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Muss Deutschland mit Armutszuwanderung leben?


Ein Beitrag von Emil

In den letzten Wochen wurde Zuwanderung von EU-Bürgern nach Deutschland ausgiebig diskutiert, speziell die von ärmeren Rumänen und Bulgaren. Was mich stört, ist die unterschwellige Unterscheidung zwischen 'guten' und 'schlechten' Zuwanderern. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagt: "Qualifizierte Arbeitnehmer sind herzlich willkommen. Die braucht die deutsche Wirtschaft."

Diese Einstellung geht am europäischen Recht vorbei, auf das sich alle EU-Staaten geeinigt haben (von wegen "die da in Brüssel" und so). Auch schlecht ausgebildete und bitterarme Zuwanderer haben das gute Recht nach Deutschland zu kommen. Sie dürfen hier eine Arbeit suchen, sich auch als "Straßenmusiker" über Wasser halten, sich weiter qualifizieren oder auch nicht. Sie dürfen Europas Chancen genauso wahrnehmen wie die priviligierteren EU-Bürger und das ist auch gut so. Sie haben diesselben Rechte wie Deutsche, die wie selbstverständlich nach Mallorca ziehen (oft ohne ein Wort Spanisch zu sprechen).

Und unabhängig vom Rechtlichen sage ich als Europäer: Auch unqualifizierte Bürger sind herzlich willkommen! Was denn sonst?

Wie seht Ihr das?


Kommentare

  • Ich finde durch diese Aussagen zeigt die CSU mal wieder eindrucksvoll, dass sie selbst eigentlich die größte Belastung für die deutsche Bevölkerung ist. Durch die völlig überzogene Analyse die das "Problem" übertreibt (im Heute-Journal war zB vor kurzem ein ganz netter Beitrag über den wahren Ausmaß der Sozialleistungen an Rumänen und Bulgaren) und vor allem die völlig unangebrachte Sprache der Politiker der CSU, werden Ressentiments geschürt und vor allem den radikalen Parteien in die Hände gespielt. In der Folge darf dann die NPD (oder die Republikaner oder AfD) zusammen mit Frau Le Pen und den anderen europäischen Rechten in Brüssel Politik machen. Klar ist das kurzfristig auch für die CSU lukrativ, die Angst hat in der Großen Koalition von Merkel und Gabriel ignoriert zu werden (siehe Vergabe der Kabinettsposten), aber die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen sind fatal.

  • Louisa ist dafür
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    Lieber Emil, da stimme ich dir voll und ganz zu. Erst recht: Wer entscheidet denn darüber, wer gut und wer schlecht, wer qualifiziert oder wer unqualifiziert ist? Wenn ich momentan Nachrichten sehe, höre, oder lese, geht es (mindestens gefühlt) immer nur darum, ob Rumänen, Bulgaren (und immer mitschwingend 'die faulen Roma mit den vielen Kindern'...) nun wirklich unser Sozialsystem zusammenbrechen lassen oder nicht. Damit wird grundsätzlich schon unterstellt, dass diejenigen, die nach Deutschland einreisen, dies nur tun, um das deutsche System auszunutzen. Auch Deutschland hat zugestimmt, dass Bulgarien und Rumänien Teil der EU werden. Wenn wir es in der EU schon nicht schaffen, Menschen aus anderen Teilen der Welt dieselbe Würde wie uns zu attestieren, dann sollten wir es doch zumindestens hinbekommen, Bürger aus anderen EU-Mitgliedsstaaten würdevoll zu behandeln.

  • Immerhin hat die EU-Kommission ja zu Bedenken gegeben, dass das deutsche Sozialsystem in dieser Hinsicht nicht EU-konform sein könnte (nämlich arbeitslosen EU-Zuwanderern von Sozialleistungen, isnb. Hartz IV, auszuschließen). Ob der Vorschlag der Kommission, jeweils eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, zielführend ist, wage ich allerdings zu bezweifeln. Das klingt nach viel Bürokratie, wenig Transparenz und Unsicherheit

    • Die Schiefheiten in dieser neuesten Debatte regen mich wirklich auf, und zwar aus folgenden Gründen:

      1. Was will die Kommission? Laut eigenen Angaben meint sie auf Grundlage der bisherigen Rechtssprechung des EuGH, die Einzelfallprüfung von Hartz IV-Anträgen mobiler EU-Bürger sei notwendig, auch wenn die noch nie in Deutschland gearbeitet haben. Na und? Der EuGH muss das entscheiden, es ist nur eine juristische Einschätzung der Kommission.

      2. Selbst wenn der EuGH sagt, Einzelfallprüfungen sind notwendig. Dann gibts mehr Verwaltungsaufwand - wie die Prüfungen ausfallen ist damit noch überhaupt nicht gesagt. Und: Dann kann Deutschland den Betreffenden immer noch den weiteren Aufenthalt verweigern, eben weil sie dem Sozialstaat zur Last fallen (Freizügigkeitsrichtlinie). Das heißt, die Betroffenen bekommen im "schlimmsten" Fall einen Hartz IV-Anspruch zugesprochen und müssen deshalb gehen.

      3. Was macht die Presse (von der SZ bis zur FAZ bis SPON) daraus? Sie titelt "Brüssel fordert Hartz IV auch für arbeitslose Ausländer". Das ist einfach falsch. Es basiert auf einer irreführenden Zuspitzung der Süddeutschen Zeitung, die von den Agenturen und vielen anderen ungeprüft übernommen wurde.

      4. Und jetzt kommt die CSU. Ihre ganze Debatte ist von Zahlen, Daten Fakten nicht gedeckt, die deutsche Anti-Zuwanderer/Roma-Stimmmung hat sie völlig überschätzt. Sie fühlt sich düpiert, man wollte es doch der AFD und der SPD auf einmal zeigen. Also drischt sie ausser Rand und Band auf die EU-Kommission ein. Zitate Andreas Scheuer (Generalsekretär): "Die nationalen sozialen Sicherungssysteme sind kein Selbstbedienungsladen für alle Europäer, die zu uns kommen" / "Es ist für mich schockierend, wie die EU-Kommission leichtfertig die nationalen Sicherungssysteme damit torpediert." / Die Stellungnahme der Kommission sei "fatal" und "eurokratischer Wahnsinn" / "Wenn Beamte in der EU-Kommission in Brüssel in ihren De-Luxe-Büros auf unsere nationalen sozialen Sicherungssysteme eingreifen wollen, dann wird es den erbitterten Widerstand der CSU geben" /

      Erbitterter Widerstand? Tut mir leid, aber ist das angesichts der Fakten nicht ein wenig, ganz leicht, slightly übertrieben?

      Man darf und muss die Kommission oft kritisieren. Aber sie ist nun mal Hüterin der Verträge und macht in diesem Fall nur ihre Arbeit. Entscheidend bleiben der EuGH und der deutsche Gesetzgeber.

      Und ich will nicht, dass eine derart wahlkampftaktische Anti-"Brüssel"-Kampagne wider besseren Wissens in Deutschland hoffähig wird. Sonst haben wir bald britische Verhältnisse, und verdrehen uns unser gehasstes Europa zurecht. Und schließlich, man muss das bei Politikern wie Herrn Scheuer ja noch mal eigens schreiben, Deutschland, auch Bayern, hat dieser ganzen EU-Gesetzgebung zugestimmt, in der es jetzt lösbare Unsicherheiten gibt.

      • Deine Befürchtung, dass eine Anti-Brüssel-Stimmung auch in Deutschland um sich greift, ist berechtigt. Und das vor den Wahlen zum Eu-Parlament in diesem Jahr! "Brüssel fordert Hartz IV auch für arbeitslose Ausländer" ist eine populistische undifferenzierte Zuspitzung der Presse und fördert antieuropäische Ressentiments. Die Kommission fordert nichts weiter als Einzelprüfungen von Hartz IV-Anträgen mobiler EU-Bürger. Es ist richtig, dass Du darauf hinweist. Aber ich stelle mir vor, ein(e) Bürger/in kommt nach Deutschland und stellt einen solchen Antrag. Was soll er/sie sich erhoffen? Annahme seines Antrags und dann trotzdem die Enttäuschung abgewiesen zu werden, weil er/sie dem Sozialstaat zur Last fällt? M.E. muß es klare Regeln geben, auch in Puncto Freizügigkeit. Das kommt auch der Würde des Auswanderungswilligen entgegen. Wer von einem EU-Land in ein anderes auswandern will, muß einen Plan haben, wie er sich seine Existenz im Ausland aufbauen will. Möglicherweise am Anfang als Bauhelfer oder Putzhilfe (vom Tellerwäscher zum Millionär...) Jeder kann was, auch wenn er in seinem Heimatland nur drei Jahre die Schule besucht hat...

        • Liebe Doro, auch ich bin davon überzeugt, dass es klare Regeln geben muss. Das ist für alle Seiten fairer. Besonders für diejenigen, die in ein anderes EU-Land ziehen und dort leben und arbeiten möchten. Aber dabei geht es nicht nur um diejenigen, die als 'Bauhelfer' oder 'Putzhilfe' arbeiten und nur drei Jahre die Schule besucht haben. Ich weiß genau, was du meinst, aber warum nutzt du nur diese Beispiele? Was ist beispielsweise mit den gut ausgebildeten Ärzten oder Altenpflegern, die hier nicht arbeiten dürfen, weil ihre Ausbildung nicht anerkannt wird. Es gibt viele Menschen, die nach Deutschland kommen und - trotz anderweitiger Qualifikation - zum Tellerwäscher degradiert werden. Auch dafür brauchen wir Regeln! Und keine populistische Hetze á la Andreas Scheuer, der gleichzeitig gegen Zuwanderer (wobei er implizit die Roma meint) und den "eurokratische Wahnsinn" der EU hetzt. Dabei könnte die EU-Kommission gerade die Regeln in Angriff nehmen, die das Problem erleichtertn würden.

  • Die Einstellung des Autors der Debatten-Vorgabe (s.o.) ist sehr humanistisch, um nicht zu sagen "christlich". Er ist ein bewunderswert guter Mensch, und jeder Kritiker dieser Einstellung muss sich automatisch schlecht vorkommen. Dennoch, ich wage eine Kritik: Die Armutszuwanderer dürfen "Europas Chancen" genauso wahrnehmen... Mich stört die Gleichsetzung von "Europas Chancen" mit "Deutschlands Chancen". Es gibt eben in Europa noch nicht in allen Ländern die gleichen Chancen, sonst würden Bulgaren und Rumänen nicht auswandern wollen, denn Jeder liebt doch eigentlich seine Heimat. Es ist also eine sehr einseitige Wanderbewegung, offenbar vorzugsweise nach Deutschland. (Die Auswanderung Deutscher in sonnige Urlaubsländer des Südens kann man damit nicht vergleichen) Ich fühle als Deutsche den Appell an meine Mitmenschlichkeit, frage mich aber, wann unsere Gesellschaft die Grenze zur Überforderung erreicht. Es gibt bei uns selbst so viele Arme, die unterhalb der Armutsgrenze leben, die Mühe haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden oder zu halten, die Mühe haben, sich und ihre Familien durchzubringen. Wäre es nicht sinnvoll, in den EU-Ländern einheitliche Sozialsysteme zu schaffen, so dass Armutswanderung nicht mehr nötig ist?

    • ...und ich teile übrigens Deine Sorge, dass die Gesellschaft die Grenze zur Überforderung irgendwann (zu früh) erreicht haben könnte.

      • Liebe Mayte und Doro, meint ihr denn, dass die Grenze zur Überforderung bevor steht? Wird unser Sozialsystem zusammenbrechen, weil ein paar weitere Zuwandererer hinzukommen???

        • Nein, natürlich nicht ;) das meinte ich aber auch nicht. Mit der "Grenze zur Überforderung" meine ich die gesellschaftliche Bereitschaft zur Aufnahme von (Armuts)einwanderern. Diese kann m.E. auch dann erreicht sein, wenn Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit die öffentliche Debatte derart prägen dass einfach keine Bereitschaft mehr zur Aufnahme vermittelt wird, oder gar politische Maßnahmen ergriffen werden um diese zu stoppen.

          • Okay, aber nach dem Verständnis hätten wir ja jetzt schon (fast) diese Grenze erreicht. Was macht denn die CSU gerade? Die öffentliche Debatte prägen und Maßnahmen ergreifen, um die Aufnahme zu stoppen, oder?

            In dem Zusammenhang stellt sich bei mir noch die Frage unter welchen Voraussetzungen Behörden momentan eigentlich 'Sozialbetrüger' ausweisen. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach davon - wie im Hintergrundtext und im Deutschlandfunk zu lesen, dass die betreffenden Personen auch wieder einreisen könnten, was die CSU vermeiden möchte.

            Wird das jetzt nicht schon getan? Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass 'Sozialbetrüger' (wie marginal ihre Größe auch sein mag) momentan nicht daran gehindert werden, wieder nach Deutschland zurückzukehren.

            Gibt es darüber irgendwelche Aussagen? Ich habe auf die Schnelle nichts darüber finden können.

            • Lieber Jonas,

              tatsächlich bleibt in der Debatte die bisherige Praxis bei Ausweisungen und Wiedereinreise-Sperren im Fall von Sozialbetrug unklar. Auch das Ausmaß des Problems ist offen. Wir werden versuchen, hier Stimmen und Zahlen einzuholen - etwa von der Polizeigewerkschaft.

              Hier schon mal ein Hinweis zum Thema Rechtsdurchsetzung: Recht früh in der Diskussion brachte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok in der Bild-Zeitung die Idee ins Spiel, Zuwanderern die Fingerabdrücke abzunehmen, damit sie im Fall des Sozialbetrugs und der Ausweisung effektiver an der Wiedereinreise gehindert werden können. Allerdings bleibt unklar, ob das rechtlich möglich ist. Der Europäische Gerichtshof hat 2008 die Praxis als diskriminierend angesehen, von Zuwanderern aus der EU die Passbilder zu speichern.

              Politisch gab es Kritik an Broks Vorschlag. Der SPD-Innenexperte Michael Hartmann stellte in der "Welt" die Frage: "Will Herr Brok, dass auch Deutsche, die nach Bulgarien reisen, ihre Fingerabdrücke dort abgeben müssen?"

              • Danke für das Update.

                Aber wie bitte? Herr Brook ist laut Wikipedia Abgeordneter im Europaparlament und sogar Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten dort. Außerdem ist er Ehrenpräsident der Europaunion. Der sagt so etwas? Möchte er mit den Engländern konkurrieren? Mit solchen Aussagen führt man Europa doch nicht zusammen, sondern spaltet es.

    • Liebe Doro, ich gebe Dir Recht dass es gut wäre, wenn Armuts(zu)wanderungen nicht mehr nötig wären, wie Du sagst. Allerdings glaube ich einfach nicht (ohne dass ich das genau wissen kann, ich war noch nie in Rumänien oder Bulgarien und leide selbst keine Armut), dass die Situation in Deutschland mit der in Rumänien / Bulgarien vergleichbar ist. Unabhängig von den Sozialleistungen, die Armutseinwanderer sich vom Deutschen Staat vielleicht erhoffen, bietet Deutschland ja auch eine Reihe weiterer Vorzüge, z.B. eine funktionierende Infrastruktur. Relativ gesehen geht es uns hier wirklich gut.

    • Doro, du hast meiner Meinung damit recht, dass wir in Zukunft ein einheitliches Sozialsystem in allen EU-Ländern schaffen sollten. Allerdings sehe ich das momentan nicht umsetzbar. Weder genügend Abgeordnete im Europäischen Parlament, noch in den Mitgliedsstaaten könnten das durchsetzen. Gerade auch deshalb, weil es noch so einfach ist gegen die Armen aus den anderen Ländern zu mobilisieren. Sie sind ein viel einfacher zu verwendender Sündenbock als bspw. die Hartz-IV-Empfänger in Deutschland. Aber gerade um in nicht all zu ferner Zukunft ein einheitliches Sozialsystem zu schaffen, dürfen wir nicht in der Gegenwart gegen diejenigen, die 'zu uns' kommen, um zu arbeiten oder der Armut zu entrinnen, herumtrampeln. Damit kommen wir dem Ziel nicht näher.

  • Lieber Emil, ich kann deinen Überlegungen in erster Linie zustimmen. Der Grundsatz der Freizügigkeit von EU-Bürgern steht in seiner Anwendung auf Rumänen oder Bulgaren, gleich welcher Qualifikation, nicht zur Debatte.

    Dennoch möchte ich gern einen weiteren Gedanken einbringen. Die andauernde Debatte über Zuwanderung in die BRD hat ihre Ursache in unserer Willkommenskultur. Die Empfänglichkeit der deutschen Bevölkerung für eine Kriminalisierung der osteuropäischen Nachbarn gründet zum Teil auf historisch bedingten Vorurteilen. Dabei steht die Ignoranz gegenüber deren Kultur im Vordergrund.

    Da es an diesem Verständnis der fremden Kultur mangelt und auch die Motivation nicht vorhanden ist, sich mit dieser auseinander zu setzen, wird das Eindringen in das eigene "sichere" Gemeinde- und Wertesystem als Angriff empfunden. Daraus resultieren oberflächliche Einstellungen wie: "Die kommen nur her, um mir/uns was wegzunehmen".

    Dies Angst schürt natürlich Ressentiments und ist in allen Gesellschaftsschichten vertreten. Dabei variiert die Qualität dieser Angst zwischen Polemik und Pseudowissenschaft.

    In Ihrem Beitrag Emil geht es vor allem um eine der gefährlichsten Formen von Angst. Diese versteckt ihren polemischen Gehalt hinter wirtschaftspolitischen Positionen. So bekommt der Bürger das Gefühl, dass eine Einwanderung der Rumänen oder Bulgaren mit großen Gefahren für Gesellschaft und Wirtschaft verbunden ist. Die kulturelle Bereicherung und die möglichen Gewinne für den Arbeitsmarkt bleiben unerwähnt.

    Was tun also? Ich persönlich sehe nicht nur Politik sondern auch die Medien und natürlich den Bürger selbst in der Verantwortung, dem Thema der Europäisierung offener gegenüberzustehen und den Fokus zunächst auf die positiven Aspekte zu legen.

    Wenn wir es schaffen, die Chancen vor den Herausforderungen zu thematisieren und zu streuen, wird uns der Umgang nicht nur mit dem Thema Zuwanderung in Zukunft erleichtert.

  • Ich finde, dass es sich all diejenigen, die für die volle Freizügigkeit aus Gründen der europäischen Solidarität argumentieren (wie der Autor der Einleitung) viel zu einfach machen. Es ist immer gemütlich und sicherlich mit dem eigenen Gewissen auch besser vereinbar pauschal rein normativ zu argumentieren. Aber ich denke an die Debatten rund um den Euro zurück - auch wenn es hier nicht um Einzelschicksale ging - gibt es mittlerweile viele gewichtige Stimmen, die meinen, man hätte sich viel Ärger erspart und wäre mit der Europäischen Integration heute mitunter weiter, wenn man wirtschaftliche Ungleichheiten nicht völlig ignoriert hätte. Analog ließe sich argumentieren, dass das Aufeinanderprallen starker Gegensätze innerhalb der EU immer irgendwie zu Ärger führt.

    Dennoch bin ich gegen die Beschränkung in der Freizügigkeit der EU Bürger, weil ich die Darstellungen über das Ausmaß des zu erwartenden "Sozialbetrugs" für ziemlich übertrieben halte. Hier will uns die CSU die Vorstellungen nahelegen Rumänen und Bulgaren sein alle samt höchst mobil, "Fahrendes Volk". Sollten sich die CSU Thesen dennoch bewahrheiten, bliebe immer noch die Möglichkeit dem Entgegenzuwirken. (Nicht zwangsläufig nach dem CSU Rezept)

    • Hallo Rob, dem zweiten Teil Deines Kommentars kann ich voll zustimmen. Ich glaube alle Probleme sind lösbar, etwa die ganzen Verwirrungen um das EU-Recht, das offenbar in sich widersprüchlich ist. Deutschland hat dieses EU-Recht mitbeschlossen, Deutschland kann es mit den EU-Partnern auch wieder ändern, wenn das nötig ist.

      Den Vergleich mit dem Euro finde ich deshalb interessant, weil man bei der Freizügigkeit ja anders als beim Euro aufgepasst hat. Man wollte von Anfang an "Sozialtourismus" verhindern und hat das genauso reingeschrieben (Unwort hin oder her). Warum macht man es sich also zu einfach, wenn man einfach sagt: "ja genau, volle Freizügigkeit, genau so sollte sie sein!" (abgesehen von den paar juristischen Scharmützelchen)

  • Ich sehe folgende Aporie:" Alle, die aus Bulgarien und Rumänien kommen, sind willkommen." Das ist rechtlich o.k., aber politisch nicht gut. Gut ausgebildete Ärzte, IT-Spezialisten, Ingenieure fehlen dann in ihren Heimatländern, und die Armen in diesen Ländern fühlen sich erst recht verlassen und möchten natürlich auch gehen. Landflucht in Deutschland in die großen Städte, Länderflucht in der EU in die Metropolen. Ich bin für: erstmal mit den Politikern in Bulgarien und Rumänien reden, dann vielleicht für eine Kontingentierung.

    • Liebe(r) Gerwag, ich finde es gut, dass Du das Problem komplexer siehst. Landflucht gut Ausgebildeter in Deutschland, Länderflucht gut Ausgebildeter in der EU. Alle auf der Suche nach ihrer persönlichen Chance, nach Geld und Glück. Ein Umdenken wäre nötig. Lebenssinn bringt auch der Einsatz für das Gemeinwohl einer Nation, vielleicht nicht so erlebnisreich-spektakulär, aber doch sinnerfüllt in ländlichen Regionen, in Deutschland oder im europäischen Ausland. Hier wäre ein Austausch deutscher Fachleute mit rumänischen und bulgarischen Fachleuten zwischen Rumänien und Bulgarien und Deutschland denkbar. Das wäre die europäischen Chancen auf Augenhöhe zu nutzen! Das Land Brandenburg z.B. braucht sicher, wie auch immer , auch ausländische "Pioniere" und könnte dann auch Armutszuwanderer aus dem Ausland verkraften, und umgekehrt braucht Rumänien und Bulgarien Menschen, die was aufbauen, auch möglicherweise aus dem Ausland. Wäre das nicht eine gute Art, Europas Chancen zu nutzen?

    • Meinst Du mit der Kontingentierung eine Begrenzung der Rumänen und Bulgaren generell, oder nur von den Armen oder gut ausgebildeten?

      • Hinzu kommt, dass - wenn ich es richtig verstanden habe - eine Kontingentierung bzw. Quote nach EU-Recht gar nicht erlaubt ist. Das kann vielleicht ein abgeschottetes Land wie Australien nutzen, in der EU hätten wir in dem Fall keine Freizügigkeit mehr.

        Obwohl ich Gerwags Punkt mit der Land- oder Länderflucht nachvollziehen kann. Dafür müssen wir definitiv Lösungen finden. Davon auszugehen, dass man nur die Bedingungen in einem Land verbessern muss, damit dessen Bürger nicht mehr auswandern, ist meines Erachtens jedoch weit verfehlt. Die Annahme basiert auf dem gleichen Fehlschluss, der schon in der Lampedusa-Debatte angeführt wird.