Müssen wir über die AFD reden?
AfD-Parteichef Bernd Lucke und Sachsens Spitzenkandidatin Frauke Petry. Foto & Teaser: blue-news.org, CC BY-SA 2.0
Ein Beitrag von Rakaba
Nun ist es also so weit. Die Alternative Deutschland zieht zum ersten Mal in ein Landesparlament ein. Offenbar haben sich rund 10 Prozent der Sachsen für die AfD entschieden. Ich habe die leise Vermutung: morgen geht ein kleiner AfD-Sturm durch den Blätter- bzw. Pixelwald. Da muss eine Menge analysiert werden. Wie rechts ist die AfD? Sind Union und FDP doch selber schuld, am Erfolg der AfD? Was will uns der AfD-Wähler eigentlich sagen? Welche Bedürfnisse bedient die AfD? Und so weiter. Und so fort.
Ich habe mich nur ein ganz wenig mit der AfD beschäftigt. Und war sehr schnell sehr enttäuscht. Abgesehen davon, dass ich mit diesem biederen Konservatismus al la Bernd Lucke sowieo nichts anfangen kann - für eine neue politische Kraft in diesem Land wirkt die AfD auf mich doch sehr ideenarm und zaghaft. Ihr Programm ist so schrecklich piefig und vorhersehbar. Ein wenig Überfremdungsangst. Ein wenig Euroskepsis. Ein wenig Deutschtümelei. Die Partei-gewordene "PKW-Maut für Ausländer". Garniert mit ein wenig verdruckst homophoben Lobhudeleien für die heterosexuelle Ehe.
Nicht einmal auf die traditionell verschlafene Europa-Debatte hatte die AfD einen vitalisierenden Einfluss. Und selbst den AfD-Widerstand in rot-grünen Kreisen fand ich etwas künstlich hysterisch und kaum glaubhaft hyperventilierend (AfD-WATCH! Achtung! Braune Gefahr!). Anti-AFD-Aktionen wirken so wenig überraschend wie die AFD selbst, so angestaubt wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für unausgelastete Widerstandskämpfer. Hurra! Ein neuer Gegner! Endlich was zu tun!
Dabei ist die AfD ja nicht der Front National. Und nicht im Entferntesten so populistisch talentiert wie UKIP. Und nicht einmal die urkonservative Tugend kann die AfD vorweisen, die da lautet: "Wir streiten uns auf Parteitagen nicht über den richtigen Kurs, sondern nehmen diesen widerspruchslos und dankbar zur Kenntnis". Stattdessen streitet sich die AfD ständig, zum Beispiel darüber, ob sie so homofeindlich sein will wie Russlands Regierungspartei.
Vielleicht bin ich auch etwas müde, aber die Frage ans Forum: Müssen wir uns überhaupt mit der AfD beschäftigen? Mit diesen gestrigen, besserwisserischen, verbohrten alten Männern? Wenn ja, warum eigentlich?
Ach, liebe Sachsen. Musste das sein? Ihr habts doch so schön, in Dresden und Leipzig, ihr seid doch eigentlich so zukunftszugewandt, anpackend und weltoffen, viel zu weit vorn für diesen albernen Rolback!
nemo
Klar müssen wir reden. Totschweigen geht nicht mehr. Das fällt aber schwer, denn es gibt kaum Inhalte mit denen man sich auseinandersetzen könnte. Außer in Sachen EU und Euro. Ansonsten von jedem etwas und nichts richtig, also das bekannte Bild eines Protestwähler-Staubsaugers. Wenn Wähler darauf hereinfallen ist das wenig souverän, deutet aber auch immer auf Defizite bei den etablierten Parteien hin. Solche Protestwähler wird es immer geben, zumindest solange die Regierungen in repräsentativen Demokratien wie der BRD glauben aus irgendwelchen diffusen, übergeordneten Gründen Politik gegen die Mehrheiten machen zu müssen, die sie ins Amt gebracht haben. Insofern bräuchten wir dann aber eigentlich doch nicht über die AfD und das zu reden, was Herr Prof. Lucke et al. und Frau von Storch, geb. Herzogin von Oldenburg so alles an Unsinn von sich geben. Vielleicht müssten wir stattdessen über das Demokratieverständnis der etablierten Parten sprechen?