Hallo MisterEde, die Literatur zu den Ursachen der weltweiten Finanzkrise 2008/2009 füllt inzwischen halbe Bibliotheken und wie der Sieg hat auch die Niederlage viele Väter. Die Einführung des EURO unter den von Dir beschriebenen Bedingungen gehört aber wie Du richtig feststellst nicht dazu! Grund No 1 bleiben neben einigen anderen Ursachen nach meiner Ansicht nach wie vor die Subprime-Krise und die Niedrigzinspolitik der US Notenbank, die von den USA ausgingen.
Schauen wir uns zunächst den Euroraum an. Insbesondere Griechenland, Italien, Spanien und Portugal und bedingt auch Irland waren nach Einführung des EURO plötzlich in der Lage ihre strukturellen Defizite zu nie dagewesenen niedrigen Zinsen zu finanzieren. Im Fall Spaniens kam noch eine regional beschränkte Immobilienblase hinzu, im Fall Irlands eine gefährliche Kombination von völlig dereguliertem Bankensektor und dem Geschäftsmodell Niedrigsteuerland. Als 2009 in Folge der Subprime-Krise der Interbankenmarkt zusammenbrach und der internationale Kapitalmarkt innerhalb von Wochen völlig austrocknete, konnten diese Länder sich nur noch zu Phantasiezinsen refinanzieren und „voila“ wir hatten die Eurokrise.
Am Anfang aber stand die Subprime-Krise und die völlig verfehlte Politik der FED mit immer billigerem Geld völlig falsche Investitionsanreize zu schaffen, sowie Bernankes alchimistischer Traum aus Buchgeld richtiges Geld zu machen. Hier kommt dann auch die damals krisenauslösende Variante des Leveraging ins Spiel. So wie die meisten der vor der Subprime-Krise - gehandelten Finanzprodukte „geschneidert“ waren, verschwanden plötzlich jede Menge der sich sonst aus solchen Geschäften ergebenden Assets (Werte) völlig legal aus den Bilanzen der entsprechenden Banken. Und dies musste so sein, weil die sogenannten Basel I Vereinbarungen vorsahen, dass die Finanzierung dieser Assets durch 8% des Eigenkapitals gedeckt sein müssen. Daraus ergibt sich , wenn man den „Wert“ aller Assets mit 100 ansetzt, ein Leverage-Faktor von 12,5. Immer vorausgesetzt dieses Eigenkapital steht nicht nur in den Bilanzen, sondern ist auch wirklich vorhanden. Lehman-Brothers brachte es zum Schluss auf einen halsbrecherischen Leverage-Faktor von 30,7! Sehr vereinfachend gesagt ist Lehman-Brothers für 4 mal soviel Geschäfte Verbindlichkeiten eingegangen als es die Eigenkapitalseite seiner Bilanz erlaubt hätte. Weist nun die offizielle Bankbilanz ein normales Leverage wie oben aus (bei Lehman war dass so) und die Eigenkapitalrendite ist plötzlich 4 mal so hoch wie für ein solches Leverage vorhersehbar, dann kommt ein normaler Mensch ins Grübeln. Ein Investmentbanker tut das nicht, er ordert Champagner nach.
Sehr kompliziert und noch komplizierter zu erklären! Aber was noch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass wir eigentlich schon wieder da sind wo wir 2009 eigentlich aufhören wollten. Da die von der Deregulierungswelle nach Reagan und Thatcher ermöglichten „Bilanzbereinigungen“ bis heute im Wesentlichen unangetastet blieben, liegt der Leverage-Faktor inbesondere bei angelsächsischen Banken nach wie vor viel zu hoch. Dies ist z.B. ein Grund für die hektischen sogenannten “Banken-Stresstests“, die das Gegenteil beweisen sollen. Verschlimmert wird die Lage noch durch weitere Faktoren: FED und EZB (Bernanke läßt grüßen) „schmeißen“ weiter mit billigem Geld um sich und schaffen falsche Investitionsanreize, ein großer Teil der weltweiten Geldschöpfung hat sich auf den grauen Kapitalmarkt verschoben und ist so der Kontrolle der Zentralbanken entglitten und Börsen werden weiter als Casinos missverstanden. Dank High-Frequency-Trade hat sich die durchschnittliche Zeit, für die ein Aktie gehalten wird von 4 Jahren auf 2 Sekunden (!) in 2013 verringert, auch hier entsteht nur Buchgeld – und zwar billionenfach.