Die CSU wandte sich Anfang 2014 in einem
Beschluss gegen die „Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme“. Für Zuwanderer, die Sozialleistungen „erschleichen“, müsse gelten: „Wer betrügt, der fliegt."
Hintergrund ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, die seit 1. Januar 2014 auch für Rumänen und Bulgaren in Deutschland gilt (Siehe Abschnitt „Was bedeutet Arbeitnehmerfreizügigkeit?“). Konkret schlug die CSU vor, Zuwanderern aus EU-Ländern in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes generell keine Sozialleistungen zu gewähren. Außerdem will man die Kommunen dabei unterstützen, Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit zu bekämpfen. Gesetzesverstöße sollen schärfer geahndet werden.
Der CSU-Vorstoß stand teilweise stark in der Kritik. Die Grünen warfen der CSU Populismus vor. „Die allermeisten Bulgaren und Rumänen, die schon in Deutschland leben und arbeiten, stärken unsere Sozialsysteme und unsere Wirtschaft“, so die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Die CSU schüre unnötig Ängste und sei auf Stimmenfang am rechten Rand.
Die Große Koalition setzte schließlich einen Experten-Ausschuss ein, der sich mit Missbrauch von Sozialleistungen durch Zuwanderer aus Osteuropa befasst. Das Kabinett verabschiedete Ende März einen Zwischenbericht des Gremiums aus Staatssekretären. „Absolut gesehen ist das Problem des Missbrauchs durchaus kleiner als häufig dargestellt", so Innenminister Thomas de Maiziere (CDU). „Regional, in sechs bis sieben großen Städten, ist es jedoch gewichtig und wachsend.“
In einigen Kommunen sei es zu einer Verschärfung sozialer Problemlagen und einer steigenden Belastung der Systeme kommunaler Daseinsvorsorge gekommen, so de Maiziere. Betroffen seien etwa die Bereiche Beschulung, Wohnraumversorgung, Obdachlosenunterbringung und Gesundheitsversorgung. Die besonders betroffenen Kommunen sollen vom Bund in den nächsten Jahren 200 Millionen Euro an Hilfe bekommen, etwa um Integrationskurse zu verbessern.
Der Staatssekretärsausschuss schlägt verschiedene Maßnahmen vor, um einen Mißbrauch von Sozialleistungen im Zuge der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu bekämpfen. So soll es bei Rechtsmissbrauch Wiedereinreisesperren geben – wie es bestehendes EU-Recht bereits ermöglicht. Geplant ist es auch, das Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche zeitlich zu begrenzen. Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit sollen durch Änderungen des Gewerberechts eingedämmt werden. Auch im Bereich der Familienleistungen und des Kindergelds soll durch gesetzliche Anpassungen ein Missbrauch erschwert werden. Alle Maßnahmen sollen innerhalb des EU-Rechtsrahmens bleiben.
Allerdings bezweifelt die Oppositon, ob das gelingt. Die Grünen sehen einen "Rechtsbruch mit Ansage“: Weder ließe sich das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgern zur Arbeitssuche befristen, noch könnten einfach so Wiedereinreiseverbote für sie verfügt werden, so Volker Beck, der innenpolitische Sprecher der Grünen. „Der Staatssekretärsausschuss gibt dem rechtspopulistischen Popanz eines vermeintlichen Missbrauchs von Sozialleistungen durch Migranten einen institutionellen Rahmen“, kritisiert Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei.
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