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Oxfam: Warum wir eine "Steuer gegen Armut" brauchen


Hinweis: In der Diskussion zur Steuergerechtigkeit hat die Redaktion Akteure aus Politik und Gesellschaft nach ihren Positionen gefragt. Tobias Hauschild, Referent der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam Deutschland, stellt zur Diskussion, wie die Einnahmen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer aus seiner Sicht zu verwenden wären:

"Immer wieder hörte man von Spitzenpolitikern, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Finanzindustrie sei an den Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise zu beteiligen. Doch den hehren Worten folgen bislang keine Taten. Dabei liegt ein gut durchdachtes Instrument seit Jahren auf dem Tisch: die Finanztransaktionssteuer.

Dabei geht es um eine winzige Gebühr auf alle Geschäfte mit Aktien, Anleihen und Derivaten. Nachdem Versuche zur Einführung der Steuer auf G20 und Gesamt-EU-Ebene gescheitert sind, wollen nun elf EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, die Steuer endlich umsetzen. Das Einnahmepotenzial ist enorm: In den elf teilnehmenden Ländern beziffert es sich auf jährlich rund 35 Milliarden Euro, davon allein in Deutschland zehn Milliarden. Doch der Gegenwind aus der Finanzindustrie bläst kräftig: Schreckensszenarien machen die Runde, Finanzkreise sprechen von erheblichen Belastungen für Sparer, dabei trifft die Steuer vor allem die Zocker und nicht konventionelle Kleinanleger.

Das Geld könnte für die weltweite Armutsbekämpfung und zur Finanzierung sozialer Leistungen in Europa eingesetzt werden, etwa um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dafür setzt sich europaweit ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis ein, das in Deutschland unter dem Namen „Steuer gegen Armut“ aktiv ist.

Die Gründe für die Steuer liegen auf der Hand: Die Stabilisierung des Bankensektors und Konjunkturpakete kosteten die Steuerzahler bereits Hunderte Milliarden Euro und führten zu einer Staatsverschuldung von historischem Ausmaß. Die Folgen sind brutal, gerade für diejenigen, die Leistungen des Staates am dringendsten brauchen. Der Einbruch der Weltwirtschaft traf auch viele Entwicklungsländer hart. Allein in den Jahren 2009 und 2010 machte der Schaden in den Budgets der ärmsten Länder 65 Milliarden Dollar aus. Als Langzeitfolge der Finanzkrise sinkt nun auch noch die internationale Entwicklungshilfe.

Es ist deshalb höchste Zeit umzusteuern. Machen wir aus der Finanztransaktionssteuer eine Steuer gegen Armut!"

Oxfam: Informationen zur Steuer gegen Armut

Was haltet ihr von einer "Steuer gegen Armut"?


Kommentare

  • Eine "Steuer gegen Armut" ist sicher eine gute Idee. Ich frage mich nur, wann sie denn nun endlich kommt, die Finanztraktionssteuer. Woran hapert's? Weiß da jemand was?

    Ich weiß nur, ATTAC führt die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer seit 1998, also schon seit 16 Jahren!, im Namen ("Association pour une taxe Tobin pour l'aide aux citoyens"). Wenn's mal wieder länger dauert :)

    • Hallo Emil,

      Handelsblatt Online hat vor einem Monat zur Finanztransaktionssteuer geschrieben, dass Großbritannien und Schweden immer noch dagegen halten. Auch die Lobby gegen die Steuer ist wohl sehr stark.

      Deutschland, Frankreich und neun weitere EU-Staaten wollen sie laut Handelsblatt im Notfall . mit großer Verspätung - im Alleingang durchsetzen. Der Artikel klingt aber eher wie ein Abgesang auf das Projekt.

      Wie Oxfam hier eine großangelegte Steuer gegen Armut erreichen will, ist mir rätselhaft.

    • Eine Finanztransaktionssteuer kann aus meiner Sicht nur funktionieren, wenn sie global eingeführt wird. So wie die Dinge stehen, wird das Trading schlichterdings auf Handelsplätze verlegt, bei denen es keine derartige Steuer gibt. Nichtsdestotrotz ist die Idee m.E. eine der besseren. Ein großer Vorteil wäre, dass Aktivitäten wie High Frequency Trading eingedämmt würden, bei denen der Nutzen mehr als unklar ist.

      Ich glaube aber nicht, dass eine Finanzmarkttransaktionssteuer die Übermacht der Finanzindustrie brechen könnte. Hierzu bedarf es drastischer Maßnahmen, zum Beispiel eine Abschaffung der riesenhaften Subventionen die diesem Sektor durch die ihm überlassenen Geldschöpfungsgewinne zufließen. Gingen diese Gewinne vollständig an staatliche Stellen, könnte hierdurch wahrscheinlich ein erheblich größerer positiver Effekt auf die Staatsfinanzen erreicht werden.

      • Hallo ecinomics101,

        welche Subventionen meinst Du und wie soll man die abschaffen?

        • Die beiden größten Batzen sind:

          1) (im Moment mehr oder minder irrelevant) Banken haben durch die implizite Garantie des Staates für ihre Schulden einen heftigen Finanzierungsvorteil. Natürlich weiß man nicht genau, wieviel Zinsen die Banken für Kapital zahlen müssten gäbe es diese implizite Garantie nicht, aber es ist wahrscheinlich eine ganze Menge. Es gab da ein Paper zu, ich bin aber momentan zu faul das zu suchen.

          2) Den Banken fließt ein Großteil der Geldschöpfungsgewinne zu. Es ist nämlich mitnichten so, dass eine Bank das Geld, mit dem Sie einen Kredit vergibt in der Tat besitzen würde. Sie bucht einfach eine Forderung gegen den Kreditnehmer und gleichzeitig eine Verbindlichkeit auf der Einlagenseite. Natürlich muss sie, je nach gesetzlicher Vorschrift, Eigenkapital für Kredite vorhalten. Je nach Bonität der Schuldner ist das jedoch eher wenig. Eine kleine Einschränkung: Die Bank muss einen Teil der Einlagen "versichern", also bei der Zentralbank Sicherheiten hinterlegen. Das nennt sich Mindestreservesatz und der ist in der EU bei 1% (!). Es gibt Alternativen zu diesem System. Hierzu interessant: http://en.wikipedia.org/wiki/The_Chicago_Plan_Revisited

          Das Paper ist auch lesenswert aber teilweise eher anspruchsvoll. Der Wikipediaartikel ist nicht schlecht!