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Jon Worth zur Frage nach einem Demokratiedefizit in der EU


Gibt es ein Demokratiedefizit in der EU? Und wenn ja, worin liegt der maßgebliche Aspekt des Demokratiedefizits?

John Worth: Ja, es gibt ein Demokratiedefizit in der EU, aber nicht nur dort. Die demokratischen Herausforderungen betreffen im Grunde auch die nationalen, regionalen und lokalen Ebenen. Obwohl seine Theorie der "Postdemokratie" überhaupt nicht optimistisch ist, stimme ich mit Colin Crouch überein. Dieser sagt, dass wir in einer "Postdemokratie" leben, womit wir irgendwie leben müssen. Die EU sehe ich durchaus als Teil des Problems, aber auch als möglichen Teil der Lösung: nur mit einer starken und politischen EU können wir Globalisierung überhaupt gestalten. Ein Rückbau der EU würde zu noch undemokratischeren Verhältnissen führen als wir sie jetzt schon haben. Ein Staat wie Norwegen, der außerhalb der EU liegt, hat noch weniger demokratische Kontrolle über die Konsequenzen der Globalisierung als z.B. Dänemark oder Schweden, die sich innerhalb der EU befinden.

Das besondere Problem auf der EU-Ebene ist, dass eine echte Parteipolitik fehlt. Bürger können für die eine oder die andere Partei stimmen, können dann aber die Konsequenzen dieser Wahl nicht sehen. Die klassische Definition eines Parteiensystems von Schumpeter (1943) sagt ja, dass Parteien Programme vorstellen, Wähler sich zwischen diesen entscheiden, und der Gewinner dann sein Programm implementiert. 4-5 Jahre danach wird die Partei entweder bestätigt oder rausgeschmissen. Dieses Prinzip wird auf Ebene der EU nicht respektiert: wir wählen, wir haben Parteien und (mehr oder weniger) Wahlprogramme, können danach aber nicht beurteilen in wie weit unsere Stimmen wirklich etwas geändert haben.

Kurzvorstellung Jon Worth


Wir haben die Podiumsgäste des zweiten Europäischen Salons zum Thema "Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger – Europa der Eliten?" vorab um ihre Meinung zu unterschiedlichen Fragen gebeten, um sie online zu diskutieren. Alle Online-Beiträge und Kommentare haben die Chance, am 30. April auf dem Podium direkt in die Diskussion mit den Experten einzufließen.

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Kommentare

  • "Das besondere Problem auf der EU-Ebene ist, dass eine echte Parteipolitik fehlt."

    Dieses Problem zeigt sich aktuell eindrucksvoll im Europawahlkampf, wie ich auch schon zum Statement von Prof. Heinig geschrieben habe. Die Parteien schaffen es leider nicht, die so wichtigen Europathemen dem Bürger näher zu bringen ... und verpassen erneut die Chance, eine breite europäische Öffentlichkeit mitzunehmen. Man weiß einfach nicht: wofür stehen die Parteien eigentlich in der Europapolitik, wie auch Jill schreibt. Wir kennen ja noch nicht mal richtig die Inhalte der Spitzenkandidaten ... es scheint so, als ob Ende Mai quasi wieder über nationale Politik abgestimmt wird.

  • Ich habe dazu zwei Fragen:

    Erstens: Könnten Sie erläutern, inwiefern Norwegen weniger Kontrolle über die Globalisierung hat als Dänemark? Der zunehmende Abbau des Einstimmigkeitsgrundsatzes führt doch dazu, dass einzelne Staaten keine Vetomacht mehr haben und sich in wesentlichen Teilen die EU-Gesetzgebung hinnehmen müssen. Dagegen kann Norwegen zumindest theoretisch machen was es will, die Schweiz als nicht-EU-Land macht es ja in letzter Zeit vor (unabhängig von positiven oder negativen Folgen für die Volkswirtschaft).

    Zweitens: Beim Thema Wahlprogramme würde ich mal provokativ fragen wo für mich als (hypothetischen) CDU-Wähler das Wahlprogramm umgesetzt wurde, wenn ich in Deutschland jetzt Mindestlohn, Rentenerhöhungen und Frauenquote habe. Ein Wahlprogramm ist für mich nicht mehr und nicht weniger als eine inhaltliche Positionierung einer Partei die sie für mich mehr oder weniger wählbar macht und kein umsetzbares Regierungsprogramm. Das sollte also auf Bund- und Europaebene gleich gut funktionieren.

  • John Worth schreibt, wir hätten auf EU-Ebene "mehr oder weniger Wahlprogramme". Einmal abgesehen von den Parteien, die als eindeutig europaskeptisch auftreten, sind die europapolitischen Positionen der großen Volksparteien bekannt? Oder müssten sie nicht im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament ihr Programm für die EU stärker transparent machen?

    • das sehe ich ebenso - und mal ab von der tatsache, dass schumpeter doch vor allem einen endogenen volkswillen beschrieben hat und seiner theorie eine marktwirtschaftlich ausgelegte variante des politischen prozesses unterliegt, die nur wenig sinn für partizipation beinhaltet verstehe ich das letzte argument nicht ganz. haben wir also einfach garkeine kontrolle?