Jelpke (Linke): Das Panoptikum einreißen! - Historie

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  • Jelpke (Linke): Das Panoptikum einreißen!

    von Community Management , angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0 Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0 Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt die Linkspolitikerin Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben CC BY 2.0


    Ein Beitrag von Ulla Jelpke

    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.


    Hinweis der Redaktion: Am 29. Oktober 2014 diskutieren wir unser #pxp_thema "Überwachte Welt" im Rahmen eines Community-Abends (Informationen zum Termin) sowie Ende November in einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin (Näheres in Kürze).

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    von Community Management , angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt die Linkspolitikerin Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben CC BY 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/ (CC BY 2.0)


    Ein Beitrag von Ulla Jelpke

    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.


    Hinweis der Redaktion: Am 29. Oktober 2014 diskutieren wir unser #pxp_thema "Überwachte Welt" im Rahmen eines Community-Abends (Informationen zum Termin) sowie Ende November in einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin (Näheres in Kürze).

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    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt die Linkspolitikerin Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Ein Beitrag von Ulla Jelpke Link: https://publixphere.net/i/publixphere-de/user/Ulla_Jelpke

    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.


    Hinweis der Redaktion: Am 29. Oktober 2014 diskutieren wir unser #pxp_thema "Überwachte Welt" im Rahmen eines Community-Abends (Informationen zum Termin) sowie Ende November in einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin (Näheres in Kürze).

  • Jelpke (Linke): Das Panoptikum einreißen!

    von Community Management , angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt die Linkspolitikerin Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoß zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.


    Hinweis der Redaktion: Am 29. Oktober 2014 diskutieren wir unser #pxp_thema "Überwachte Welt" im Rahmen eines Community-Abends (Informationen zum Termin Link: https://publixphere.net/i/publixphere-de/milestone/266 ) sowie Ende November in einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin (Näheres in Kürze).

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    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt die Linkspolitikerin Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoß Diskussions-Anstoss zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.

  • Jelpke (Linke): Das Panoptikum einreißen!

    von admin, angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt die Linkspolitikerin Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoss zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.

  • Jelpke (Linke): Das Panoptikum einreißen!

    von admin, angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoss zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.

  • Jelpke (Linke): Das Panoptikum einreißen!

    von Redaktion, angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychiater oder die Suchthilfe? Psychater oder die Schuchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoss zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.

  • Jelpke (Linke): Das Panoptikum einreißen!

    von Redaktion, angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0 Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychater oder die Schuchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoss zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.

  • Das Panoptikum einreißen!

    von Redaktion, angelegt

    Foto: Joram Huyben, CC BY 2.0 Foto:  Joram Huyben, CC BY 2.0. Wer ruft einen Anwalt an? Wer einen Psychater oder die Schuchthilfe? Schon diese Daten können viel Persönliches verraten, warnt Ulla JelpkeMdB, DIE LINKE in ihrem Diskussions-Anstoss zum #pxp_thema "Überwachte Welt". Foto: Joram Huyben (CC BY 2.0)


    Staatliche Massenüberwachung ist kein Zukunftsszenario mehr. So gigantomanisch wie bei der NSA sammelt man bei BND, Verfassungsschutz und BKA zwar nicht, aber zu den Eigenheiten solcher Datensammlungen gehört ja: Man weiß als Bürger nur, dass die „Sicherheitsdienste“ Daten sammeln können, jederzeit, von jedem, über alles – man weiß aber nie, ob man auch persönlich im Fokus steht, jetzt gerade, diese konkrete Mail, dieses konkrete Telefongespräch. Das ist das Prinzip des Panoptikums, eines Überwachungskonzeptes aus dem 18. Jahrhundert: Darin sind Gefängniszellen (oder Fabrikarbeitsplätze) in Kreisform so angelegt, dass sie von einem zentralen Beobachtungsturm aus eingesehen werden können, durch einen einzigen Aufpasser, der aber selbst nicht sichtbar ist. Der kann nicht ständig alle kontrollieren, und dennoch sind Überwachung und Kontrolle ständig präsent und entfalten ihre disziplinierende Wirkung rund um die Uhr.

    Bei den Anti-Nazi-Protesten in Dresden wurde vollständig erfasst, welche Handynummern im Nahkreis der Kundgebungen aktiv waren. Mittels Funkzellenabfrage wurden Zehntausende Nummern erfasst. Angeblich nicht die zugehörigen Besitzer – was sich kaum kontrollieren lässt. Aber es zeigt: Es ist technisch möglich, man muss damit rechnen.

    Angst vor Kontaktaufnahme

    Die ausufernde Erfassung von Daten ist ein Grundrechteeingriff, weil sie ein Vermeidungsverhalten provozieren kann: Um nicht erfasst zu werden, meide ich Demonstrationen, Mitgliedschaften in (vielleicht) beobachteten Organisationen, Postings auf (vielleicht) beobachteten Internetplattformen. Selbst wenn jedes erfasste Datum für sich genommen harmlos sein mag, so gibt es heutzutage technische Möglichkeiten, alle Daten zu kombinieren und mit denen anderer Personen abzugleichen. Wer ruft wie oft bei einer psychiatrischen Beratungsstelle an, wer bei der AIDS-Hilfe, wer bei welchen Anwälten – mit welchen Personen hat man besonders häufig Kontakt, und mit wem wiederum kommuniziert der Freundeskreis. So lässt sich ein umfassendes Persönlichkeitsbild erstellen. Unter anderem deswegen hat das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt.

    Nicht immer wird geheim, manchmal wird offen beobachtet. So stand die Linkspartei jahrelang (in Bayern heute noch) unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das kann gravierende Folgen haben: Personen können abgeschreckt werden, in die Partei einzutreten oder ihre Versammlungen zu besuchen, sie können sogar abgeschreckt werden, mit ihren Wahlkreisabgeordneten Kontakt aufzunehmen, weil sie befürchten, dann selbst in den Fokus des Geheimdienstes zu geraten.

    Gesetze auf den Prüfstand

    Die Tendenz geht dahin, möglichst die ganze Gesellschaft zu erfassen und aus den gewonnenen Daten relevante Zusammenhänge zu erkennen. Bei diesem Ansatz müssen zwangsläufig Berge von Daten erfasst werden, die für den offiziellen Zweck „Sicherheit“ irrelevant sind – für die jeweiligen Bürgerinnen und Bürger aber unter Umständen höchst sensibel sein können. Im Anti-Terror-Abkommen mit den USA ist sogar der Austausch von sexuellen Präferenzen und Gewerkschaftsmitgliedschaften festgehalten.

    Gesetzliche Einschränkungen helfen da nicht immer. Beim Verfassungsschutz Niedersachsen kam im Sommer heraus, dass von 9000 gespeicherten Personen 40 Prozent zu Unrecht gespeichert waren. Bis solche Gesetzwidrigkeiten beendet werden, kann es dauern, und der politische Schaden ist schon längst eingetreten. So wie 2007, als das Bundeskriminalamt im Vorfeld des G8-Gipfels linke GlobalisierungsgegnerInnen als „terroristische Vereinigung“ einstufte und mit Razzien behelligte. Ein halbes Jahr nach dem Gipfel wurde vom Bundesgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen festgestellt, aber die Diffamierung war nachträglich nicht wiedergutzumachen.

    Wir brauchen, auch im legitimen Kampf gegen Terroristen, nicht noch mehr Überwachungsgesetze. Sinnvoll wäre es, erst einmal zu evaluieren, was die bisherigen Gesetze gebracht haben, und das Panoptikum einzureißen.

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