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Europas Grenzen: Wir müssen reden! Bürgerdialog in Wuppertal


Foto: Alexander HobuschFoto: Alexander Hobusch, ergänzt um das Logo des Bürgerdialogs

Platzt das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei und nimmt Deutschland wieder mehr Geflüchtete auf? Wie kann die EU Freiheit und Sicherheit gleichermaßen garantieren? Das und mehr steht zur Diskussion – beim Bürgerdialog „Europas Grenzen: Wir müssen reden“ am 1. September in Wuppertal. Vorab können Sie Ihre Fragen und Gedanken online einbringen.


Ein Beitrag von Moderation Bürgerdialoge Europa-Union Deutschland

Noch zwischen Oktober 2015 und Anfang 2016 trafen in Wuppertal monatlich rund 500 Geflüchtete ein, inzwischen sind es nur noch 50 bis 60. Der Grund: mittlerweile ist die Balkan-Route in den Norden Europas dicht. Die EU hat mit der Türkei ein Abkommen vereinbart, das die Aktivitäten von Schleppern stark eindämmt. Dennoch bleiben viele Fragen offen, wenn es um die künftige Flucht und Migration nach Europa und nach Deutschland geht. Zwei Beispiele:

Ein Plan B zum Türkei-Abkommen?

Möglich erscheint aktuell, dass das Türkei-Abkommen scheitert. Beide Seiten machen sich den Vorwurf, sich nicht an die Vereinbarungen zu halten. Die Türkei pocht auf Visafreiheit für türkische Staatsbürger in der EU. Die EU mahnt die Türkei, Menschenrechte einzuhalten – und beispielsweise seine umstrittenen Anti-Terrorgesetze zu ändern. Sollte das Abkommen kippen, stellt sich erneut die Frage, wie die EU mit Geflüchteten an ihren Außengrenzen umgeht. Griechenlands Migrationsminister Yiannis Mouzalas bringt bereits einen Plan B ins Spiel - und fordert beispielsweise eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in der EU, auf die sich die EU-Staaten noch nicht einigen konnte.Ein europäischer Zwang zur Flüchtlingsaufnahme war zuletzt bei unserem Bürgerdialog in Augsburg Thema.

Sorge um Sicherheit und Integration

Nach verschiedenen Anschlägen in Deutschland und anderen EU-Ländern ist auch die Sicherheitsdebatte wieder entflammt. Geht von Flüchtlingen eine erhöhte Terrorgefahr aus? Die Bundesregierung warnt davor, Flüchtlinge generell unter Terrorverdacht zu stellen. "Die meisten Terroristen, die in den letzten Monaten in Europa Anschläge begangen haben, waren keine Flüchtlinge", so die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. "Diese Erkenntnis deckt sich mit aktuellen Untersuchungen, nach denen die Gefahr des Terrorismus nicht größer und nicht kleiner ist als in der übrigen Bevölkerung."

Trotzdem treibt die Frage nach dem friedlichen Zusammenleben Politik und Gesellschaft weiter um. Wie gelingt es nach gemeinsamen Regeln?

Bislang gab es hier bei unseren Bürgerdialogen auch viel Optimismus. Beispielsweise sagte die Thüringische Staatssekretärin für Europa Babette Winter (SPD) in Erfurt: “Thüringen ist nicht überfordert, wenn mehr Menschen kommen. Das ist zu schaffen“. Die Ankommenden bedeuteten auch eine kulturelle Bereicherung für das Land. Der Kriminalitäts-Experte Daniel Behrendt meint, eine gelungene Integration habe viele Bausteine und fordert im Online-Bürgerdialog “eine Art Rechtskundeunterricht ohne erhobenen Zeigefinger”.

Welche Politik wünschen Sie sich?

Auch die Situation in Wuppertal hängt stark von den Maßnahmen der europäischen Nachbarn ab, und von der EU-Politik – etwa von der künftigen Flüchtlingsaufnahme im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens.

Was also denken die Wuppertaler über Europas Grenzen, über Chancen und Risiken der Migration, über europäische Freiheiten und Werte?


Der Bürgerdialog vor Ort in Wuppertal

Sie wollen auch vor Ort am Bürgerdialog der Europa-Union teilnehmen? Hier finden Sie weitere Informationen zum Termin, das Programm und das Anmeldeformular. Zahlreiche Gäste aus Politik und Gesellschaft werden Ihnen Frage und Antwort stehen.


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Kommentare

  • Geht es um die Bewältigung der sogenannten „Flüchtlingskrise“, nennt die Politik immer wieder die zwei Stränge Grenzsicherung sowie Bekämpfung der Fluchtursachen vor Ort. Ersteres funktioniert im Wesentlichen. Letzteres eher nicht. Hier muss deutlich mehr geschehen als das ständige Äußern von Lippenbekenntnissen. Grenzschutz ist letztlich Kosmetik, die Unschönes überdeckt, nicht aber beseitigt. Wenn wir fahrlässig zulassen, dass Fluchtursachen weiter zunehmen, dann kommen wir unweigerlich an den Punkt, an dem kosmetische Maßnahmen an ihre Grenzen gelangen werden. Dies bedeutet jedoch wiederum, dass die ungeschminkte Realität in zunehmendem Maße an unsere Grenzen – namentlich die EU-Außengrenzen – gelangen würde. Da dies weder im Sinne der Herkunfts- noch der Aufnahmegesellschaften sein kann, gilt es jetzt zu handeln.

  • Zu einem kurzen Vortrag vor ein paar Monaten hatte ich ein paar Stichpunkte aufgeschrieben und ausgegeben. Ich denke das passt eigentlich ganz gut zur Thematik.

    Die EU-Flüchtlingspolitik und ihre Auswirkungen

    Bei der EU-Flüchtlingspolitik handelt es sich eher um eine EU-Mitgliedsstaaten-Flüchtlingspolitik, weil sie maßgeblich von den Mitgliedsstaaten gestaltet wurde und auch eine Anpassung immer der Zustimmung der Mitgliedsstaaten bedarf.

    EU-Kommissar für Migration und Inneres: Dimitris Avramopoulos (EVP, Griechenland)

    Die EU-Flüchtlingspolitik besteht im Wesentlichen aus dem Europäischen Asylsystem und dem Schengener Abkommen.

    Schengen:
    Abkommen vom 14. Juni 1985 ausgehend von Deutschland, Frankreich und den Benelux Ländern gewachsen und heute zum Teil über die EU hinausgehend. Aktuellste Erweiterung des Schengener Grenzkodex ist am 12. April 2016 in Kraft getreten ist.

    EU-Verordnung Nr. 399/2016 (aktuelle Erweiterung des Schengener-Grenzkodex) ohne (Dänemark), Irland, Großbritannien und Gibraltar. Im Moment noch ohne Zypern, Kroatien, Rumänien und Bulgarien. Dafür mit Schweiz, Island, Norwegen und Liechtenstein.

    EU-Verordnung Nr. 2007/2004 (Frontex-Verordnung) erweitert durch EU-Verordnung Nr. 1168/2011

    Europäisches Asylsystem:
    Das Ziel eines koordinierten Asylsystems gab es schon in der Zeit der EG. Das Dubliner-Abkommen stammt vom 15. Juni 1990 (Inkrafttreten 1997) und ging sogar dem Maastrichter-Vertrag 1992 voraus.

    EU-Verordnung Nr. 604/2013 (Dublin-III-Verordnung) ohne Dänemark.

    EU-Verordnung Nr. 603/2013 (Eurodac-Verordnung zur Registrierung) ohne Dänemark und Irland.

    EU-Richtlinge 2013/33/EU (Normen für die Aufnahme von Flüchtlingen) ohne Dänemark und Irland und zum Teil ohne Großbritannien.

    Entwicklung bis 2011:
    Betrachtet man die Asylzahlen in Deutschland, das vollständig von anderen Dublin-Ländern umgeben ist, hat das Dublin-System immer nur eingeschränkt funktioniert. Gründe hierfür sind die Visa-Freiheit gegenüber einzelnen Nicht-EU-Ländern und „Realitäten der Migration“.

    Insgesamt war die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge allerdings gering, z.B. weil sich die Balkanregion stabilisierte und bis zur Finanzkrise viele Bürger der Balkanländer als Gastarbeiter in der EU (z.B. Italien) tätig waren. Außerdem wurden die EU-Außengrenzen in Zusammenarbeit mit EU-Nachbarländern gesichert (z.B. an der marokkanischen Grenze zum spanischen Melilla).

    Entwicklung von 2011 bis Spätsommer 2015:
    Seit der Zeit des arabischen Frühlings erhöhte sich die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge, insbesondere auf der Route über Libyen nach Italien (ca. 100.000 - 200.000 pro Jahr). Italien reagierte darauf zunächst mit der Marine-Mission „Mare Nostrum“ bis die EU verschiedene Maßnahmen ergriff z.B. die Frontex-Mission „Triton“ oder die EUNAVFOR-Mission „Sophia“.

    Zwar brach zu dieser Zeit das Dublin-System zusammen, allerdings handelte es sich noch immer um vergleichsweise niedrige Zahlen. Außerdem überlagerte, z.B. in Deutschland, die deutlich steigende Zahl von Asylbewerbern aus Balkanländern diese Problematik zum Teil.

    Erst durch die Etablierung der sogenannten Balkanroute wurde das Thema für fast alle Länder dringlich. Laut UNHCR erreichten 2015 im Februar 2.900, im April 13.600, im Juli 54.900 und im August 107.800 Schutzsuchende Griechenland.

    Reaktionen auf die Situation ab dem Spätsommer 2015:
    Sowohl die EU als auch die Mitgliedsstaaten reagierten mit einer Stärkung der Grenzsicherung, einem veränderten Umgang mit Asylbewerbern vom Balkan, einer verbesserten Ausstattung der internationalen Flüchtlingshilfe (UNHCR) und Asylrechtsdebatten.

    Im Herbst konnte dann mit einer Balkan-Konferenz, die in Deutschland mit einer Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten einherging, und anderen Maßnahmen die Zahl der Asylbewerber vom Balkan drastisch reduziert werden.

    Zahlreiche EU-Länder reagierten daneben mit Grenzkontrollen an den Binnen- und Außengrenzen, während gleichzeitig die EU und die EU-Mitgliedsstaaten zum Schutz der Außengrenzen die Zusammenarbeit mit der Türkei verstärkten, die im März 2016 in einem EU-Türkei-Abkommen mündete.

    Im Rahmen des Europäischen-Asylsystems wurde die Anwendung von Eurodac, dem gemeinsamen Registrierungssystems für Flüchtlinge, vorangebracht und im Rahmen des neuen Schengener Grenzkodex wurden Frontex gestärkt und gemeinsame Standards zur Grenzsicherung festgeschrieben. Die Überwachung der EU-Außengrenzen bleibt allerdings, entgegen anderer Pläne der EU-Kommission, weiterhin die Aufgabe des jeweiligen Nationalstaats.

    Eine Umverteilung von Flüchtlingen wurde zwar beschlossen, bislang allerdings nur unzureichend durch die EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt. Für eine Reform des viel kritisierten Dublin-Systems gibt es aktuelle Vorschläge der EU-Kommission, die aber auf ein geteiltes Echo der Mitgliedsstaaten stoßen.

    Auswirkung:
    Nach einem Höhepunkt im Herbst mit 147.100 Flüchtlingen, die in Griechenland ankamen, im September und 211.700 im Oktober ist die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge wieder auf das Niveau von 2013 gesunken und verteilt sich aktuell auf die Mittelmeerroute (ca. 10.000 pro Monat) und die Balkan-Route (ca. 5.000 pro Monat).

    Zahlenquellen: UNHCR, http://data.unhcr.org/mediterranean/regional.php

  • Noch zwischen Oktober 2015 und Anfang 2016 trafen in Wuppertal monatlich rund 500 Geflüchtete ein, inzwischen sind es nur noch 50 bis 60.

    Und im EU-Türkei-Abkommen steht, sobald die Zahl der irregulären Einreisen zurückgegangen ist, sollen mit Kontingenten reguläre Wege geschaffen werden.

    Meine Frage daher: Wo sind diese Kontingente?

    Noch immer sterben im Monat im Schnitt 500 Menschen an den EU-Außengrenzen. Aber eine EU, die die Menschenrechte und die Würde dieser Menschen mit Füßen tritt, wünsche ich mir auf jeden Fall nicht.

    • In Bezug auf den gestrigen Bürgerdialog „Europas Grenzen“ in Wuppertal und die Frage der freiwilligen Kontingente will ich mich für die Bemühungen um eine Antwort bedanken. Die Aussicht, dass es wohl auch weiterhin kein Land in der EU geben wird, das die Umsetzung der bereits vereinbarten freiwilligen Kontingente – also reguläre Wege in die EU – anpackt, stimmt mich allerdings doch ziemlich traurig.

      Deutschland trägt zwar schon jetzt viel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise bei und es gibt auch bereits jetzt humanitäre Kontingente in verschiedenen Formen und zudem auch noch den Familiennachzug. Gleichwohl sind das, in Anbetracht der deutschen Volkswirtschaft, dürftige Zahlen. Natürlich ist mir bewusst, dass sich einige Länder in der EU bei der Flüchtlingsaufnahme ziemlich unanständig verhalten. Dies darf aber keine Entschuldigung dafür sein, dass Deutschland sich ebenfalls unanständig verhält und diese zugesagten Kontingente nicht einrichtet.

      Meine Hoffnung ist daher, dass die Europa-Union, die Gewerkschaften aber auch sonstige Organisationen diesen Zustand nicht länger hinnehmen und die Schaffung der freiwilligen Kontingente von den politischen Entscheidungsträgern in der EU und auf der Bundesebene nachdrücklich einfordern.