Hintergrund: Europäische Öffentlichkeit

©CC BY 2.0 Sebastian DoorisDemonstration gegen das ACTA-Abkommen in Dublin 2012. CC BY 2.0 by Sebastian Dooris

Eine europäische Öffentlichkeit wird als grundlegend für die demokratische Legitimation in der Europäischen Union (EU) angesehen. Im Zuge der politischen und wirtschaftlichen Integration bildet sich eine Vielfalt von Kommunikationsräumen mit europäischem Bezug heraus.

Bestimmte europapolitische Themen wie die Eurorettung beherrschen die öffentliche Debatte in vielen EU-Mitgliedstaaten gleichzeitig und zieren die Titelseiten verschiedener nationaler Massenmedien. Ebenso bleibt die Innenpolitik der einzelnen Mitgliedstaaten nicht rein national, vielmehr bestimmen innenpolitische Themen anderer EU-Mitgliedstaaten regelmäßig die politische Tagesordnung hierzulande. Beispielsweise werden Wirtschafts-, Sozial- und Haushaltspolitik bestimmter Mitgliedstaaten diskutiert und auch nationale Wahlen erregen transnationale Aufmerksamkeit. Andere Themen wiederum interessieren nur eine bestimmte Nischenöffentlichkeit, wie zum Beispiel in Bereichen der Land- oder Wasserwirtschaft. Sie sind somit zwar nicht auf die gleiche Weise in der öffentlichen Wahrnehmung präsent; gleichwohl stellen sie eine europäische Öffentlichkeit her. Auch die rein nationale Auseinandersetzung mit Europapolitik trägt zur Herausbildung von europäischer Öffentlichkeit bei. Aufgrund dieser verschiedenen Kommunikationsräume kann schließlich von europäischen Öffentlichkeiten gesprochen werden.

Die aktuelle Krise wirkt aber auch als Katalysator für eine Renationalisierung politischer Rhetorik und fördert das Aufleben nationaler Ressentiments wie das der „faulen Griechen“ oder der „herrischen Deutschen“. Die derzeitige europäische Krisenpolitik wird dabei in hohem Maße durch nationale Medienöffentlichkeiten wahrgenommen. Problematisch wird dies, wenn infolgedessen wichtige Sichtweisen auf das Geschehen nicht wahrgenommen werden und somit als Standpunkte in der Debatte ausfallen.

Neue Kultur der öffentlichen Debatte

Eine neue Kultur der öffentlichen Debatte darüber, wie die Zukunft der Europäischen Union gestaltet werden soll, ist für unsere Demokratie unabdingbar. Die europäische Medienöffentlichkeit ist jedoch vergleichsweise schwach ausgeprägt. Einen Ansatzpunkt können transnationale Öffentlichkeiten bilden, die sich mittlerweile verstärkt auch im Internet formieren. Diese Transnationalisierung ereignet sich durch Qualitätszeitungen und öffentlich-rechtliche Medien, aber auch über Blogs, soziale Medien oder alltägliche Kontakte mit Bürgern anderer Mitgliedstaaten.

Soziale Medien ermöglichen zudem eine immer tiefergehende Vernetzung der europäischen Bürgerinnen und Bürger und auch zivilgesellschaftliche Akteure organisieren sich online. So entstehen europaweite Netzwerke von Experten mit großem Einfluss auf die öffentliche Meinung und mit erheblichem Mobilisierungspotenzial, wie im Fall der Debatte um das internationale Anti-Produktfälschungsabkommen ACTA. Netzwerke innerhalb der europäischen Bevölkerung werden durch Soziale Medien verbunden und bringen diese immer enger zusammen.

Für Viele steht fest: Die EU steht vor Reformherausforderungen, will sie gestärkt aus der derzeitigen Situation hervorgehen. Das erfordere eine vielgestaltige europaweite Debatte, die über kulturelle, politische und sprachliche Grenzen hinausgeht. Durch einen solchen öffentlichen europäischen Kommunikationsraum und Transparenz des politischen Systems könne auch Legitimationsproblemen der Europäischen Union entgegengewirkt werden.


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