Steuerhinterziehung

Die Schweiz galt lange als idealer Ort, Geld vor deutschen Finanzbehörden zu verbergen. Doch das Schweizer Bankgeheimnis bekommt Risse.Die Schweiz galt lange als idealer Ort, Geld vor deutschen Finanzbehörden zu verbergen. Doch das Schweizer Bankgeheimnis bekommt Risse. ©picture alliance/dpa

Noch ringen Bund und Länder um schärfere Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung. Prominente Einzelfälle fachen die Debatte immer wieder neu an. Von Alexander Wragge

Laufende Debatte zum Thema:

Prominente Fälle

Die Debatte über Steuerhinterziehung erlebt regelmäßig ihr Comeback, wenn Prominente in Verdacht geraten. Ein Überblick zu den aktuellen Promi-Fällen - von Hoeneß bis Schwarzer.

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Andreas Brehme: Aktuell wird der frühere Fußballnational-Spieler Andreas Brehme verdächtigt, Steuern hinterzogen zu haben. Ein anonymer Anbieter einer Steuer-CD behauptet laut Süddeutscher Zeitung, Brehme habe in der Schweiz ein Konto gehabt. Die CD mit Kontodaten von Kunden der Privatbank BHF in Zürich soll auch Wuppertaler Steuerfahndern vorliegen. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung sagte Brehme: „Ich muss Sie enttäuschen“. Er habe kein Konto bei der BHF in Zürich gehabt. Brehme wurde 1990 mit der deutschen Nationalelf Weltmeister.


Alice Schwarzer: Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ machte bekannt: die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hat sich 2013 wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt. Schwarzer erklärte, sie habe seit den 1980er Jahren ein Konto in der Schweiz gehabt, die Erträge aber zunächst nicht versteuert. Im Zuge der Selbstanzeige habe sie für die letzten zehn Jahre rund 200.000 € Steuern nachgezahlt, plus Säumniszinsen. Der Fall sei damit auch aus Sicht der Steuerbehörde bereinigt. Spiegel Online berichtet dagegen, das Verfahren gegen Schwarzer sei noch nicht abgeschlossen. Die Finanzbehörden prüften noch, ob Schwarzers Selbstanzeige vollständig ist.

Auch gibt es neue Berichte über die Umstände des Falls. Die Schweizer SonntagsZeitung meldet, nach eigener Recherche habe Schwarzer zuletzt 3,5 Millionen Euro bei der Zürcher Privatbank Lienhardt & Partner angelegt. Deutsche Medien waren bisher von einem Schwarzgeld-Depot von 1,5 bis 2 Millionen Euro ausgegangen. Die Bank wirbt mit dem Slogan: „Wenn bei uns jemand eine CD klaut, kann höchstens klassische Musik darauf sein“. Das Geld brachte Schwarzer laut SonntagsZeitung im Auto über die Grenze.

Besonderes Aufsehen erregte Schwarzers Begründung für die Tat. Sie habe auf das Konto in einer Zeit eingezahlt, „in der die Hatz gegen mich solche Ausmaße annahm, dass ich ernsthaft dachte: Vielleicht muss ich ins Ausland gehen“. Diese Argumentation steht scharf in der Kritik. So kommentiert etwa der Journalist Alexander Marguier vom Debatten-Magazin Cicero: „Der damit unausgesprochene Vergleich zur Judenverfolgung im Dritten Reich macht nicht nur die Dimension des Schwarzerschen Wahns deutlich, sondern es ist ein geradezu niederträchtiger Versuch der Reinwaschung...“.

Hinter der Veröffentlichung der Selbstanzeige vermutet Schwarzer gezielte Rufschädigung. Diesen Vorwurf weist der Spiegel-Journalist Jürgen Dahlkamp zurück. Die „Bigotterie eines ehemaligen Vorbilds“ rechtfertigt, Dahlkamp zufolge, die öffentliche Berichterstattung. In der Debatte meldet sich auch die Redaktion der Zeitschrift Emma zu Wort, die von Schwarzer herausgegeben wird. „Wir finden es frappierend und schockierend, mit welcher Wucht hier versucht wird, das Lebenswerk von Alice Schwarzer zu diskreditieren“, heißt es in der Stellungnahme.

Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern, ist wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden (13. März 2014). Zwar hatte sich Hoeneß wegen Steuerhinterziehung im Januar 2013 selbst angezeigt, allerdings stufte das Landgericht München die Selbstanzeige als ungültig ein. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gefordert. Uli Hoeneß gab in einer Erklärung bekannt, auf eine Revision gegen das Urteil zu verzichten. "Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung", so Hoeneß. "Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens. Den Konsequenzen dieses Fehlers stelle ich mich." Zugleich trat Hoeneß von seinen Ämtern als Präsident und Aufsichtsratschef des FC Bayern München zurück. Auch die Staatsanwaltschaft legte keine Revision gegen das Urteil ein. Den Strafverteidiger Rainer Pohlen verwundert der Ablauf des Prozesses und die Milde des Urteils. "Anders als viele andere Kommentatoren habe ich nicht den Eindruck, dass der Prozess gegen Hoeneß den Beweis geliefert hat, dass unser Rechtsstaat funktioniert. Im Gegenteil."

Zunächst war die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass Hoeneß bei Finanzgeschäften über Schweizer Konten 3,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat. Im Prozess stellte sich aber heraus: es waren 27,2 Millionen Euro. Am ersten Prozesstag legte Hoeneß ein Geständnis ab (Erklärung im Volltext). Hoeneß erklärte: "Mit ist klar, dass mir nur absolute Steuerehrlichkeit hilft. (...). Ich bin froh, dass jetzt alles transparent auf dem Tisch liegt. Mein Fehlverhalten bedauere ich zutiefst. Sämtliche Steuern werde ich natürlich zahlen. Ich werde alles dafür tun, dass dieses für mich bedrückende Kapitel abgeschlossen wird." Hoeneß sagte, er habe mit seinem Geld bei der Zürcher Vontobel-Bank spekuliert: "Ich habe gezockt und war verrückt". Insgesamt habe er aber keinen Gewinn gemacht: "Ich musste leider feststellen, dass sich die Spekulationen in dem fraglichen Zeitraum unter dem Strich nicht gelohnt haben." Zu seiner Verteidigung führt Hoeneß sein soziales Engagement an: "Ich bin aber kein Sozialschmarotzer, ich habe fünf Millionen an soziale Einrichtungen gegeben, 50 Millionen Steuern gezahlt."

Hoeneß bot schon nach Bekanntwerden seiner Tat seinen Rücktritt als Aufsichtsratschef der Bayern München AG an, was der Aufsichtsrat allerdings im Herbst 2013 einvernehmlich ablehnte (Erklärung im Volltext). Man müsse keine "zero tolerance"-Politik gegenüber Hoeneß verfolgen.

André Schmitz-Schwarzkopf (SPD) - in der Kurzform meist André Schmitz genannt - verlor im Zuge einer Steueraffäre Anfang 2014 sein Amt als Berliner Kulturstaats-Sekretär. Schmitz hatte über ein Konto in der Schweiz 22.000 Euro Steuern hinterzogen. Das Verfahren wurde bereits 2012 nach einer Nachversteuerung und gegen Zahlung einer Geldbuße von 5000 Euro eingestellt. Öffentlich wurde der Fall erst Anfang 2014. Obwohl Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) offenbar schon 2012 von dem Vorgang wusste, hielt er Schmitz im Amt und leitete auch kein Disziplinarverfahren ein. Wowereit rechtfertigt sein Verhalten als „Frage der Loyalität“. „Ich stehe zu dieser Entscheidung von damals.“

Helmut Linssen, ehemaliger nordrhein-westfälischer Finanzminister, zieht sich im Zuge einer Steueraffäre von seinem Amt als Bundesschatzmeister der CDU zurück. Recherchen des Stern zufolge hatte Linssen in den späten 1990er-Jahren mehrere Hunderttausend Deutsche Mark in Steueroasen deponiert – zunächst in Luxemburg, dann auf den Bahamas und in Panama. Offen bleibt allerdings, ob Linssen Steuern hinterzogen hat. Wegen der Verjährungsfristen hatten die Behörden 2012 ein Strafverfahren gegen ihn eingestellt. Er selbst erklärt, er habe keine Steuern hinterzogen. Bei dem Geld habe es sich um privates Vermögen seiner verstorbenen Eltern gehandelt, das die Familie steuerlich korrekt erwirtschaftet habe. Im Ausland hat Linssen nach eigenen Angaben mit dem Vermögen bewusst keine Gewinne erzielt, die zu versteuern gewesen wären. „Ich habe korrekt gehandelt, aber ich tue mir diese Hatz nicht länger an“, begründete Linssen seinen Rücktritt.

Die Grünen hatten Linssen aufgefordert, seine Geldtransfers auf den Bahamas und Panama aufzuklären. Seine bisherigen Erklärungen reichten nicht aus. „Gerade ein CDU-Schatzmeister und ehemaliger Landesfinanzminister müsste wissen, dass es sich bei Schwarzgeldkonten um kein Kavaliersdelikt handelt", so Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.

Seinen Posten als Finanzvorstand der Essener RAG-Stiftung will Linssen trotz der Steueraffäre behalten, für den er laut einem Medienbericht jährlich 650.000 Euro erhält. Die Stiftung steuert die sozialverträgliche Beendigung des Steinkohlenbergbaus in Deutschland, der ab 2018 nicht mehr subventioniert wird. Auch soll sie für die ökologischen Folgekosten aufkommen, etwa für das Abpumpen der Gruben. Das Kuratorium der Stiftung könnte am 7. April 2014 beraten, ob Linssen sein Amt behalten kann. [weniger anzeigen]


Was ist Steuerhinterziehung?

Das deutsche Steuerstrafrecht kennt im Grunde nur ein zentrales Vergehen: die Steuerhinterziehung (siehe § 370 AO). Sie liegt bereits vor, wenn Bürger ihre Steuern verspätet oder nicht in voller Höhe zahlen.

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In schweren Fällen verschweigen die Täter jahrzehntelang hohe Einkommen oder fälschen Dokumente, um dem Fiskus Steuern vorzuenthalten. Bei Steuerhinterziehung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren. Allerdings werden Gefängnisstrafen nur in schweren Fällen verhängt. Wenn der Schaden für den Fiskus unter 50.000 Euro liegt, bleibt es bei Geldstrafen. Ab 100.000 Euro ist mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Wer mehr als eine Million Euro hinterzieht entgeht einer Freiheitsstrafe nur noch, wenn besonders mildernde Umstände vorliegen.


Unabhängig von der Strafverfolgung drohen berufliche Folgen. Zuletzt bestätigte das Arbeitsgericht Kiel: Steuerhinterziehung kann eine Kündigung rechtfertigen.

Nach fünf Jahren ist Steuerhinterziehung in der Regel strafrechtlich verjährt. Nur in besonderen Fällen kann die Frist zehn Jahre betragen. Eine umstrittene Besonderheit des Steuerrechtstrafrechts ist die Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige. [weniger anzeigen]


Was regelt die strafbefreiende Selbstanzeige?

Steuerhinterziehung ist hierzulande das einzige Vergehen, bei dem Täter unter bestimmten Voraussetzungen einer Bestrafung entgehen können, indem sie sich selbst anzeigen.

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Die Selbstanzeige ist in § 371 der Abgabenordnung geregelt. Das Prinzip geht bis ins Jahr 1919 zurück. Für die strafbefreiende Selbstanzeige bedarf es einer Korrektur der Tathandlung. So müssen die Betreffenden falsche oder unvollständige Angaben berichtigen, und die hinterzogenen Steuern nachzahlen – plus sechs Prozent Zinsen. Bleibt die Selbstanzeige unvollständig – werden also beispielsweise bestimmte Schwarzgelder weiterhin verschwiegen – ist sie im Ganzen unwirksam.
Ab 50.000 Euro Schaden wird die strafbefreiende Selbstanzeige kostspieliger. Das Strafverfahren wird nur dann eingestellt, wenn der Steuerbetrüger noch einmal zusätzlich fünf Prozent der hinterzogenen Steuern an den Fiskus zahlt.

Die strafbefreiende Selbstanzeige ist auch eine Frage des Timings. Wenn beispielsweise das Finanzamt bereits eine Prüfung angekündigt hat, kommt sie zu spät. Auch wenn die Behörden die Tat zumindest teilweise schon entdeckt haben und der Steuerhinterzieher davon erfährt, ist die Selbstanzeige unwirksam.

2013 zeigten sich nach Angaben der Finanzministerien aller 16 Bundesländer mehr als 24.000 Bürger selbst wegen Steuerhinterziehung an – die Rangliste führen Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern an. Das ist eine Verdreifachung gegenüber 2012. Experten gehen davon aus, dass sich der „Boom“ der Selbstanzeigen auch 2014 fortsetzt – wohl auch weil der Fahndungsdruck durch den Ankauf von sogenannten Steuer-CD's (siehe Abschnitt unten) gestiegen ist. Auch rufen Schweizer Banken ihre deutschen Kunden auf, die Legalität ihrer Guthaben in der Schweiz nachzuweisen oder sich gegebenenfalls selbst anzuzeigen. Seit dem Jahr 2010 beliefen sich die Einnahmen des Staates im Rahmen von etwa 60 000 Selbstanzeigen auf rund 3,5 Milliarden Euro. [weniger anzeigen]


Inwiefern steht die Selbstanzeige zur Debatte?

Bund und Länder überlegen, die Regeln für die strafbefreiende Selbstanzeige zu verschärfen. Gestritten wird – auch SPD-intern – über neue Schwellenwerte und Verjährungsfristen.

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Derzeit verhandeln Bundesländer darüber, ob und wie die Regelung zur strafbefreienden Selbstanzeige zu reformieren sind. Noch im März 2014 wird mit politischen Empfehlungen der zuständigen Finanzministerkonferenz (FMK) gerechnet. Eine vorbereitende Arbeitsgruppe von Fachbeamten warnt Presseberichten zufolge in einem internen Papier davor, das Instrument ganz abzuschaffen. Norbert Walter-Borjan (SPD), Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, das derzeit der FMK vorsteht, sieht in dem internen Papier allerdings nur eine „Diskussionsgrundlage“.


Auf Grundlage der Beschlüsse der Länderfinanzminister könnte die Bundesregierung tätig werden. Denn im Koalitionsvertrag von SPD und Union heißt es, man werde „im Lichte des ausstehenden Berichts der Finanzministerkonferenz (FMK) die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige weiterentwickeln, sofern hierfür Handlungsbedarf aufgezeigt wird.“

Für die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige plädieren bisher vor allem SPD-Bundespolitiker, so etwa SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Es brauche „dringend neue Signale für Steuerehrlichkeit“, so Fahimi gegenüber dem Deutschlandfunk. SPD-Vizechef Ralf Stegner steht hinter Fahimis Initiative. Die Strafbefreiung der Selbstanzeige sei „ein Relikt feudaler Gesinnung“. „Das schützt in der Tendenz die Reichenkriminalität.“ Bei den meisten Steuerbetrügern, die sich dem Fiskus offenbarten, könne man „nicht von Reue reden, sondern von Angst vor dem Knast“, so Stegner. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel argumentiert, die Strafbefreiung habe nicht zum Rückgang von Steuerhinterziehung geführt, sondern „letztlich nur den Täter vor Bestrafung bewahrt“.

Allerdings wollen SPD-Landespolitiker das Instrument der Selbstanzeige nicht ganz abschaffen. „Wir brauchen volle Kassen, nicht volle Gefängnisse“, sagt etwa der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD). „Ja zur Selbstanzeige und den Fahndungsdruck erhöhen – das ist der richtige Weg.“ Die Vorschläge aus der SPD sind vielfältig. Zur Debatte steht:

eine Strafbefreiung nur noch bis zu einer hinterzogenen Summe von 50.000 Euro zu gewähren (Nordrhein-Westfalens SPD-Finanzminister Norbert Walter-Borjans) oder bis zu einer Summe von 100.000 Euro (Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Torsten Albig);

eine Anhebung der Strafzahlungen für Steuerbetrüger etwa von fünf auf zehn Prozent der hinterzogenen Summe (Niedersachsens SPD-Finanzminister Peter-Jürgen Schneider).

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will grundsätzlich an der strafbefreienden Selbstanzeige festhalten. „Überzeugende Gründe für eine Abschaffung des Instruments als solches sehe ich nicht“, sagte Schäuble der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Schäuble zeigt sich allerdings offen für höhere Strafzahlungen, wenn die hinterzogene Summe über 50.000 Euro hinausgeht. Dass Strafzahlungen – zusätzlich zu den Verzugszinsen – erst ab der Schwelle von 50.000 Euro fällig werden, will Schäuble aber nicht ändern.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) schlägt vor, dass eine Selbstanzeige ab einem hinterzogenen Betrag von 500.000 Euro nicht mehr vollständig vor Strafe schützt. Die Strafzuschläge könnten sich auf zehn Prozent verdoppeln.

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Walter-Borjans (SPD) stellt außerdem zur Debatte, die Verjährungsregeln bei der Selbstanzeige neu zu gestalten. „Wenn der Eindruck entsteht, dass man durch Verjährung und spätere Selbstanzeige besser wegkommt, als wenn man von Anfang an ehrlich gewesen wäre, ist das auch ein fataler Eindruck“, so Walter-Borjans im Interview mit der WirtschaftsWoche. Der bayerische Finanzminister Söder (CSU) kann die Verdreifachung der üblichen Verjährungsfrist auf 15 Jahre vorstellen.

Widerspruch kommt allerdings von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Eine rückwirkende Aufhebung der Verjährungsfristen bei Steuerhinterziehung sei vermutlich schon wegen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbotes unmöglich. Auch seien für Uralt-Zeiträume keine Akten mehr vorhanden, da diese entsprechend den Vernichtungsvorschriften bereits im Aktenschredder vernichtet worden seien. [weniger anzeigen]


Was denken die Bürger zur strafbefreienden Selbstanzeige?

Einer ARD-Umfrage (Februar 2014) zufolge stimmt eine knappe Mehrheit der Bürger dem Instrument zu. 39 Prozent der Befragten finden die bisherige Reglung richtig.

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Allerdings plädieren fast genauso viele Umfrageteilnehmer - 35 Prozent - für die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige. Knapp ein Viertel (23 Prozent) hält die Straffreiheit nur in Bagatellfällen für angemessen. [weniger anzeigen]

Sollte es mehr Steuerfahnder geben?

Die SPD fordert, die Finanzämter im Kampf gegen Steuerhinterziehung zu stärken. Die Personalausstattung ist allerdings Sache der Länder - und die stehen vor einem Problem.

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Immer wieder zur Debatte steht, die Zahl der Steuerfahnder zu erhöhen, um Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen. Bereits im Herbst 2013 sagte Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft: „Wir bräuchten im Minimum 11.000 bis 15.000 Leute zusätzlich“. Die Länder sparten hier fahrlässig, denn jeder Prüfer bringe ein Vielfaches dessen, was er koste. Die Steuer-Gewerkschaft vertritt die Interessen der Mitarbeiter in den Finanzverwaltungen. Aktuell drängt auch die SPD auf eine Stärkung der Finanzbehörden in den einzelnen Bundesländern. Hessen und Baden-Württemberg haben bereits die Einstellung neuer Finanzbeamter angekündigt.


Allerdings lohnt es sich speziell für die finanzstarken Länder wie Bayern und Baden-Württemberg nicht unbedingt, zusätzliches Personal für die Steuerfahndung einzustellen. Der Grund: sie tragen zwar die Personalkosten, müssen aber die Mehreinnahmen fast vollständig an ärmere Bundesländer abgeben. Verantwortlich ist der Länderfinanzausgleich. „Der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form beeinträchtigt die Effizienz der Steuerverwaltung in den Ländern erheblich“, sagt Martin Altemeyer-Bartscher, der für das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) eine Studie zum Thema mitverfasst hat.

Die Forderung der Grünen, die Zuständigkeit für die Steuern von den Ländern weg auf eine Bundessteuerverwaltung zu übertragen, fand bislang kein großes Echo. [weniger anzeigen]


Welchen Schaden richtet Steuerhinterziehung an?

Wie viel Geld dem Staat durch Steuerhinterziehung verloren geht, lässt sich naturgemäß nur schwer abschätzen. Schließlich fehlt eine solide Datengrundlage. Einige Organisationen probieren es trotzdem - mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

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Das Schwarzgeld deutscher Steuerhinterzieher bleibt nicht nur dem Fiskus verborgen. Auch die Öffentlichkeit kann das Ausmaß des Problems nur schwer einordnen. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft schätzt den jährlichen Einnahmeausfall für den deutschen Staat auf rund 40 bis 50 Milliarden Euro. Das internationale Netzwerk Steuergerechtigkeit rechnet dagegen mit jährlichen Verluste für Deutschland von 215 Milliarden Dollar (159 Milliarden Euro) an.


Die EU-Kommission schätzt die jährlichen EU-weiten Steuerausfälle auf eine Billion Euro. Allerdings bezieht sich diese Zahl nicht nur auf die illegale Steuerhinterziehung durch Privatpersonen, sondern auch auf die legale Steuervermeidung. So können beispielsweise Unternehmen eine internationale Konzernstruktur aufbauen, bei der die zu versteuernden Gewinne ausschließlich in Steueroasen anfallen. Die EU-Kommission schätzt, dass dem deutschen Staat durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung jährlich rund 160 Milliarden Euro verloren gehen.

Im Vagen bleibt, wie viel unversteuertes Geld deutsche Bürger im Ausland deponiert haben. Der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft Thomas Eigenthaler schätzt, dass Deutsche mehr als 400 Milliarden Euro Schwarzgeld im Ausland deponiert haben. Allerdings bleibt unklar, wie diese Zahl zustande kommt.

Das Bundesfinanzministerium zeigt sich mit Blick auf die zahlreichen Schätzungen sehr skeptisch. „Zu nicht entdeckten Fällen von Steuerhinterziehung liegen naturgemäß keine Daten vor", so ein Sprecher. "Wegen der fehlenden Datenbasis werden Schätzungen zu Ausfällen durch Steuerhinterziehung insgesamt vom Bundesfinanzministerium nicht vorgenommen."

Der Steuerrechtler Klaus Tipke (Universität Köln) kritisert, die Politik agiere beim Thema Steuerbetrug mit Phantasiezahlen. [weniger anzeigen]


Worum geht es beim Ankauf von Steuer-CDs?

Deutschen Finanzämtern fällt es oft schwer, Geldtransfers in Steueroasen zu überprüfen. Ein Weg, Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen, ist der staatliche Ankauf von Bankdaten.

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2006 kauften Behörden erstmals CDs mit Daten über Auslandskonten von rund 800 deutschen Steuerpflichtigen. Für die CDs erhielt ein früherer Mitarbeiter der LGT-Finanzgruppe in Liechtenstein rund 4,6 Millionen Euro. Die Daten offenbarten unter anderem, dass der ehemalige Deutsche Post-Chefs Klaus Zumwinkel knapp 970.000 Euro Steuern hinterzogen hatte. 2009 verurteile ein Gericht Zumwinkel zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.


Inzwischen ist der Ankauf von Bankdaten – vor allem aus der Schweiz – gängige Praxis (siehe Chronologie auf Focus Online). Die Kosten der CD-Käufe tragen Bund und Länder gemeinsam.

Umstritten bleibt, ob der Datenkauf durch deutsche Behörden legal ist. In der Schweiz und in Liechtenstein verletzt der Diebstahl der Kundendaten das Bankgeheimnis. Die Anbieter der Daten haben sich also unter Umständen in diesen Ländern strafbar gemacht. Allerdings dürfen deutsche Ermittlungsbehörden die Daten kaufen und als Beweismittel verwenden. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2010 klargestellt. Der „Datendiebstahl“ sei der Bundesrepublik Deutschland nicht zuzurechnen.

Die Schweiz sieht das anders und hat 2012 einen nationalen Haftbefehl gegen drei deutsche Steuerermittler erlassen. Der Vorwurf: Beihilfe von Wirtschaftsspionage und Verstoß gegen das Schweizer Bankgeheimnis. Die drei Beamten sollen 2010 zum Datendiebstahl bei der Schweizer Großbank Credit Suisse angestiftet haben. Der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber erklärte: „Es besteht der konkrete Verdacht, dass aus Deutschland klare Aufträge gegeben worden sind zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse.“ Ein Rechtshilfeersuchen der Schweizer ließ Deutschland allerdings unbeantwortet. Internen Dokumenten der Credit Suisse zufolge ging die Bank offenbar selbst davon aus, dass mehr als 80 Prozent ihrer deutschen Kunden unversteuertes Geld angelegt hatten.

Finanzbehörden haben von vermehrten Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung berichtet, nachdem der Kauf von „Steuer-CDs“ bekannt wurde. Darin sieht unter anderem Nordrhein-Westfalen (NRW) den großen Erfolg dieser Praxis. Die Auswertung der Selbstanzeigen habe NRW bislang zusätzliche Einnahmen von insgesamt mehr als 670 Millionen Euro gebracht, erklärte das Finanzministerium im April 2013. „Steuerhinterzieher müssen mehr denn je damit rechnen, entdeckt zu werden“, so Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). „Bis wir auf internationaler Ebene zu einem wirksamen automatischen Informationsaustausch kommen, ist dieses Instrument unverzichtbar.“ Bislang verweigern einige Länder einen automatischen Informationsaustausch mit deutschen Finanzbehörden, etwa die Schweiz und Liechtenstein.

Allerdings hat der Schweizer Bundesrat Mitte 2013 angekündigt, im Rahmen der OECD aktiv an der Entwicklung eines globalen Standards für den automatischen Informationsaustausch zur "Sicherung der Steuerkonformität ausländischer Vermögensverwaltungskunden" mitzuarbeiten. Zuvor war ein geplantes Steuerabkommen mit Deutschland gescheitert. Auch Liechtenstein will sich dem automatischen Informationsaustausch künftig nicht mehr verweigern. [weniger anzeigen]


Worum geht es beim Steuerabkommen mit der Schweiz?

Ein geplantes Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz ist 2013 gescheitert. SPD-Politiker erwägen nun einen neuen Anlauf...

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Jahrzehntelang galt die Schweiz als sicherer Hafen für unversteuerte Gelder aus Deutschland. Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, schätzt, dass in der Schweiz 150 Milliarden Euro Schwarzgeld aus Deutschland liegen.


Seit 2011 verhandelten Deutschland und die Schweiz ein bilaterales Abkommen, um die Steuerhinterziehung über Schweizer Konten zu beenden. Das komplexe Abkommen sah unter anderem eine anonyme und endgültige Nachversteuerung von Schwarzgeld vor – zu Sätzen zwischen 21 und 41 Prozent. Auch sollte die Zusammenarbeit zwischen deutschen und Schweizer Behörden die künftige Steuerhinterziehung verhindern. Zwar billigte das Schweizer Parlament das Abkommen, in Deutschland scheitert es allerdings 2013 am Widerstand von SPD und Grünen im Bundesrat.

Die SPD kritisierte, am geplanten Abkommen, es würde Steuerhinterziehung legalisieren und Steuerbetrüger nachträglich noch belohnen. Die Unionsparteien warfen den rot-grün geführten Bundesländern vor, sie verzichteten aus Wahlkampftaktik auf Milliardeneinnahmen. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums erklärte im November 2013: "Das Abkommen, das wir hatten, ist tot".

Im Zuge des Steuerprozesses gegen den ehemaligen FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß forderten SPD-Politiker allerdings eine Neuaufnahme der Verhandlungen. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte nach dem Urteil: "Hoeneß-Richter Heindl hat es auf den Punkt gebracht: Steuerhinterziehung ist ein Vorsatzdelikt. Dagegen helfen keine schwammigen Regeln, sondern nur ein weltweit flächendeckender Informationsaustausch zwischen Banken und Steuerbehörden. Wirklich lückenlose Absprachen mit der Schweiz wären ein wichtiger Meilenstein dahin." Der SPD-Vizevorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel will "einen neuen, aber engagierten Anlauf für ein Steuerabkommen mit der Schweiz". [weniger anzeigen]


Zuletzt aktualisiert am 18. März 2014


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