hat Zugang zum EU-Binnenmarkt. Dessen Freiheiten gelten auch hier fast uneingeschränkt (Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit). Allerdings muss Norwegen die EU-Binnenmarktvorschriften weitgehend übernehmen, ohne über sie mitentscheiden zu können. Auch muss Norwegen ins EU-Budget einzahlen, jährlich rund 388 Millionen Euro. Nach dem Modell Norwegen müssten die Briten vier Milliarden Euro in den EU-Haushalt einbringen, schätzt eine Studie für das britische Unterhaus. Das wären nur eine Milliarde Euro weniger, als sie bislang netto in die gemeinsame Kasse der EU zahlen. Das Problem: die Brexit-Befürworter hatten sich in ihrer Leave-Kampagne sowohl gegen gemeinsame europäischen Regeln als auch gegen die britischen Zahlungen in den EU-Haushalt gewehrt.
Modell Schweiz?
Eine andere Möglichkeit wäre, dass Großbritannien wie die Schweiz eine Reihe von Abkommen mit der EU schließt, zum Beispiel zur Personenfreizügigkeit. Das könnte allerdings mühsam sein und entpuppt sich im Fall der Schweiz als nicht immer stabiles Modell. So fehlt beispielsweise ein Abkommen zu Finanzdienstleistungen und die Schweizer beschlossen per Volksentscheid, die Zuwanderung von EU-Bürgern wieder zu begrenzen.
Muss das Schlussmachen Konsequenzen haben?
Auf Seiten der EU geht es bei den anstehenden Verhandlungen nicht allein um den Marktzugang, beispielweise für in der EU ansässige Unternehmen wie VW (Deutschland), Ferrero (Italien) oder L’Oréal (Frankreich). Viele Politiker fürchten, andere EU-Länder könnten dem britischen Vorbild folgen und austreten, wenn damit keine großen Nachteile verbunden sind. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte auf dem ersten EU-Gipfel nach dem Brexit-Votum, wer die EU-Familie verlassen wolle, könne nicht erwarten, keine Pflichten mehr zu haben, aber die Privilegien zu behalten.
Bleiben Nordirland und Schottland in der EU?
Auch ist die Frage zu klären, ob sich im Zuge des Brexits Schottland und Nordirland aus dem Vereinigten Königreich loslösen und Mitglieder der EU bleiben. Die Nordiren haben beim Referendum mit rund 56 Prozent für den Verbleib in der EU gestimmt, die Schotten mit 62 Prozent.
In Nordirland wird nun vereinzelt gefordert, über eine Wiedervereinigung mit Irland abzustimmen, was den Frieden im ethnisch-konfessionell gespaltenen Land gefährden könnte. Schottland könnte sich vom Vereinigten Königreich in einer erneuten Volksabstimmung unabhängig machen und als eigenständiges Mitglied der EU beitreten.
Bleibt Englisch die Sprache der EU?
Schließlich wird auch die Sprache ein Thema. Offiziell hat die EU 24 Amtssprachen. Praktisch dominiert in EU-Angelegenheiten aber die Arbeitssprache Englisch den Austausch. Muss sich das ändern, wenn Großbritannien die EU verlässt? Auch Irland und Malta scheiden derzeit als "Spender" des Englischen aus. Sie haben ihre Regionalsprachen Gälisch und Maltesisch als EU-Amtssprachen gemeldet, nicht das Englische. Der CSU-Politiker Johannes Singhammer fordert bereits eine neue Sprachenpolitik in der EU. Deutsch und Französisch sollten als Arbeitssprachen nicht länger diskriminiert werden.
Auf die EU und Großbritannien kommen also schwierige Beziehungsgespräche zu. An dieser Stelle fragen wir Sie, welches Verhältnis Sie sich zwischen Großbritannien und der EU wünschen. Einzele Aspekte lauten:
ist das britische Austritts-Votum zu akzeptieren, oder sollte die Politik nach Möglichkeiten für Großbritannien suchen, in der EU zu bleiben (Zweites Referendum, Parlaments-Veto etc.)?
sind Sie dafür, dass Schottland und Nord-Irland in der EU bleiben?
sind Sie dafür, dass das Vereinigte Königreich und die EU sich weiterhin zu einem gemeinsamen Binnenmarkt zusammenschließen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
welche Arbeits-Möglichkeiten sollen Briten in der EU künftig haben? Und welche Möglichkeiten sollten EU-Bürger haben, im Vereinigten Königreich zu arbeiten?
sollten Großbritannien und die EU-Staaten bald möglichst über einen erneuten Zusammenschluss nachdenken, oder ist das zu den Akten zu legen?
Soll Englisch die wichtigste Arbeitssprache in der EU bleiben?
Zum Bürgerdialog: Europas Grenzen
Wie kontrolliert die EU künftig ihre Binnen- und Außengrenzen? Welche Verantwortung übernehmen die EU-Staaten für Geflüchtete und nach welchen Regeln? Die Bürgerdialoge “Europas Grenzen: Wir müssen reden!” der Europa Union Deutschland gehen diesen weiteren Fragen auf den Grund. Überparteilich und unabhängig, im persönlichen Gespräch vor Ort und online hier auf Publixphere.net. Alle interessierten Bürger sind eingeladen, sich mit Kommentaren und Beiträgen zu beteiligen Mehr...
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