TTIP – worum geht es genau?

TTIP

[Foto: EU-Komission] Hintergrund: Wir veröffentlichen an dieser Stelle ein Informationspapier der AG Wirtschaft der JEB (Jungen europäischen Bewegung) Berlin-Brandenburg e.V. zu Hintergrund und Inhalt der Verhandlungen um das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP.

Das Orginaldokument findet sich hier, die PDF-Version ist hier verlinkt.

Vorwort

Kaum ein aktuelles Thema der Europapolitik hat die Gemüter insbesondere in Deutschland so sehr er­regt wie die Verhandlungen um das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der Eu­ro­pä­i­schen Uni­on und den USA.

TTIP (kurz für Transatlantic Trade and Investment Partnership) gilt manchen als nahezu heils­brin­gen­der Wirtschaftsimpuls und starkes politisches Signal des Westens in Zeiten des schleichenden Macht­ver­lusts. In den Augen anderer steht TTIP für den Ausverkauf der De­mo­kra­tie zugunsten wirt­schaft­li­cher Interessen. In Europa ist das Chlorhühnchen zum Symbol für sinkende Lebensmittelstandards ge­wor­den; in Amerika graust es den Menschen vor dem Import von französischem Roh­milch­kä­se.

Interessant an der Debatte ist: Sie findet statt, noch lange bevor der Inhalt des Abkommens über­haupt bekannt ist. Das – so lässt sich argumentieren – ist letztlich Ausdruck einer wachsamen Demokratie: Be­vor im Ge­hei­men und mit kaum vorhandener Rückbindung an die Bevölkerung Fakten geschaffen wer­den und sich die ratifizierenden Parlamente am Ende einer „Friss oder stirb“-Entscheidung ge­gen­übersehen, schützt eine lebendig geführte Debatte vor zu großer Entfernung der Ent­schei­dungs­trä­ger von den betroffenen Bürgern.

Überraschend ist jedoch, mit welch emotionaler Vehemenz diese Diskussion geführt wird und wie we­nig sie sich in vielen Fällen an konkreten Fakten orientiert. Die AG Wirtschaft der JEB hat sich daher die grundlegende Frage gestellt: Worum geht es eigentlich? Über was diskutieren wir hier? Und welche Tatsachen liegen dieser Diskussion zugrunde? Wir haben es uns zur Auf­ga­be gemacht, diejenigen Fakten zusammenzutragen, die es braucht, um eine sachlich ori­entierte Dis­kus­sion zu führen.

Das vorliegende Papier ist das Ergebnis monatelanger Arbeit, in welcher sich die Autoren auf drei we­sent­liche Aspekte des Themas konzentriert haben: Zunächst wird der Entstehungsprozess bis zum heu­tigen Tag nachvollzogen und ein Ausblick über das weitere Verfahren gegeben. In der Folge wer­den inhaltliche Aspekte thematisiert ausgehend von den jeweiligen Positionen der Ver­hand­lungs­part­ner. Abschließend wird der in der Öffentlichkeit besonders kritisierte Aspekt des In­ves­ti­tions­schutzes dargelegt.

Alle Informationen beruhen auf Quellen, die uns als ehrenamtlich tätige Arbeitsgruppe zu­gäng­lich sind und die ein möglichst breites Spektrum an politischen, wissenschaftlichen, medialen und zi­vil­ge­sell­schaftlichen Diskussionsteilnehmern abdeckt – an dieser Stelle Vollständigkeit garantieren zu kön­nen, gin­ge aber wohl über unser Maß an Professionalität hinaus.

Berlin, September 2014, David Krappitz

Autoren

Als Autoren freuen wir uns jedoch über Ihr Interesse und nehmen gerne Fragen, Anregungen und selbst­ver­ständ­lich auch Kritik entgegen (david.krappitz@jeb-bb.de). Wir hoffen, mit diesem Papier ei­nen Beitrag zu der wichtigen Debatte um TTIP geleistet zu haben.

Christian Noebel engagiert sich seit vergangenem Jahr bei der Jungen Eu­ro­päi­schen Bewegung und ist aktives Mitglied der AG Wirtschaft. Er verfasste die Abschnitte zu den Verhandlungen sowie über die Bereiche In­dus­trie und Energie. Christian hat Wirtschaftsrecht, Internationales Recht und Politikwissenschaft (LL.B.) sowie Europarecht (LL.M.) studiert und arbeitet beim Deutschen In­dus­trie- und Handelskammertag (DIHK).

Ronny Rammelt engagiert sich seit Anfang des Jahres bei der Jungen Eu­ro­pä­i­schen Bewegung und ist aktives Mitglied der AG Wirtschaft. Er war für Fragen der Landwirtschaft, des Umwelt- und Verbraucher­schutzes und der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie für die amerikanische Perspektive auf TTIP zuständig. Ronny hat Politikwissenschaft, Amerikanistik und Angewandte Linguistik stu­diert und arbeitet als Projektassistent der Europa-Uni­on Deutschland.

Titus Lienen engagiert sich seit vergangenem Jahr bei der Jungen Europäischen Bewegung und ist seit Januar Mitglied im Landesvorstand. Bei der Erstellung des Papiers war Titus insbesondere für Fragen der Ratifikation sowie die Sektoren Dienstleistungen und Digitalwirtschaft verantwortlich. Titus studiert Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Ina Endesfelder ist Gründungsmitglied der AG Wirtschaft. Seit Ende des vergangenen Jahres leitet sie die Aktivengruppe der Jungen Eu­ro­pä­ischen Bewegung in Frankfurt/Oder. Bei der Erstellung des Papiers war sie für inhaltliche Fragen zuständig. Ina studiert International Business Administration an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

David Krappitz ist Begründer und Leiter der AG Wirtschaft. Er engagiert sich seit 2010 in verschiedenen Funktionen bei den Jungen Eu­ro­pä­i­schen Föderalisten. Inhaltlich arbeitete er zu Investitionsschutz, Arbeitsrecht und KMU. David studiert Jura mit Schwerpunkt auf dem europäischen Wirt­schafts- und Verfassungsrecht.

Einleitung

Freihandel ist ein Thema, das Ökonomen seit der Begründung ihrer Wissenschaft bewegt: Bereits Adam Smith legte in seiner Theorie der absoluten Kostenvorteile dar, wie Spezialisierung und in­ter­na­tionale Arbeitsteilung den Wohlstand miteinander handeltreibender Staaten vergrößert. Dass die­se Mehrung von Wohlstand auf nahezu wundersame Weise auch jene Staaten trifft, die in absoluten Wer­ten gar nicht so kostengünstig produzieren können wie andere, deren Vergleichskosten aber nie­d­ri­ger sind, geht auf die Theorie der komparativen Kostenvorteile von David Ricardo zurück.

Seither ist sich die Volkswirtschaftslehre in wenigen Dingen so einig, wie in der Frage der grund­sätz­li­chen Mehrung von Wohlstand durch freien Handel zwischen Volkswirtschaften. Mit der ent­spre­chen­den Zielsetzung, der Schaffung von Wachstum und Beschäftigung, haben die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika im vergangenen Jahr Verhandlungen über eine transatlantische Han­dels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) be­gon­nen.

Dass dieses jedoch in Wahrheit nicht so unumstritten ist, wie die soeben beschriebene Theorie vom Au­ßenhandel es nahelegt, ist die Grundlage für dieses Papier: Freihandel wird nicht nur als Wachs­tums­mo­tor verstanden, sondern auch als Bedrohung für soziale und kulturelle Errungenschaften, die mit der Sehn­sucht nach Wohlstand in Einklang gebracht werden müssen.

Anhand dreier Kapitel zum Entstehungsprozess von TTIP, den voraussichtlichen Inhalten und zu Fragen des Investitionsschutzes legt dieses Papier Positionen der Verhandlungsparteien und be­troffener zivilgesellschaftlicher Verbände dar. Es soll auf diesem Wege dazu bei­tragen, eine notwendige und wertvolle Diskussion um das möglicherweise größte Frei­han­dels­ab­kom­men des 21. Jahrhunderts zu führen.

Der Entstehungsprozess

Auf welchem Stand befinden sich die Verhandlungen?

Am 28. November 2011 wurde auf dem EU-US-Gipfeltreffen die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Aus­arbeitung von Strategien und Maßnahmen zur Steigerung des Handels zwischen EU und USA vor­ge­schlagen (sog. High-Level Working Group on Jobs and Growth, HLWG).

Die Leitung der Arbeitsgruppe übernahmen der damalige US-Handelsbeauftragte Ron Kirk und EU-Han­delskommissar Karel de Gucht. Im Juni 2012 legte die HLWG einen Zwischenbericht und im Fe­bru­ar 2013 einen Abschlussbericht vor, in dem sie eine Empfehlung zur Aufnahme von Ver­hand­lun­gen für ein gemeinsames Freihandelsabkommen gab. Der Abschlussbericht empfiehlt ins­be­son­de­re am­bitionierte Verhandlungsziele bezüglich des Marktzugangs, regulatorischer Fragen und des Ab­baus nicht-ta­ri­fä­rer Handelshemmnisse.

Auf dem G8-Gipfel am 17. Juni 2013 verkündeten US-Präsident Obama und EU-Kom­mis­sions­prä­si­dent Barroso den Beginn der TTIP-Verhandlungen. Seit Juli 2013 finden im Abstand von einigen Wochen Verhandlungsrunden statt. Die sechste Ver­hand­lungs­run­de fand im Juli 2014 in Brüssel statt. Auf der Agenda standen unter anderem die re­gu­la­to­rische Zu­sammenarbeit, die Rolle von Stakeholdern in regulatorischen Konsultationsprozessen so­wie Markt­zugang und öffentliche Beschaffung.

Für Oktober und De­zem­ber dieses Jahres sind zwei weitere Verhandlungsrunden vorgesehen. Als Zeit­punkt für den Abschluss des Abkommens wird Ende 2015 genannt. Im September wurde der Berichterstatter des neu gewählten Europäischen Parlaments für TTIP bekannt, es ist der deutsche Abgeordnete Bernd Lange (S&D).

Auf welcher Grundlage führt die Kommission die Verhandlungen?

Die Europäische Kommission verhandelt über das Freihandelsabkommen im Namen der EU und ihrer 28 Mitgliedstaaten. Hierzu hat der Rat einstimmig der Kommission das Verhandlungsmandat erteilt. Fe­derführend ist die Ge­ne­ral­direktion Handel in Zusammenarbeit mit weiteren Generaldirektionen.

Aufseiten der Eu­ro­päischen Union trägt der scheidende Handelskommissar Karel De Gucht die po­li­ti­sche Verantwortung. Hauptverhandlungsführer ist Ignacio Garcia Bercero (GD Handel). Aufseiten der USA ist der ame­ri­ka­nische Handelsbeauftragte (USTR) Michael Froman politisch verantwortlich; Haupt­ver­hand­lungs­füh­rer ist Dan Mullaney.

Wie transparent sind die Verhandlungen für Parlamente und Öf­fent­lich­keit und wer nimmt Einfluss auf Verhandlungen?

Kritik

Anfragen der NGO Corporate Europe Observatory (CEO) bezüglich einer Teilnehmerliste der Ar­beits­grup­pe HLWG wurden von der Kommission mehrfach zurückgewiesen.

Daraufhin wandte sich CEO an den US-Handelsbeauftragten, der eine Liste mit Themen und Teil­neh­mern übersandte: Sie enthält Namen von Beamten der US-Regierung und der EU-Kommission aus den Bereichen Marktzugang, Industrielle Wettbewerbsfähigkeit, KMU, Agrar, Ökonomie, Handel, Dienst­leistungen und Investitionen, WTO-Angelegenheiten, Öffentliches Auftragswesen, Geistiges Ei­gen­tum und Innovation sowie Umwelt und Arbeit.

In Bezug auf Informationen über externe Beteiligte wurde bekannt, dass 65 % der Beiträge der ersten bei­den HLWG-Beratungen von Wirtschaftsvertretern stammten. Zudem geht aus einer Da­ten­samm­lung von CEO hervor, dass der Einfluss von Umwelt- und Ver­brau­cher­verbänden im Gegensatz zu dem von Wirtschaftsvertretern insbesondere in der Vor­be­rei­tungs­pha­se sehr gering war. Besonders ak­tiv waren laut CEO Vertreter der Branchen Landwirtschaft und IT; eben­falls genannt werden Ver­tre­ter der Pharma-, Chemie, Finanz- und Automobilbranche.

Darüber hinaus war das Verhandlungsmandat der EU-Kommission offiziell für die Öffentlichkeit nicht ­zu­gäng­lich und wurde vom Rat – wie in Art. 207, 218 AEUV vorgesehen – ohne Beteiligung des Eu­ro­pä­ischen Parlaments verabschiedet. Mit­glie­der der Fraktion der Grünen hatten daraufhin die vom Rat beschlossenen Verhandlungsleitlinien im Internet ver­öf­fent­licht. In der Zwi­schen­zeit hat die Kom­mission jedoch Informationen zum Inhalt des Mandats auf ih­rer Website zu­gäng­lich gemacht.

Die eigentlichen Verhandlungen zwischen EU- und US-Vertretern werden unter Ausschluss der Öf­fent­lichkeit geführt. Begründet wird dies mit der notwendigen Geheimhaltung der Ver­hand­lungs­po­si­tio­nen. Die zuständigen Ministerien der Mitgliedstaaten würden jedoch über den Verlauf informiert. Ebenso erstattet die Kommission dem Handelsausschuss (INTA) des Europäischen Parlaments Bericht über den Stand der Ver­handlungen. Durch Entschließungen kann das Parlament seine Po­si­tio­nen ge­gen­über den Ver­handlungsführern vorbringen. Aus Teilen der Politik, von NGOs und Journalisten wird allerdings massive Kritik im Hinblick auf die feh­lende Transparenz der Verhandlungen geäußert. Kritikpunkte sind vor allem die Ge­heim­hal­tung von Dokumenten und der Verhandlungsinhalte. Ferner hätten weder das Europäische Par­la­ment noch nationale Parlamente oder Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen tatsächlichen Ein­fluss auf die Verhandlungen.

So monierte der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für In­ter­nationalen Handel des Eu­ro­pä­i­schen Parlaments Yannick Jadot (Grüne/EFA) im November 2013 „die undemokratische Vor­ge­hens­weise“ der Kommission: Das Parlament sei von den Verhandlungen aus­geschlossen und werde nur dürftig mit Informationen versorgt, sodass den EU-Bürgern jeglicher Ein­blick verwehrt bleibe. „Selbst wenn wir einmal ein Dokument zu sehen bekommen, wird uns ver­bo­ten, den Inhalt der Öf­fent­lichkeit mitzuteilen.“

Reaktion

Nach der anhaltenden Kritik wurde im Februar 2014 eine neue Beratergruppe (Ad­vi­sory Group) mit sie­ben Vertretern aus der Wirtschaft (u.a. BusinessEurope, Verband der Eu­ro­päi­schen Au­to­mo­bil­her­stel­ler) und sieben Vertretern aus Gewerkschaften, Verbraucherverbänden und NGOs (u.a. European Trade Union Confederation, European Environmental Bureau, Transatlantic Con­sumer Dialogue) ein­ge­richtet. Aufgabe der Gruppe ist die Beratung der Kommission im Verlauf der Verhandlungen. Dazu ver­fügt sie über weitreichende Akteneinsicht. Zudem werden verstärkt Akteure aus der Zivilgesellschaft in den Verhandlungsprozess ein­be­zo­gen. Dies erfolgt durch Informationsveranstaltungen, öffentliche Konsultationen und die Möglichkeit, Po­si­tionen einzubringen. Weiterhin hat die Kommission Positionspapiere auf ihrer Website ver­öf­fent­licht.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat inzwischen mehrere Dialogveranstaltungen zum Frei­han­dels­abkommen durchgeführt. Verbände, NGOs und Medien sollen durch die Bundesregierung auch wei­terhin über den derzeitigen Verhandlungsstand informiert werden und die Möglichkeit zur Ab­ga­be einer Stellungnahme bekommen. Im Sommer 2014 hatte ein breites Bündnis an Organisationen die europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“ gestartet, die sich gegen TTIP und das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) richtete. Die Kommission lehnte die Initiative ab mit dem Hinweis, die Verhandlungsmandate zu TTIP und CETA seien keine Rechtsakte, sondern interne Vorbereitungsakte. Die Initiatoren prüfen derzeit eine Klage gegen die Ablehnung vor dem Europäischen Gerichtshof.

Ratifikation

Wann tritt TTIP in Kraft?

Eine sichere Vorhersage über den Abschluss des Vertrages ist noch nicht möglich. Ursprünglich war das Ende der Verhandlungen für Mitte 2014 vor­ge­sehen; wahrscheinlich ist ein Abschluss nicht vor Mit­te bis Ende 2015.

Wer ist auf europäischer Seite für die Ratifikation zuständig?

Die Ratifikation ist der letzte Schritt zum Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags, bei dem die Staa­ten die Verhandlungsergebnisse genehmigen, wodurch der Vertrag in Kraft treten kann. Entscheidend dafür, wer auf europäischer Seite für die Ratifikation zuständig ist, ist die recht­liche Ein­ordnung des Abkommens: Ist TTIP ein Handelsabkommen im Sinne der Art. 207, 218 AEUV, so hat die EU die aus­schließliche Zu­stän­dig­keit; ist TTIP ein sog. „gemischtes Abkommen“, werden sowohl die EU als auch alle ihre Mit­glied­staa­ten gemeinsam Ver­trags­part­ner. Die Praxis der gemischten Abkommen findet Anwendung, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag auch sol­che The­men­felder betrifft, die in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten stehen; bei TTIP könnte das etwa im Bereich des Dienstleistungsverkehrs der Fall sein. Anhand des aktuellen Informationsstands lässt sich die rechtliche Einordnung nicht abschließend klären. Die wahr­scheinlichere Variante ist – auch nach Aussage von Karel de Gucht – aber das ge­misch­te Ab­kom­men und damit das Erfordernis einer Ratifikation sowohl durch das Europäische Par­la­ment als auch durch die Mitgliedstaaten.

Welche Beteiligungsrechte haben Europäisches Parlament und nationale Parlamente?

Je nach rechtlicher Einschätzung variiert auch, in welchem Umfang die Parlamente in den Ver­hand­lungs­prozess einbezogen werden. Als Abkommen im Sinne der Art. 207, 218 Abs. 6 (a) AEUV würde TTIP erst nach Zustimmung durch das Europäische Parlament durch den Rat ratifiziert. Als gemischtes Abkommen müsste TTIP nach Annahme auf europäischer Ebene die Ra­ti­fi­zie­rungs­ver­fahren jedes einzelnen der 28 Mitgliedstaaten durchlaufen, um in Kraft zu treten.

Das Europäische Parlament kann auf den Inhalt des Vertrags keinen Einfluss nehmen, sondern diesen nur im Ganzen an­neh­men oder ablehnen. Dies entspricht der üblichen Praxis im Völkerrecht: Die Ver­hand­lungen werden durch einen Mandatsträger – meist ein Vertreter der Exekutive, in der EU ist das die Kommission – geführt; neben der Ratifikation bleiben den übrigen Organen meist nur die Ein­fluss­nahme im Wege von Stellungnahmen oder der Vorgabe von Leitlinien.

Wer ist auf amerikanischer Seite für die Ratifikation zuständig?

Zuständig für die Verhandlung von Handelsabkommen ist in den USA grundsätzlich die Exekutive, al­so der Präsident, in diesem Fall vertreten durch seinen Handelsbeauftragten Michael Froman (United States Trade Representative, USTR). Jedoch muss der Kongress den Ergebnissen zustimmen, um ein ver­handeltes Abkommen zu ratifizieren. Prinzipiell hat er dabei das Recht, das Abkommen und einzelne Regelungen ausführlich zu de­bat­tie­ren und ggf. Änderungen und Amendments zu fordern. Um Verhandlungen von Handelsabkommen ein­facher zu gestalten, besteht die Möglichkeit, dass der Kongress auf Ersuchen des Präsidenten die­sem eine Sondervollmacht für die Verhandlungen ausstellt (Trade Promotion Authority, TPA, auch „fast track“-Mandat genannt). In dieser sind die Modalitäten festgelegt, in welchem Rahmen die Exe­ku­tive Verhandlungen führen darf und inwiefern sie hierbei den Kongress und die Öffentlichkeit kon­sul­tieren bzw. informieren muss. Gleichzeitig kann das verhandelte Abkommen durch den Kongress nur noch als Ganzes abgelehnt oder genehmigt werden. Anhänge, Veränderungen von Ein­zel­re­ge­lun­gen oder Amendments durch den Kongress sind dann nicht mehr möglich. Auch ist die Zeitspanne, die der Kongress hat, über das Abkommen zu beraten und Umsetzungsgesetze zu beschließen, auf 90 Ta­ge begrenzt. Wird eine TPA durch den Kongress erlassen, gilt diese für einen limitierten Zeitraum und alle in dieser Zeit begonnenen Verhandlungen. Die letzte TPA wurde 2002 erlassen und lief im Ju­li 2007 aus.

Die Obama Administration hat beim Kongress ein neues „fast-track“ Mandat erbeten, jedoch kam ein ent­sprechender Antrag, auch auf Betreiben führender Demokraten im Senat, bisher nicht zur Ab­stim­mung. Grund hierfür soll allerdings nicht eine generelle Ablehnung des Kongresses gegenüber dieses Frei­handelsabkommens sein, sondern vielmehr die Intention, die Thematik aus dem Wahlkampf für die kommenden Kongresswahlen im November 2014 herauszuhalten. Eine TPA würde dann nämlich auch die derzeitigen Verhandlungen um das Transpacific Partnership Abkommen (TPP) beinhalten, das in der öffentlichen Wahrnehmung in den USA eine größere und kontroversere Rolle spielt als die Ver­handlungen zu TTIP.

Inhalt und einzelne Regelungsbereiche

Das Ziel hinter den Verhandlungen ist der Abbau von Handelshemmnissen, der – hierin sind sich Öko­nomen weitgehend einig – Wohlstand in den betroffenen Volkswirtschaften fördert. Diese Han­dels­hemmnisse bestehen einerseits in Zöllen, sog. tarifäre Handelshemmnisse, die zwischen der EU und den USA jedoch nur noch bei durchschnittlich 4-7 % liegen.

Der Großteil der derzeit bestehenden Handelshemmnisse ist jedoch nichttarifärer Art. Hierbei han­delt es sich vor allem um unterschiedliche Rechtsvorschriften auf dem europäischen und auf dem ame­­ri­ka­ni­schen Markt. Für Unternehmen hat das zur Folge, dass sie ihre Produkte und Dienst­leis­tun­gen an die jeweils geltenden Regeln anpassen müssen, was regelmäßig mit Mehrkosten verbunden ist und folglich ein Hindernis für den Eintritt des Unternehmens in den anderen Markt darstellt. Der Eintritt weiterer Unternehmen vergrößert den Wettbewerb im betreffenden Markt und er­mög­licht dem Verbraucher eine größere Auswahl an Produkten und Dienstleistungen, aus welchen dieser wie­derum das geeignetste (günstigste, hochwertigste etc.) auswählen kann. Der Theorie nach führt dies langfristig zu Preissenkungen und erhöhtem Wohlstand in den beteiligten Volks­wirt­schaf­ten. Diese nichttarifären Handelshemmnisse sollen durch allgemeine Vorschriften einerseits (1.) sowie branchenspezifischen Regelungen andererseits (2.) beseitigt werden.

Allgemeine Regelungen

Marktzugangsregelungen

Laut den Verhandlungsleitlinien des Rates soll TTIP den gegenseitigen Marktzugang für den Handel mit Waren und Dienst­leistungen umfassend gewährleisten. Ebenso sollen Unternehmen auf den Ge­bie­ten der Ver­trags­partner den gleichen Niederlassungsvorschriften unterliegen wie heimische Un­ter­neh­men. Die Formulierungen in den Leitlinien erinnern an jene aus den EU-Verträgen, welche den Markt­zu­gang für Waren und Dienst­leistungen auf dem Binnenmarkt gewährleisten. In Betracht kommt also die Aufnahme von Grund­freiheiten in das Abkommen, ähnlich der Warenverkehrs-, Dienstleistungs- und Nie­der­las­sungs­freiheit aus dem AEUV. Eine entscheidende Rolle könnte die Einführung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung spielen: Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung entstammt einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahre 1979 in der Rechtssache Cassis de Dijon; es besagt, dass „in allen Bereichen, in denen auf Gemeinschaftsebene keine Harmonisierung besteht, jeder Mitgliedstaat verpflichtet ist, in seinem Hoheitsgebiet den Verkauf von Waren zu akzeptieren, die in einem anderen Mitgliedstaat nach dort geltenden Vorschriften rechtmäßig hergestellt wurden, auch wenn für inländische Er­zeug­nis­se andere technische oder qualitative Vorschriften gelten.“ Zugleich stellte das Gericht klar, dass dieses Einfuhrrecht aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls beschränkt werden darf.

Befürchtet wird, dass im Wege der gegenseitigen Anerkennung von Produktstandards bestehende Ein­fuhrbeschränkungen ausgehebelt würden, wie es etwa eine Dokumentation der ARD für den Be­reich Chemikalien aufwirft. Im konkret genannten Fall weist die Kommission diese Be­richt­er­stat­tung zurück und verweist auf ihr Positionspapier zu Chemikalien. Eine Stellungnahme über die ge­ne­rel­le Einführung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung, ist bisher nicht zu finden.

Wettbewerbsregeln

Zusätzlich zum Marktzugang werden auch weitere Regeln zur Stärkung des Wettbewerbs auf den trans­atlantischen Märkten erforderlich sein, unter anderem Regeln für das öffentliche Be­schaf­fungs­we­sen. Angestrebt wird eine Gleichbehandlung von europäischen und amerikanischen Anbietern auf al­len Verwaltungsebenen (national, regional und lokal). Demzufolge müss­ten Ausschreibungen nicht mehr nur EU-weit erfolgen, sondern auch US-amerikanische Wett­be­wer­bern offen stehen. Zu erwarten sein dürften auch Regeln über die Zulässigkeit von Subventionen. Diese können, wenn sie nur bestimmten Marktteilnehmern gewährt werden, den Wettbewerb verzerren und die er­hoff­ten gesamtwirtschaftlichen Effekte des Wettbewerbs untergraben. Als Vorbild könnte auch hier das Beihilferecht der EU dienen, welches Subventionen grundsätzlich verbietet und nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässt; ein ähnliches System existiert innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO).

Institutioneller Rahmen

Der Abschluss des Abkommens mit der Festsetzung eines Regelsystems hat zunächst eine statische Rechts­lage zur Folge. Um die Kompatibilität der Regulierungssysteme schrittweise zu verwirklichen und die Rechtslage an sich verändernde Marktumstände anzupassen, könnte ein sog. Re­gu­lie­rungs­dia­log im Ab­kom­men verankert werden. Hiermit könnten auf Regierungsebene frühzeitig un­ter­schied­liche Re­gu­lierungen kommuniziert und Möglichkeiten ihrer Zusammenführung gefunden wer­den. Darüber hinaus soll eine wirksame Überwachung der Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen etabliert werden. In welcher Form dies ausgestaltet wird, etwa mittels eines gemeinsamen Spruch­kör­pers, lassen die Verhandlungsleitlinien des Rates offen.

Branchenspezifische Regelungen

Inwiefern TTIP konkrete Vorschriften zu bestimmten Branchen enthalten wird, ist Ge­gen­stand um­fang­reicher Spekulation. Im Folgenden wird versucht, eine Übersicht über die zu er­war­ten­den Re­ge­lun­gen in bestimmten Branchen zu geben.

Industrie

Automobil- und Maschinenbau

Eine der meistbetroffenen Branchen im Rahmen der EU-US-Handelsbeziehungen ist die Auto­mo­bil­in­dus­trie. Für die deutsche Automobilbranche ist die USA neben China der größte Absatzmarkt. In der EU und den USA gelten verschiedene technische Standards und Vorschriften. Dies ist für eu­ro­pä­ische Automobilhersteller mit erheblichen Mehrkosten und großem Aufwand hinsichtlich Um­rüs­tung und Zulassung verbunden. So unterscheiden sich technische Standards beispielsweise bei den Farben von Blinklichtern und Elektrokabeln. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) erwartet durch Vereinheitlichung oder wechselseitige Anerkennung von Standards und Vorschriften jährliche Ein­sparungen von 11 bis 12 Mrd. €.

Auch der Wegfall von Zöllen birgt ein hohes Einsparpotenzial. Der Importzoll in den USA beträgt 2,5 %. Nach Angaben der Kommission könnten europäische Unternehmen hier bis zu 650 Mio. € ein­spa­ren. In der EU gilt sogar ein Importzoll von 10 %. Durch die wechselseitige Zahlung von Zoll­ge­büh­ren fal­len bei den deutschen Autoherstellern laut VDA derzeit jährlich Kosten in Höhe von etwa einer Mil­liar­de € an. Darüber hinaus soll durch TTIP eine engere Zusammenarbeit beim Festlegen künftiger (globaler) Re­ge­lungen erfolgen. Dies betrifft vor allem die Entwicklung neuer Technologien wie Wasserstoff- und Hy­bridfahrzeuge.

Auch die Maschinenbaubranche könnte durch den Wegfall von Zöllen sowie die gegenseitige An­er­ken­­nung von Standards profitieren. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sind hier vom Aufwand und den Kosten für Umrüstungen betroffen. Neben China und Russland ist auch hier die USA der wichtigste Absatzmarkt außerhalb der EU. Der US-Zoll auf Maschinen und elektrische Geräte liegt bei 1,9 %, sodass EU-Unternehmen Kosten von 680 Mio. € pro Jahr haben.

Chemie, Pharmazie, Kosmetik

Für chemische Erzeugnisse sind die Vorschriften in der EU und den USA grundlegend verschieden. Ei­ne Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung lässt das Recht der EU und der USA nicht zu. Da­her wird voraussichtlich eine Zusammenarbeit innerhalb der Grenzen der beiden Rechtssysteme er­folgen. Die in der EU geltende Chemikalienverordnung REACH fordert eine generelle Re­gis­trie­rungs­pflicht für alle in der EU verkauften Chemieprodukte bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Die Vorschriften in den USA hingegen sind weniger strikt. Zwar sollen an der REACH-Ver­ord­nung keine Änderungen vorgenommen werden, in den USA wird aber eine Novelle des dort gel­ten­den TSCA (Toxic Substances Control Act) auf den Weg gebracht. Die Novelle sieht jedoch keine all­ge­mei­ne Registrierungspflicht als Voraussetzung für die Vermarktung von Produkten vor, wie es in der EU üblich ist. Dafür soll die US-Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) die Be­fug­nis­se zur Bewertung und Beschränkung von Chemikalien erhalten.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) befürchtet durch TTIP eine „Ver­wäs­se­rung“ der REACH-Verordnung, die sich am Vorsorgedanken orientiert und „als das weltweit fort­schritt­lichste Gesetz zur Regulierung von Chemikalien“ gelte. TCSA basiert im Gegensatz dazu auf dem Ungefährlichkeitsgrundsatz. Inhalte der Verhandlungen sind die Bestimmung vorrangig zu prüfender Chemikalien, die Klas­si­fi­zie­rung und Kennzeichnung von Chemikalien sowie ein Datenaustausch. Durch den Wegfall von Zöllen könnten laut EU-Kommission 520 Mio. € eingespart wer­den (US-Zoll 1,7 %).

Unterschiede gibt es auch im Pharmaziebereich bei der Zulassung von Medikamenteninhaltsstoffen. So werden zahlreiche in den USA zulässige Inhaltsstoffe in der EU gar nicht oder nur mit erheblicher Ver­zögerung zugelassen. Eine wechselseitige Anerkennung hätte zur Folge, dass ein in den USA zu­ge­las­senes Medikament auch in den EU verkauft werden dürfte. Hier findet bereits ein enger Austausch der Regulierungsbehörden beider Verhandlungspartner statt. In der Position der EU werden einige Bereiche für eine weitere Zusammenarbeit vorgeschlagen. So z.B. die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Herstellungspraxis, Informationsaustausch, Har­mo­ni­sierung von Voraussetzungen und Begriffen sowie eine engere Zusammenarbeit.

In Bezug auf die Kosmetikbranche arbeiten Regulierungsbehörden der EU und der USA bereits zu­sam­men. Geplant ist u.a. die gegenseitige Anerkennung der Listen zugelassener und verbotener In­halts­stoffe. Derzeit sind von den 1300 in der EU verbotenen Kosmetikinhaltsstoffen nur 11 in den USA als bedenklich angesehen. Aus diesem Grund gibt es entsprechende Vorbehalte in der Zi­vil­ge­sell­schaft.

Weitere Ziele der Zusammenarbeit sind insbesondere die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Her­stellungspraxis, Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen und die Angleichung von Vor­schrif­ten zur Produktprüfung und Kennzeichnung.

Textilwaren

Bei den Textilwaren wird eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen EU und USA in drei zentralen Be­rei­chen diskutiert. Zum einen geht es um das Thema Kennzeichnung: Dort soll eine gegenseitige An­er­kennung von Pflegeanleitungssymbolen vorgenommen und die Bezeichnungen neuer Textilfasern an­geglichen werden. Des Weiteren wird der Aspekt Produktsicherheit und Verbraucherschutz ver­han­delt.

Dienstleistungen

Die Verhandlungsleitlinien des Rates nennen als Ziel die höchstmögliche Liberalisierung des Handels mit Dienst­leis­tungen. Erreicht werden soll dies durch gegenseitig vereinfachten Markt­zugang, ins­be­son­dere durch die Öffnung von öffentlichen Ausschreibungen auch für Unternehmen aus dem Gebiet des jeweiligen Vertragspartners. Bestimmte Bereiche wie audiovisuelle Dienste, also z.B. Film­pro­duk­tio­nen, sollen nicht verhandelt werden. Dennoch bestehen Befürchtungen, dass gerade Standards für die öffentliche Daseinsvorsorge, wie in der Wasserversorgung oder die staatliche Krankenhausplanung, als nichttarifäre Hemmnisse an­ge­se­hen und deswegen für ungültig erklärt werden könnten. Auch die Beziehung zum bereits be­ste­hen­den WTO-Abkommen GATS wird hinterfragt: Durch TTIP könnten dessen Regeln umgangen werden. Die EU und die USA verhandeln neben TTIP gemeinsam mit 20 anderen Ländern über ein weiteres Ab­kommen außerhalb der WTO, das den Handel mit Dienstleistungen betrifft, das sog. Trade in Services Agreement (TiSA); TTIP könnte hierfür als "Testlauf" dienen.

Landwirtschaft und Lebensmittel

Es wird bereits spekuliert, ob einzelne Bereiche der Landwirtschaft und Lebensmittelbranche von den Ver­handlungen gänzlich ausgeschlossen werden, da in diesem Bereich besonders hohe Differenzen zwi­schen den Vorstellungen der Verhandlungspartner bestehen. Laut der Bundesregierung würde dies jedoch gegen WTO-Richtlinien verstoßen. Auch wird von zivilgesellschaftlichen Verbänden be­fürch­tet, dass in diesem Bereich in besonderem Maße versucht wird, durch gezielte Lobbyarbeit be­ste­hende Standards zu unterwandern, um Gewinnpotentiale für Großunternehmen zu maximieren. Dennoch versicherte die Bundesregierung im März, dass die EU an den bisherigen Standards be­züg­lich Anbau und Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen festhalten werde. Dasselbe gel­te für die Hygienestandards in der Lebensmittelbranche. Einfuhr und Vertrieb sog. „Chlor­hühn­chen“ würden damit ausgeschlossen. Allerdings ist das in der EU geltende Verbot von Hormonbehandlungen und dem Anbau von gen­tech­nisch verändertem Pflanzen und Saatgut nicht der einzige Streitpunkt in den Verhandlungen. Auch bei der Kennzeichnungspflicht und der Risikobewertung von Lebensmitteln gibt es bisher er­heb­liche Unterschiede. So müssen Nahrungsmittel mit gentechnisch veränderten Bestandteilen in der EU gekennzeichnet werden, während die USA Produkte wie den französischen Roquefort-Käse aus Rohmilch als bedenklich einstuft. Diskussionen hat auch der Vorschlag ausgelöst, die Kontrollen von Fleischlieferungen direkt bei Ein­fuhr abzuschaffen. Dadurch ließen sich Kontaminationen erst später und schwerer erkennen und kaum zurückverfolgen. Außerdem könnte es laut den Verhandlungsleitlinien des Rates deutlich er­schwert werden, Le­bens­mit­teleinfuhren aus Ländern mit Tierseuchenbefall einzugrenzen und zu stop­pen. Für die USA sind insbesondere Unterschiede in Zulassungsverfahren sowie die für sie durch EU-Re­ge­lun­gen bestehenden Handelshemmnisse im Bereich gentechnisch veränderter Pflanzen und Le­bens­mit­tel sowie hormonell behandelter Fleischprodukte zu diskutierende Themen. Aber auch der in der EU praktizierte Schutz von geographisch definierten Produkten (z.B. Parmesankäse darf nur so hei­ßen, wenn er aus der Region Parma in Italien kommt) und die damit verbundenen Ein­fuhr­be­schrän­kun­gen bzw. bei Einfuhr notwendigen Umdeklarierungen von ähnlichen Produkten wird von USA-Sei­te als problematisch betrachtet.

Finanzmarkt

Die Verhandlungsführer der EU sollen auf das Ziel hinarbeiten, ge­mein­sa­me Rahmenbedingungen mit den USA über die Aufsicht des Finanzmarkts zu schaffen, wie aus den Verhandlungsleitlinien des Ra­tes hervorgeht. Nichtsdestotrotz wollen die USA versuchen, die mit ver­schie­de­nen EU-Staaten bestehenden bi­la­te­ra­len Investitionsabkommen über das TTIP Abkommen zu har­mo­ni­sieren und bestehende Lücken zu schlie­ßen, wodurch auch eine noch höhere Rechtssicherheit für In­ves­titionen erwirkt werden soll. Mög­liche Schwierigkeiten bei den Verhandlungen werden ins­be­son­de­re in den Bereichen freier Ka­pi­tal­fluss und regulative Aufsicht gesehen. Welche Gestalt mögliche spätere Regelungen in diesem Bereich annehmen könnten, ist ungewiss, insbesondere weil die US-amerikanischen Verhandlungsführer nicht an gemeinsamen verbindlichen Regeln mit der EU bei der Regulierung der Finanzmärkte interessiert scheinen. Dabei könnte von Bedeutung sein, dass als Reaktion auf die Finanzkrise mit dem sog. Dodd-Frank-Act in den USA die Vorschriften für Finanzdienstleistungen stark verschärft wurden. Unter anderem be­steht nun die Möglichkeit, systemrelevante Finanzdienstleistungsunternehmen unter Zwangs­ver­wal­tung zu stellen und diese, wenn nötig, geordnet abzuwickeln; außerdem wird der Eigenhandel der Ban­ken weitgehend eingeschränkt. Im Vergleich dazu sind die Standards in der EU liberal. Ge­mein­sa­me Bedingungen für die Aufsicht der Finanzmärkte könnten also ein "roll-back" der gerade erst be­schlos­senen Gesetze bedeutet, so die Befürchtungen.

Geistiges Eigentum

Auf internationaler Ebene gibt es bereits Regeln über geistiges Eigentum. Sie sollen Min­dest­stan­dards für den Schutz von Betriebsgeheimnissen und anderen Immaterialgütern schaffen; das mul­ti­la­te­rale TRIPS-Abkommen ist dabei das bedeutendste. Die Verhandlungsleitlinien des Rates sehen auch für TTIP gemeinsame Regeln vor, die auf dem TRIPS-Ab­kommen aufbauen und insbesondere den Schutz von Herkunftsbezeichnungen wie Parmigiano Reg­giano oder Roquefort-Käse ausbauen soll. Zu diesem Thema hatte es mit den USA in der Ver­gan­gen­heit verschiedene Konflikte gegeben, da dort GIs (Geographical Indications) nicht als eigene Form des Urheberschutzes aufgefasst werden, sondern unter den allgemeinen Markenschutz fallen. Von den Verhandlungen ausgenommen sind strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen Rechte des geistigen Eigentums. Ob das ausgehandelte Abkommen Maßnahmen enthalten wird, wie sie im ACTA-Ab­kom­men vorgesehen waren, ist aus den bisher öffentlich gemachten Dokumenten nicht ab­zu­lesen.

Digitalwirtschaft

Die Verhandlungsleitlinien des Rates sehen den Abbau von Handelshemmnissen auch im Bereich der In­for­ma­tions- und Kommunikationstechnologien (IKT) vor. Aktuell scheinen bereits Positionen über spezielle Bereiche des E-Commerce ausgetauscht zu wer­den; laut offiziellen Angaben konzentrieren sich die Verhandlungen allerdings gerade auf spezielle The­men wie den Einsatz von Informationstechnik in der Gesundheitsversorgung und Regeln über Ver­schlüsselungstechniken. Es ist bisher nicht absehbar, ob auch die Digitalwirtschaft in Form des Datenhandels Gegenstand von TTIP wird. Auch Fragen des Datenschutzes wurden bisher offenbar nicht angesprochen; in diesem Be­reich sind die geltenden Regeln in der EU schärfer als in den USA. Vonseiten der USA sollen in den Gesprächen auch die bestehenden Barrieren des digitalen Handels the­matisiert werden, insbesondere die Definition einer Balance zwischen dem freien Fluss von In­for­ma­tionen und dem Recht von Regierungen, diesen zu regulieren, sowie ein angemessenes Gleich­ge­wicht zwischen dem Schutz von persönlichen Daten und dem Zugriff auf solche Daten im Falle einer Straf­verfolgung.

Energie und Rohstoffe

TTIP soll ein Kapitel für Energie- und Rohstofffragen erhalten. Die EU verfolgt in den Verhandlungen das Ziel, „ein offenes, transparentes und be­re­chen­ba­res Ge­schäfts­umfeld in Energieangelegenheiten und einen unbeschränkten und nachhaltigen Zu­gang zu Roh­stoffen sicherzustellen.“ Damit könnte TTIP das sog. Fracking – eine Methode zur Gewinnung von Erd­gas und Erdöl – in der EU er­lauben. Während Fracking in den USA weit verbreitet ist und gefördert wird, ist es in der EU auf­grund von Umwelt- und Gesundheitsbedenken umstritten. Während Um­welt­schutz­verbände wie der BUND eine Verunreinigung des Grundwassers durch giftige Che­mikalien be­fürch­ten, versprechen sich die Befürworter Vorteile durch eine verstärkte Un­ab­hän­gig­keit von Energieimporten und sin­kende Ener­giepreise. Zurzeit ist Fracking in einigen EU-Mit­glied­staa­ten ausdrücklich verboten. Sollte das Ab­kom­men Schutz­rechte für Investoren beinhalten, könnte dies zu Klagen führen, da sich Energiekonzerne durch der­artige Verbote benachteiligt fühlen könnten.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

Die Verhandlungspartner haben sich auf die Aufnahme eines eigenständigen Kapitels für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in das Abkommen geeinigt. Inhalt des Kapitels sollen die Zu­sam­men­ar­beit im Bereich KMU sein sowie die Bereitstellung von KMU-relevanten Informationen. Darüber hin­aus soll ein KMU-Ausschuss eingerichtet werden, der die Unternehmen beim Marktzugang auf dem Ge­biet des je­weils anderen Vertragspartners unterstützen soll. Neben diesen KMU-spezifischen Regelungen werden Vorteile für KMU insbesondere durch er­leich­ter­ten Marktzugang erwartet. Die Kosten für KMU, für unterschiedliche Märkte zu produzieren, sind im Vergleich zu Großunternehmen regelmäßig überproportional höher. Der Marktzugang soll daher ins­besondere durch einheitliche Ursprungsregeln, angeglichene Produktionsstandards sowie die Be­reit­stellung marktzugangsrelevanter Informationen erleichtert werden. Nach einer Umfrage des DIHK unter mittelständischen Exportunternehmen sehen gut 60 % das Ab­kom­men als wichtig oder sehr wichtig an. Den größten Nutzen erhoffen sie sich durch die An­pas­sung oder gegenseitige Anerkennung von Normen, Standards und Zertifizierungen (75,4 %) sowie dem Abbau von Zöllen (61,4 %).

Schutzstandards

Umwelt- und Verbraucherschutz

Eine der Hauptdifferenzen im Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz liegt bei der Frage, nach wel­chem Prinzip Sachverhalte auf diesem Gebiet bewertet werden: So ist das Vorsorgeprinzip einer der Grund­pfeiler der Umweltschutzpolitik der Europäischen Union. Hier­nach kann die EU nicht nur wis­sen­schaftlich erwiesene, sondern bereits mangels wis­sen­schaft­li­cher Erkenntnis lediglich mögliche Um­welt- und Gesundheitsschäden im Wege rechtlicher Vorgaben be­kämpfen. In den USA wird dagegen nach der umgekehrten Maxime verfahren, es gilt der Grundsatz der „sound science“, wonach eine Regulierung des Marktes durch den Staat erst dann zulässig ist, wenn die Schäd­lichkeit tatsächlich bewiesen ist. Welcher der beiden Grundsätze im Ergebnis übernommen wird, ist bisher offen. Kritiker des Freihandelsabkommens befürchten eine quasi automatische Übernahme der wirt­schafts­freund­licheren und teilweise wesentlich schwächeren Umwelt- und Verbraucherschutzstandards der USA. Gleichzeitig gilt es jedoch auch zu bemerken, dass der Verbraucherschutz in den USA nicht grund­sätzlich schwächer ist als in der EU. Im Bereich Hygiene sind Regelungen mitunter sogar stren­ger. So dürfen u.a. Weißwürste aus Deutschland nicht importiert werden, weil sie als potentiell ge­sund­heitsgefährdend gelten und Fruchtsäfte müssen strengere Pestizidwerte einhalten als in der EU. Auch die Behandlung von Fleisch mit Chlor erfolgt auf Grund strengerer Hygienevorschriften zur Ab­tö­tung potentieller Keime. Vonseiten der Verhandlungsführer wurde bereits mehrfach betont, dass eine Pauschalübernahme von Schutzstandards nicht in Frage komme, sondern über die Standards im Einzelnen verhandelt wer­de. Generell soll es nicht zu einer Absenkung der hohen in der EU geltenden Standards kom­men. Dies wurde auch Parlamentariern des Bundestages versichert, die befürchteten, dass TTIP zur Auf­weichung europäischer Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz führen könnte und etwa den Import von Hormonfleisch nach Europa erlauben würde. Knut Brünjes vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie versicherte dazu, dass es „auf kei­nen Fall“ dazu kommen werde, dass bestehende Regelungen in Deutschland oder Europa durch TTIP aus­gehebelt würden. "In Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten bestehende Re­gu­lie­rungs­sys­te­me wie REACH werden durch TTIP nicht verändert werden", stellte er klar.

Arbeitsrecht

Im Gegensatz zu den in der EU geltenden Normen sieht das US-amerikanische Arbeitsrecht weder einen festen Kündigungsschutz noch Tarifverträge oder das Recht auf Betriebsräte vor. Ins­be­son­de­re in der Industrie verlieren Gewerkschaften in den USA zunehmend an Bedeutung. Während die EU-Staaten alle acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ra­tifiziert haben, haben die USA bisher nur die Norm zur Kinderarbeit und die Übergangsregeln zur Zwangs­arbeit ratifiziert. Dem­ent­spre­chend gibt es Befürchtungen, TTIP könne zu einer Absenkung des Schutz­ni­veaus in der EU füh­ren. Insbesondere fürchten Gewerkschaften um ihr Recht Tarifverträge aus­zu­han­deln. Sie for­dern daher die Anerkennung aller Kernarbeitsnormen der ILO durch die USA und die Fest­schrei­bung der Arbeitsstandardsauf ILO-Niveau im Abkommen.

Nach den Verhandlungsleitlinien des Rates sollen auch weiterhin die Arbeits- und Be­schäf­ti­gungs­vor­schrif­ten der EU und ihrer Mitgliedstaaten gelten. Eine Anti-Dumpingklausel ist ebenfalls vorgesehen. Laut Bun­desregierung würden Regelungen zu Arbeits-, Kündigungs-, Mutterschutz oder Schutz bei Krank­heit durch TTIP nicht zur Disposition gestellt, „sofern sie nicht zwischen ausländischen und in­län­di­schen Investoren diskriminieren und sofern sie verhältnismäßig sind.“

Kulturgüter

Die Verhandlungsleitlinien des Rates schließen von vornherein Vereinbarungen über audiovisuelle Me­dien in TTIP aus; das hat Frankreich vor Beginn der Verhandlungen durchgesetzt. Hintergrund sind Bedenken, dass durch ei­ne Liberalisierung der Kulturbranche Subventionen für heimische Pro­duk­tionen nur noch schwer zu ver­treten wären. Dennoch gibt es in der öffentlichen Debatte Befürchtungen, dass sich in den Ver­hand­lungs­er­geb­nis­sen Regeln finden, die den Kulturmarkt betreffen: Unter einer Liberalisierung könnte die Qua­lität von The­a­tern, Opern und anderen kulturellen Einrichtungen leiden, da diese stark von öf­fent­lichen Gel­dern ab­hän­gig sind. Auch andere kulturwirtschaftliche Errungenschaften wie die deutsche Buch­preis­bin­dung und der öf­fent­lich-rechtliche Rundfunk sehen sich gefährdet; gefordert wird daher eine ver­bind­liche Klausel im Verhandlungsergebnis. Nach Aus­sagen von Handelskommissar Karel von Gucht ist geplant, eine Kulturschutz-Formulierung in die Prä­ambel des Abkommens aufzunehmen. In den USA werden diese Bereiche dagegen in erster Linie als Dienstleistungen gesehen und wären des­wegen natürlicher Bestandteil umfassender Handelsabkommen. Die Ausklammerung au­dio­vi­suel­ler Medien wird daher eher als möglicher Präzedenzfall für die Ausklammerung weiterer Bereiche aus dem Handelsabkommen betrachtet und als problematisch bewertet.

Öffentliche Daseinsvorsorge

Zivilgesellschaftliche Akteure erwarten, dass durch die Verhandlungen zu TTIP auch große Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge zur Disposition stehen. Zu diesen gehören bspw. die Energie- und Was­serversorgung, Abfallentsorgung, Bildung sowie die Gesundheitsversorgung. Bisher können diese Bereiche in kommunaler Trägerschaft verbleiben, was auch im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgehalten ist. Durch die in den Ver­hand­lungs­leit­li­nien des Rates festgelegte Zielsetzung, Zugänge zu Märkten zu erleichtern und diese weitestgehend zu öffnen, wird befürchtet, dass im Zuge weitreichender Liberalisierung auch weite Teile der öf­fent­li­chen Daseinsvorsorge privatisiert und dabei bereits erreichte Standards, vor allem bei Preis und Qua­li­tät, abgesenkt werden könnten. So wird insbesondere in den Bereichen Abfall- und Ent­sor­gungs­wirt­schaft die Gefahr gesehen, dass der Umwelt- und Verbraucherschutz durch Deregulierung auf die­sen Gebieten unterlaufen werden könnte. Im Bereich der Wasser-, Energie- und Ge­sund­heits­ver­sor­gung wird befürchtet, dass die Versorgungssicherheit leiden könnte, wenn aufgrund von stärker ge­winn­orientiertem Handeln nicht mehr ausreichend in bestehende Strukturen und ihre Auf­recht­er­hal­tung investiert wird.

Die Europäische Kommission wies jedoch als Reaktion auf diese Ängste darauf hin, dass der Bereich öf­fentlicher Dienste in Handelsabkommen bisher immer speziell geschützt wurde und auch im Fall von TTIP geschützt wird. Die EU-Mitgliedstaaten könnten also weiterhin als öffentlich eingestufte Diens­te selbst regulieren und organisieren sowie festlegen, ob dies auf kommunaler, regionaler oder na­tio­na­ler Ebene geschieht. Auch gelte das Prinzip der Inländerbehandlung nicht, EU-Staaten könn­ten also na­tionale Unternehmen weiterhin ausländischen Bewerbern in diesen Bereichen vor­zie­hen.

Investitionsschutz

Was bedeutet Investitionsschutz

Neben Konsum, Export und Staatsausgaben sind private Investitionen einer der Pfeiler einer Volks­wirt­schaft. In­vestitionen fördern Wachstumskapazitäten einer Volkswirtschaft. Durch Investitionen steigt die Nach­frage nach Produktionsfaktoren (Werkstoffe, Betriebsmittel, Arbeitskraft) und es ent­steht ein Mul­tiplikatoreffekt, d.h. der ursprüngliche wirtschaftliche Impuls der Investition hat ei­nen größeren volkswirtschaftlichen Effekt als seine ursprüngliche Größe (z.B. ursprünglicher Impuls iHv 50 Mio. € mit volkswirtschaftlichem Effekt iHv 100 Mio. € = Mul­ti­pli­ka­toreffekt von 2).

Investitionen können jedoch ihren Ursprung nicht nur in der eigenen Volkswirtschaft haben, sondern auch von Investoren aus anderen Volkswirtschaften (regelmäßig: anderen Staaten) kommen. In die­sem Falle spricht man von ausländischen Direktinvestitionen (ADI). Da der Investor durch seine Investition in einem fremden Staat auch dessen Jurisdiktion unterliegt, sind für ihn häufig die Folgen für seine Investition nicht absehbar. Insbesondere in politisch instabilen Staa­ten kann es vorkommen, dass eine Regierung die Rechte ausländischer Investoren in un­vor­her­seh­barer Weise beschränkt. Investitionsschutzabkommen sollen daher helfen, ADI in der eigenen Volkswirtschaft attraktiver zu ma­chen, indem ausländische Investoren rechtliche Garantien erhalten. Hierdurch wird der Investor vor rechtlichen Unwägbarkeiten im Gaststaat geschützt; der Staat wiederum kann seine eigene Volks­wirtschaft durch erhöhte ADI stärken. Heute existieren weltweit ca. 3.000 bilaterale Investitionsschutzabkommen, von denen allein Deutsch­land ca. 130 Abkommen mit Staaten unterhält. Die Mit­glied­staaten der EU unterhalten welt­weit ca. 1.400 Investitionsschutzabkommen.

Wie funktioniert Investitionsschutz auf internationaler Ebene?

Durch Investitionsschutzabkommen zwischen zwei (bilateral) oder mehreren (multilateral) Staaten si­chern die Vertragspartner den Investoren aus den jeweils anderen Staaten rechtliche Schutz­stan­dards zu. Dabei haben sich seit den ersten Verträgen aus den 50er Jahren folgende Schutzstandards her­aus­ge­bildet:

  1. Fair & Equitable Treatment: Die Vertragsstaaten sichern den Investoren eine gerechte und billige Be­hand­lung zu. Das bedeutet insbesondere, dass legitime Erwartungen nicht enttäuscht und der na­tio­na­le Rechtsweg nicht verwehrt werden darf.

  2. Full Protection & Security: Die Vertragsstaaten haben die Pflicht, den Investor vor Be­ein­träch­ti­gun­gen durch Dritte zu schützen.

  3. Free Transfer of Payments: Die Vertragsstaaten haben die Pflicht, den Kapitaltransfer rund um die In­vestition in einer konvertierbaren Währung zu gewährleisten.

  4. Expropriation: Enteignungen sind nur zulässig, soweit sie im öffentlichen Interesse sind, den In­ves­tor nicht diskriminieren, die nationalen Verfahrensvorschriften einhalten und eine unverzügliche, ef­fek­ti­ve und vollständige Entschädigung umfassen.

  5. National Treatment: Ausländische Investoren sind gleich den inländischen Investoren zu be­han­deln (Gleichbehandlung zwischen ausländischen und inländischen Investoren).

  6. Most-favored Nation Treatment: Die Investoren aus dem Vertragsstaat sind so zu behandeln, wie der bestbehandelte ausländische Investor (Gleichbehandlung zwischen allen ausländischen In­ves­to­ren).

  7. Umbrella Clause: Der Vertragsstaat hat jede andere Verpflichtung einzuhalten, die er gegenüber dem Investor eingegangen ist (Auffangschutzstandard). Bei den ersten vier Schutzstandards handelt es sich um uneingeschränkt gewährte Standards; die Schutzstandards 5. bis 7. sind relativ gewährt, d.h. sie lassen sich durch vereinbarte bzw. anerkannte Rechtfertigungsgründe einschränken.

Zu diesen Rechtfertigungsgründen gehören insbesondere:

  • Umweltschutz
  • Gesundheitsschutz
  • Schutz nationaler Kulturgüter
  • Schutz natürlicher Ressourcen

Die Vertragsstaaten können nach Belieben neue Schutzstandards und Rechtfertigungsgründe ver­ein­ba­ren.

Wie funktionieren Investor-Staat-Streitigkeiten (ISS)?

Um Verstöße gegen Investitionsschutzbestimmungen auch justiziabel zu machen, hat sich eine in­ter­na­tionale Schiedsgerichtsbarkeit etabliert. Diese kann etwa in ad hoc berufenen Schiedsgerich­ten be­ste­hen. Darüber hinaus haben sich ständige Schiedsgerichtsinstitutionen gebildet, etwa das In­ter­na­tio­nal Center for Settlement of Investment Disputes (ICSID) in Washington D.C. Investoren, die sich in den durch das Investitionsschutzabkommen zugesicherten Rechten verletzt fühlen, können vor diesen Schiedsgerichten Klage erheben (sog. Investor-Staat-Streitigkeit, ISS). Dies setzt zunächst voraus, dass Investor und Staat sich dem Schiedsgericht unterworfen haben. Dies erfolgt zumeist im Rahmen eines Investitionsschutzabkommens. Des Weiteren wird regelmäßig die Er­schöp­fung des nationalen Rechtswegs vorausgesetzt. Existiert eine solche Regelung nicht, muss sich der Investor regelmäßig zwischen einem innerstaatlichen Rechtsbehelf und einem Investor-Staat-Schiedsverfahren entscheiden (sog. „Gabelungsklausel“). Entschieden wird auf der Grund­lage von zwischen den Parteien vereinbarten Rechtsvorschriften, re­gel­mäßig also einem In­ves­ti­tionsschutzabkommen, dessen Inhalt die Vertragsparteien bestimmt ha­ben. Das Schiedsgericht stellt die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme fest und spricht ggfs. Schadensersatz zu. Der Schiedsspruch ist für die Parteien bindend und un­ter­liegt kei­ner Berufung vor einem nationalen oder einem anderen internationalen Gericht. Er wird na­tional als vollstreckbarer Titel anerkannt. Bis heute sind 568 ISS-Klagen bekannt.127 Klagen (22 %) wurden von US-Investoren, 299 Klagen (53 %) von EU-Investoren eingereicht. Von den EU-Investoren kamen 61 aus den Niederlanden, 43 aus dem Vereinigten Königreich und 39 aus Deutschland (sonstige EU-Mitgliedstaaten: 156 Klagen). Stellt das Schiedsgericht fest, dass die Regierung tatsächlich gegen die Rechte des Investors ver­sto­ßen hat, so kann es sie zu Schadensersatzleistungen verpflichten, die dann auch direkt vollstreckbar sind und in aller Regel umgesetzt werden.

Wie soll der transatlantische Investitionsschutz aussehen?

Nach den Verhandlungsleitlinien des Rates soll das Abkommen ein Investitionsschutzkapitel ent­hal­ten, das das höchstmögliche Maß an Rechtsschutz und -sicherheit für europäische Investoren in den USA vorsieht sowie die europäischen Schutzstandards für Investoren anhebt. Folgende Schutzstandards sollen insbesondere, aber nicht ausschließlich, in das Abkommen ein­be­zo­gen werden:

  • Gerechte und billige Behandlung (fair & equitable treatment) einschließlich eines Verbots unverhältnismäßiger, willkürlicher oder diskriminierender Maßnahmen,
  • Inländerbehandlung (national treatment),
  • Meistbegünstigung (most-favoured nation treatment),
  • Schutz vor direkter und indirekter Enteignung, einschließlich des Rechts auf unverzügliche, angemessene und effektive Entschädigung (expropriation),
  • voller Schutz und umfassende Sicherheit der Investoren und Investitionen (full protection & security),
  • andere wirksame Schutzbestimmungen, z.B. eine „Schirmklausel“ (umbrella clause),
  • ungehinderter Transfer von Kapital und Zahlungen durch die Investoren (free transfer of payments),
  • Regeln über den Forderungsübergang.

Von diesen Schutzstandards unberührt soll das Recht der EU und ihrer Mitgliedstaaten sein, Maß­nah­men für Förderung folgender Ziele zu ergreifen:

  • Sozialpolitik,
  • Umweltpolitik,
  • Sicherheitspolitik,
  • Stabilität des Finanzsystems,
  • Öffentliche Gesundheit und Sicherheit,
  • Förderung und Schutz der kulturellen Vielfalt.

Die Regelungen sollen auch rückwirkend, also für vor Inkrafttreten des Abkommens getätigte In­ves­ti­tio­nen, gelten. Zur Durchsetzung des Investitionsschutzes soll ein ISS-Mechanismus errichtet werden, „der auf dem neu­esten Stand ist und Transparenz, Unabhängigkeit der Schiedsrichter und die Berechenbarkeit des Ab­kommens gewährleistet, unter anderem durch die Möglichkeit einer verbindlichen Auslegung des Ab­kommens durch die Vertragsparteien.“ Der Mechanismus soll Schutz vor offensichtlich un­ge­recht­fertigten oder leichtfertigen Klagen beinhalten und ggfs. die Möglichkeit einer Berufung vor­se­hen.

Kritik

Missbrauchsanfälligkeit

Investitionsschutzabkommen werden regelmäßig als sehr missbrauchsanfällig kritisiert: In­ter­na­tio­na­le Großkanzleien spezialisierten sich auf Investitionsschutzrecht, um aus diesem Geschäftsmodell für sich und ihre Mandanten (Investoren) auf Kosten der Staaten Pro­fit zu schlagen. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Zahl der Klagen verzehnfacht: Im Jahr 2013 wurden insgesamt 57 Klagen erhoben, darunter 24 gegen EU-Mitgliedstaaten mit einem Volumen bis zu einer Milliarde € pro Fall. Von den (Stand Ende 2013) 568 bekannten ISS-Klagen stammen 299 von In­ves­to­ren aus der EU, davon 61 aus den Niederlanden, 43 aus dem Vereinigten Königreich und 39 aus Deutsch­land; aus den USA stammen 127 Klagen.

Willkür

42 % der Klagen gehen zugunsten der Staaten aus, 31 % zugunsten der Investoren; in den übrigen Fällen (27 %) werden Vergleiche geschlossen. Somit gehen 58 % aller Fälle zumindest teilweise zu­guns­ten der Investoren aus. Teilweise steht dabei der Vorwurf der Willkür im Raum. Tatsächlich ist die Rechtsanwendung durch die Schiedsgerichte jedoch ab­hän­gig von der vertraglichen Rechtsgrundlage, die im Regelfall ein zwi­schen den betroffenen Staaten vereinbarter Investitionsschutzvertrag darstellt. Kritisiert wird daher insbesondere die Ungenauigkeit der vereinbarten Bestimmungen. So kann im Rah­men eines zu­gesicherten „Fair & Equitable Treatment“ der Begriff der legitimen Erwartungen sehr un­ter­schied­lich aus­gelegt werden. Dabei ist insbesondere das Interesse des Staates am eigenen Re­gu­lie­rungs­recht gegen das Interesse des Investors an der Rechtssicherheit seiner Investition durch die Schiedsrichter abzuwägen. Die Verhandlungsleitlinien des Rates sehen die Möglichkeit einer verbindlichen Auslegung des Ab­kom­mens durch die Vertragsparteien vor.

Intransparenz

Die Schiedsgerichtsbarkeit wird vielfach als intransparent wahrgenommen. Ein Großteil der Fälle wird von spezialisierten Juristen betreut, die in verschiedenen Verfahren wechselweise die Rollen des Schiedsrichters bzw. der Klage- oder Beklagtenvertretung einnehmen. Neben der kritisch be­trach­te­ten Rotation bleiben dabei auch die Inhalte der Verfahren vielfach im Dunkeln.

Aushebelung des staatlichen Regulierungsrechts

Zivilgesellschaftliche Organisationen äußern darüber hinaus die Befürchtung, durch die Un­ter­wer­fung unter die Schieds­gerichtsbarkeit unterfiele jenen zukünftig die rechtliche Überprüfung von staat­licher Re­gu­lierung und Ver­waltungshandeln. Dadurch bestünde die Gefahr, dass das de­mo­kra­ti­sche Re­gu­lie­rungs­recht von gewählten Volksvertretern durch internationale In­ves­ti­tions­schutz­ab­kom­men aus­ge­höhlt werde. Festgemacht wird die Kritik anhand konkreter Verfahren wie dem des schwedischen Energiekonzern Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland: 2012 hatte Vattenfall gegen Deutschland Klage gegen den vom Bundestag beschlossenen Atomausstieg erhoben mit der Begründung, dieser bringe das Unternehmen um seine Investitionen und wirke wie eine entschädigungslose Enteignung. In zwei weiteren Fällen verklagt der Tabakkonzern Philip Morris Uruguay und Australien wegen stär­ke­rer Raucherschutzgesetze mit der Behauptung, dadurch würden seine Anlagen in Milliardenhöhe ent­wer­tet. Letztlich bestimmen sich die Handlungsspielräume des staatlichen Gesetzgebers durch die in den In­ves­titionsschutzabkommen festgelegten Ausnahmen bzw. Rechtfertigungsgründe. Auf der Grund­lage sol­cher Rechtfertigungsgründe ist eine Beschränkung der relativen Schutzstandards zuläs­sig. Die Europäische Kommission hat diese Problematiken erkannt und mit ihrem Papier „Neubeginn für In­vestitionen und Investitionsschutz“ vom März 2014 einen Ansatz entwickelt, um einerseits Schieds­gerichtsverfahren transparenter und fairer zu gestalten und andererseits Investi­tions­schutz­be­stimmungen derart klarzustellen, um eine willkürliche Auslegung und eine faktische Beschränkung des staatlichen Regulierungsrechts in Zukunft zu vermeiden.

Erforderlichkeit von Investitionsschutzabkommen zwischen Rechtsstaaten

Der Investitionsschutz entstand, um rechtliche Unsicherheit in politisch instabilen Gaststaaten völ­ker­recht­lich aufzufangen. Der Bedarf an Investitionsschutz in funktionierenden Rechtsstaaten ist daher umstritten. Die Bundesregierung äußerte sich in dieser Frage dahingehend, dass sie Bestimmungen zum In­ves­ti­tions­schutz und zu Investor-Staat-Streitigkeiten nicht für erforderlich mit solchen Staaten halte, „die über belastbare Rechtsordnungen verfügen und ausreichend Rechtsschutz vor unabhängigen na­tio­na­len Gerichten gewährleisten“. Offenbar hält die Bundesregierung diesen Rechtsschutz in den USA für gewährleistet, weshalb sie eine entsprechende Position auch in den Verhandlungen des Rates über das Verhandlungsmandat für die Kommission vertrat.

Reaktion

Nach starkem zivilgesellschaftlichem Protest gegen den Investitionsschutz beschloss die Ge­ne­ral­di­rek­tion Handel im Januar 2014, die diesbezüglichen Verhandlungen vorerst auszusetzen. Man wolle die Ergebnisse einer dreimonatigen öffentlichen Konsultation abwarten. Diese Konsultation wurde vom 27. Mrz. bis zum 13. Jul. 2014 durchgeführt und erhielt knapp 150.000 Ein­gaben, von denen gut 118.000 (79,2 %) allein aus dem Vereinigten Königreich, Österreich und Deutsch­land stammen. 99,62 % der Eingaben stammten von Individuen, nur 0,38 % von Or­ga­ni­sa­tio­nen. 738 (0,5 %) der Konsultationsteilnehmer gaben an, bereits eine Investition in den USA getätigt zu haben. Die Auswertung der Ergebnisse wird voraussichtlich bis November andauern. Berichterstatter Bernd Lange (S&D) kündigte bereits an, ein Abkommen mit Investitionsschutzklausel werde es mit seiner Fraktion nicht geben. Diese Äußerung aus dem Europäischen Parlament er­höht den Druck auf die Kommission, eine Aufnahme von Investitionsschutzregeln in das Abkommen zu vermeiden.

Quellen

Offizielle Quellen

Wissenschaftliche Quellen

  • Markus Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 2. Auflage (2009).
  • David Ricardo (1772-1823), On the principles of political economy and taxation (1817).
  • Adam Smith (1723-1790), An inquiry into the natures and causes of the wealth of nations (1776).

Mediale Quellen

Zivilgesellschaftliche Quellen

Danksagung

Die Autoren danken allen Mitgliedern der AG Wirtschaft für ihre wertvolle Unterstützung, ins­be­son­de­re Lisa Kutschera, Florian Podewski, Clara Salarich und Georg Händel. Besonderer Dank für eine hervorragende Einführung in das Investitionsschutzrecht gebührt Shimon Mer­kel.