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Das Grundrecht Arbeitnehmerfreizügigkeit verteidigen!


Ein Beitrag von Brigitte_Pothmer MdB, Grüne

Wir dürfen uns von Parolen aus Bayern nicht verunsichern lassen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa ist nicht weniger als ein Grundrecht, das jedem EU-Bürger und jeder EU-Bürgerin zusteht. Sie ist eine der vier Grundfreiheiten in der EU. Nicht nur Waren, Kapital und Dienstleistungen dürfen sich frei bewegen, sondern auch Personen. Jeder EU-Bürger darf sich in einem anderen EU-Land eine Arbeit suchen. Egal ob Akademiker, Facharbeiter oder Saisonarbeitnehmer. Und es war ein langer Weg bis dahin. Und es ist dieses europäische Grundrecht der Arbeitnehmerfreizügigkeit, das wir jetzt verteidigen müssen. Denn das Problem sind nicht die Menschen, die nach Deutschland kommen. Das Problem ist, wie wir mit ihnen umgehen und welche Parolen wir ihnen entgegenrufen.

Wir Grüne stellen uns entgegen, wenn aufgrund von Fehlverhalten Einzelner der Ruf nach umfassender Einschränkung der Freiheit aller ertönt. Wir verteidigen das europäische Grundrecht der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegenüber dem Populismus der CSU. Gerade jetzt, wo die Wahl zum Europäischen Parlament ansteht. Wir werden das Europäische Projekt gegen den anschwellenden Rechtspopulismus ebenso verteidigen wie gegen die Versuche der Renationalisierung. Wir Grüne wollen ein solidarischeres, demokratischeres, nachhaltigeres und menschlicheres Europa. Wir wollen denen, die in unser Land kommen, um hier zu arbeiten entgegenrufen: Herzlich willkommen und vielen Dank! Vielen Dank, dass ihr uns helft, den Fachkräftemangel zu bewältigen! Vielen Dank, dass ihr in unsere Sozialsysteme einzahlt! Vielen Dank, dass ihr unsere Wirtschaft mit eurem Wissen weiterbringt und unsere Gesellschaft mit eurer Kultur noch bunter wird!


Kommentare

  • Brigitte_Pothmer MdB, Grüne
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    Graustufe pedroB5 Sie haben vollkommen Recht mit Ihrer Einschätzung, dass in der Bevölkerung viel Verunsicherung herrscht. Das Referendum in der Schweiz hat es gerade erst wieder gezeigt: Die tatsächlichen Zahlen der Zuwanderung spielen kaum eine Rolle. Deshalb kann es auch nur ein Teil der Lösung sein, die Debatte zu versachlichen. Mindestens genauso wichtig ist es, sich mit der diffusen Angst vor dem Unbekannten, dem Fremden zu beschäftigen. Hier müssen wir Begegnungen schaffen und so Berührungsängste abbauen. Denn wenn aus Fremden Freunde werde, dann tritt auch die Herkunft in den Hintergrund. Dann ist der Kollege eben Kollege und nicht mehr Bulgare. Dann ist die Kommilitonin eben Kommilitonin und nicht mehr Spanierin. Das fängt damit an, die Spaltung oder gar Abschottung in der Gesellschaft zu überwinden. Denn wer sich beim Einkaufen und auf dem Spielplatz begegnet, der ist sich auch bald nicht mehr fremd. Und natürlich spielt auch die Bildung eine wichtige Rolle. Und zwar nicht nur das übereinander Lernen, sondern auch miteinander in einer Klasse. Auch zivilgesellschaftliches Engagement in diesen Bereichen wollen wir unterstützen, ob das nun gemeinsame Theaterprojekte sind, ein in der Nachbarschaft organisiertes Fußballturnier, oder eine multikultureller Flohmarkt. Die Projekte der Völkerverständigung sind vielfältig. Nur durch Begegnungen kann man Vorurteile abbauen. Wer sich ein eigenes Bild machen kann, der ist nicht mehr so empfänglich für fremdenfeindliche Parolen.

  • Liebe Frau Pothmer,

    vielen Dank für Ihre klaren Worte. Da ich ungern die Plattform nutzen möchte, um eine Diskussion über Parteipositionen zu beginnen, werde ich lediglich auf Ihren ersten Absatz eingehen.

    Ich kann Ihnen nur zustimmen, dass unsere Willkommenskultur in der BRD sehr entwicklungsbedürftig ist. Gemischte Gefühle habe ich allerdings dem Umgang mit der Thematik gegenüber.

    So kommt es mir vor, als ob der Fokus bei den politischen Parteien nur auf Masse und Qualität der Zuwanderern liegt.

    Ich glaube, dass wir ein viel weitreichenderes Problem haben, welchem wir kaum Beachtung schenken. Unser eigenes Volk hat viel zu große Angst vor den europäischen Nachbarn und deren Kultur!

    Vorurteile und Argwohn sind doch an der Tagesordnung. Und dies nicht nur im ländlichen Raum. Reisen Sie in eine Stadt wie Dresden und beobachten Sie die Reaktion der Menschen, wenn z.B. ein Afrikaner über die Straße läuft. Sie werden feststellen, dass mehr als die Hälfte der Dresdner diesen anstarrt. Als wäre er eine Rarität.

    Nun sind unsere europäischen Nachbarn natürlich nicht unbedingt dunkelhäutig, aber ich wollte Ihnen damit veranschaulichen, dass wir eher Aufklärungsarbeit in unserem eigenen Land leisten müssen.

    Zwar nimmt uns die Welt als aufgeschlossen wahr, aber in Wirklichkeit sind wir kaum besser internationalisiert als die Polen oder Bulgaren. Lediglich die globalisierte Vernetzung unserer Wirtschaft wahrt den Anschein, als wenn wir vollkommen aufgeschlossen gegenüber der Welt und Ihren faszinierenden Kulturen sind.

    Ich fordere deshalb zunächst die Bekämpfung unserer eigenen Angst vor dem Unbekannten. Wir müssen unseren Kindern von klein auf beibringen, dass die Welt kaum noch Grenzen kennt und wir deshalb unseren Blick auch nach außen richten müssen um zu lernen mit der Fremdheit umzugehen. Ich hätte mir ein Pendant "Fremdenkunde" zum Schulfach "Heimatkunde" gewünscht ;)

  • pedroB5 ist dafür
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    Liebe Frau Pothmer, vielen Dank für diese klare Position, ich kann Ihnen nur zustimmen.

    Dass wir die Fachkräfte benötigen ist natürlich ein klares Argument, das mit Zahlen belegbar ist und dem kaum einer widersprechen kann. Die größte Voraussetzung wird meiner Meinung nach aber sein, den Wandel in den Köpfen der Menschen hervorzurufen. Die Parolen der CSU treffen ja auf einen "fruchtbaren Boden" bzw. auf die Angst und Unsicherheit vieler Bürgerinnen und Bürger - und schüren dadurch das Bild der Zuwanderer, die es sich hier "auf unsere Kosten gemütlich" machen.

    Was konkret wollen die Grünen unternehmen, damit alle Bürgerinnen und Bürger offener werden und sich den Worten "Herzlich willkommen und vielen Dank! Vielen Dank, dass ihr uns helft, den Fachkräftemangel zu bewältigen!" anschließen? Der Fachkräftemangel ist das eine Problem, aber auch die Integrationsdebatte, die sich dem anschließt, sollte auch noch weiter bedacht werden...und auch dazu braucht es Toleranz und Offenheit in der Bevölkerung. Wie also schaffen wir eine offene und positive Willkommenskultur, die wirklich von der Gesellschaft gelebt wird und es nicht nur bei politischen Statements belässt?

  • Ich finde diese Position der Grünen natürlich sehr löblich.Schön, dass Sie sich zur Arbeitnehmerfreizügigkeit bekennen.

    Allerdings frage ich mich, ob es sich die Grünen nicht etwas zu leicht machen. Nehmen wir einmal folgendes Szenario an. Die von Armutszuwanderung besonders betroffenen Kommunen engagieren sich politisch korrekt und im besten rot-grünen Denken für geringverdienende Rumänen und Bulgaren, die zu uns kommen. Sie bieten Sprach- und Integrationskurse, vermitteln vernünftig bezahlte Stellen, bieten Hilfe bei Wohnraum und Krankenversicherung. Das wiederum spricht sich in armen ländlichen Regionen in Rumänien herum ("In Deutschland gibt es Hilfe und man kann es schaffen!"). Und schließlich kommen richtig viele geringqualifizierte Zuwanderer nach Deutschland, sagen wir 500.000. Es ist eine hypothetische Frage, aber würden die Grünen das gut heißen? Wann ist für die Grünen die Grenze erreicht, wann ist "das Boot voll"?

    Ich spreche hier ganz bewusst weder von "Sozialbetrügern" noch von hochqualifizierten Ingenieuren und Ärzten, sondern von der legalen Zuwanderung geringqualifizierter EU-Bürger - ist hier die Willkommenskultur der Grünen tatsächlich grenzenlos?

    • Also das ist ja mal eine sehr hypothetische Frage! Aber sie zeigt, worum es hier eigentlich geht, die Angst vor dem Kontrollverlust. Ja es könnten nach EU-Recht auch 2 Millionen kommen! Dieses "Wagnis" muss man erstmal aushalten können. Lassen Sie los! Wir können nicht alles im Griff behalten und das ist gut so!