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These zu den Ursachen der Finanzkrise BIS 2009 (Bankenkrise)


wfabry (CC BY 2.0)


Ein Beitrag von MisterEde

„Hallo zusammen!“ Nachdem dies mein erster Beitrag hier bei Publixphere ist, möchte ich allseits einen munteren, angenehmen und informativen Dialog wünschen. Und nun in medias res.

These zu den Ursachen der Finanzkrise BIS 2009: Aus meiner Sicht ist weder die Einführung der Währungsunion ohne eine Vertiefung der politische Union noch das Platzen der Subprime-Blase in den USA die wesentlichste Ursache für die Banken- bzw. Finanzkrise, sondern das maßlose „Leveraging“ der Finanzbranche*. Keine größere Bank wäre 2009 in der Lage gewesen auch nur 3% ihrer Bilanzsumme als Verlust zu verkraften. Wäre die US-amerikanische Blase nicht geplatzt, hätte eben die nächste Blase die Politik vor das Problem einer bevorstehenden Kettenreaktion gestellt.

Das heißt nicht, dass die Konstruktion des Euros ohne politische Union bis 2009 keine Probleme verursacht hat. Die niedrigen Zinsen haben die Blasenbildung in einigen Ländern begünstigt und sicherlich wäre der Bankensektor ohne gemeinsame Währung, oder eben mit einer vereinheitlichten Besteuerung innerhalb der EU, in Irland nicht ganz so stark angewachsen. Meines Erachtens sollte aber auch ein Finanzwesen von sich aus so robust sein, dass es das Platzen einer Blase verkraftet, wie z.B. das Platzen der Dot-Com-Blase Anfang der 2000er oder der Blase bei Ost-Immobilien in den 90ern. Genau das aber konnte das Finanzwesen aufgrund des stark reduzierten Eigenkapitals nicht mehr leisten.

Ein Indiz für die wesentlich größere Rolle des „Leveraging“ als des Euros für die Finanzkrise bis 2009, sehe ich darin, dass es auch außerhalb der Eurozone zu zahlreichen Stützungsmaßnahmen für Banken gekommen ist.

Meine Frage nun: Wird diese Ansicht eher geteilt oder eher abgelehnt, z.B. der Euro als wesentlichere Ursache gesehen?

*Leveraging: Hebeln des Eigenkapitals mit Fremdkapital. Durch eine Erhöhung des Fremdkapitalanteils bei einer Investition oder Anlage, kann die Rendite des Eigenkapitals gesteigert werden.


Kommentare

  • Hallo MisterEde, die Literatur zu den Ursachen der weltweiten Finanzkrise 2008/2009 füllt inzwischen halbe Bibliotheken und wie der Sieg hat auch die Niederlage viele Väter. Die Einführung des EURO unter den von Dir beschriebenen Bedingungen gehört aber wie Du richtig feststellst nicht dazu! Grund No 1 bleiben neben einigen anderen Ursachen nach meiner Ansicht nach wie vor die Subprime-Krise und die Niedrigzinspolitik der US Notenbank, die von den USA ausgingen.

    Schauen wir uns zunächst den Euroraum an. Insbesondere Griechenland, Italien, Spanien und Portugal und bedingt auch Irland waren nach Einführung des EURO plötzlich in der Lage ihre strukturellen Defizite zu nie dagewesenen niedrigen Zinsen zu finanzieren. Im Fall Spaniens kam noch eine regional beschränkte Immobilienblase hinzu, im Fall Irlands eine gefährliche Kombination von völlig dereguliertem Bankensektor und dem Geschäftsmodell Niedrigsteuerland. Als 2009 in Folge der Subprime-Krise der Interbankenmarkt zusammenbrach und der internationale Kapitalmarkt innerhalb von Wochen völlig austrocknete, konnten diese Länder sich nur noch zu Phantasiezinsen refinanzieren und „voila“ wir hatten die Eurokrise.

    Am Anfang aber stand die Subprime-Krise und die völlig verfehlte Politik der FED mit immer billigerem Geld völlig falsche Investitionsanreize zu schaffen, sowie Bernankes alchimistischer Traum aus Buchgeld richtiges Geld zu machen. Hier kommt dann auch die damals krisenauslösende Variante des Leveraging ins Spiel. So wie die meisten der vor der Subprime-Krise - gehandelten Finanzprodukte „geschneidert“ waren, verschwanden plötzlich jede Menge der sich sonst aus solchen Geschäften ergebenden Assets (Werte) völlig legal aus den Bilanzen der entsprechenden Banken. Und dies musste so sein, weil die sogenannten Basel I Vereinbarungen vorsahen, dass die Finanzierung dieser Assets durch 8% des Eigenkapitals gedeckt sein müssen. Daraus ergibt sich , wenn man den „Wert“ aller Assets mit 100 ansetzt, ein Leverage-Faktor von 12,5. Immer vorausgesetzt dieses Eigenkapital steht nicht nur in den Bilanzen, sondern ist auch wirklich vorhanden. Lehman-Brothers brachte es zum Schluss auf einen halsbrecherischen Leverage-Faktor von 30,7! Sehr vereinfachend gesagt ist Lehman-Brothers für 4 mal soviel Geschäfte Verbindlichkeiten eingegangen als es die Eigenkapitalseite seiner Bilanz erlaubt hätte. Weist nun die offizielle Bankbilanz ein normales Leverage wie oben aus (bei Lehman war dass so) und die Eigenkapitalrendite ist plötzlich 4 mal so hoch wie für ein solches Leverage vorhersehbar, dann kommt ein normaler Mensch ins Grübeln. Ein Investmentbanker tut das nicht, er ordert Champagner nach.

    Sehr kompliziert und noch komplizierter zu erklären! Aber was noch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass wir eigentlich schon wieder da sind wo wir 2009 eigentlich aufhören wollten. Da die von der Deregulierungswelle nach Reagan und Thatcher ermöglichten „Bilanzbereinigungen“ bis heute im Wesentlichen unangetastet blieben, liegt der Leverage-Faktor inbesondere bei angelsächsischen Banken nach wie vor viel zu hoch. Dies ist z.B. ein Grund für die hektischen sogenannten “Banken-Stresstests“, die das Gegenteil beweisen sollen. Verschlimmert wird die Lage noch durch weitere Faktoren: FED und EZB (Bernanke läßt grüßen) „schmeißen“ weiter mit billigem Geld um sich und schaffen falsche Investitionsanreize, ein großer Teil der weltweiten Geldschöpfung hat sich auf den grauen Kapitalmarkt verschoben und ist so der Kontrolle der Zentralbanken entglitten und Börsen werden weiter als Casinos missverstanden. Dank High-Frequency-Trade hat sich die durchschnittliche Zeit, für die ein Aktie gehalten wird von 4 Jahren auf 2 Sekunden (!) in 2013 verringert, auch hier entsteht nur Buchgeld – und zwar billionenfach.

    • Hallo Nemo,

      danke für Ihre Antwort. Beim Euro sind wir einer Meinung, den können wir als Ursache für die Finanzkrise (zumindest bis 2009) ausklammern oder zumindest vernachlässigen.

      Bei der Subprime-Krise wird neben der Geld-Politik der FED auch häufig die Wirtschafts-Politik der USA, also z.B. große Anreize für Häuslebauer, oder die Art der Subprime-Produkte (Bündelung und Bewertung zum Fair Value) genannt, wenn es um die Ursachen der Subprime-Krise geht. Ohne dies näher zu bewerten ist klar, in den USA wurde die Blasenbildung gefördert und die entstandene Blase ist dann u.a. mit Lehman geplatzt.

      Mein Gedanke oder meine Frage ist nun: Müsste das Finanzwesen in Europa (oder in der EU oder in der Eurozone) nicht so stark sein oder gemacht werden, dass es solche externen Schocks verkraftet?

      Wenn wir den Euro ausschließen oder vernachlässigen, bleiben ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Subprime-Krise war so heftig, dass unser Finanzwesen gar nicht stabil genug sein konnte um das abzufangen, oder aber die Schuld lag bei einem zu instabilen Finanzwesen. Mein Standpunkt ist da explizit, dass ein Finanzwesen so etwas wie die Subprime-Krise aushalten können sollte. Daher stellt sich für mich die Frage, warum unser Finanzwesen nicht stabil genug war. Und hier komme ich auf das Leveraging.

      ^^Warum ich das Leveraging als wesentlichste Ursache sehe:^^

      Sie haben ja die Eigenkapitalanforderungen für Banken erwähnt. Allerdings sind es bei weitem keine 8% gewesen, die Banken vorhalten mussten. Die Deutsche Bank hatte am 31.12.2008 eine Bilanzsumme von 2,2 Billionen Euro bei 32 Milliarden Euro Eigenkapital, das entspricht so rund 1,5%. Das ist so lächerlich wenig, dass man die meisten Hasardeure dagegen als Sicherheitsfanatiker bezeichnen muss.

      https://geschaeftsbericht.deutsche-bank.de/2009/gb/konzernabschluss/konzernbilanz.html

      Nur für manche Anlageformen mussten 8% Eigenkapital hinterlegt werden. Viele Anlageformen hatten wesentlich niedrigerer Hinterlegungsanforderungen. Für hochgeratete Staatsanleihen musste genau 0% Eigenkapital hinterlegt werden. Die handelbaren und von Ratingagenturen als sehr sicher bewerteten Subprime-Produkte wurden ebenso bevorzugt.

      Ein wenig hat man gelernt und in „Basel 3“, also der Fortsetzung von „Basel 1“ und „Basel 2“, ab 2018 zusätzlich ein risikounabhängiges einheitliches Maß für die Eigenkapitalanforderungen an Banken vorgesehen, genannt „Leverage Ratio“, allerdings auch hier liegen die Anforderungen von 3% weit weg von 8%.

      Aus meiner oben genannten These „Leveraging ist die Hauptursache für die Finanzkrise BIS 2009“ ergibt sich bei anderer Formulierung die konkrete Frage: „Wäre das Finanzwesen ohne ein solch massives Leveraging stabil genug gewesen um die Auswirkungen der Subprime-Krise auf Europa abzufedern?“ Oder anders ausgedrückt: „Hätte eine höhere Eigenkapitalausstattung die Finanz- und Bankenkrise von 2009 in Europa verhindert?“

      ^^Weitere Ursachen:^^

      Neben dem Leveraging könnte aber auch die Verknüpfung der Banken untereinander die Hauptursache dafür sein, dass das Finanzwesen nicht stabil genug war. Das allerdings kann meines Erachtens nur am Ende eine mögliche Kettenreaktion verstärkt haben, so dass noch mehr Banken in Schieflage geraten sind, nicht jedoch, dass zuvor schon viele Banken in Europa um ihre Existenz bangten. Auch die falsche Risikobewertung durch Rating-Agenturen oder durch Banken ist meines Erachtens nicht die Hauptursache, weil es bei solchen Erwartungswerten in der Natur der Sache liegt, dass diese eben auch hin und wieder von den tatsächlichen Ergebnissen abweichen. Genau das abzufedern ist meines Erachtens die Aufgabe einer Bank, zumindest bis zu einem gewissen Grad und dieser Grad sollte eben nicht schon durch das Platzen einer Blase außerhalb Europas erreicht werden. Anders ausgedrückt, die Ratingagenturen haben eine Rolle bei der Subprime-Krise gespielt, aber nicht für das Versagen des europäischen Finanzwesens. Auch die internationalen Rechnungslegungsstandards mit der Fokussierung auf den „Fair Value“ könnten eine wesentliche Ursache für die Finanzkrise sein. Allerdings denke ich, wenn es durch die Bewertungsstandards zu größeren Schwankungen in den Bankbilanzen kommt, müsste dies einfach entsprechend mit einer Verringerung des Leveraging einhergehen, also entsprechend mehr Eigenkapital vorgehalten werden.

      ^^Wenn die These zum Leveranging stimmt:^^

      Wenn die Ursachenanalyse stimmt und tatsächlich das Leveraging eine wesentliche Ursache für die Finanzkrise bis 2009 bzw. bis zur Bankenrettung ist, dann muss vor Allem auf eine deutlich bessere Eigenkapitalausstattung der Banken hingearbeitet werden. Im Grunde halte ich es für möglich, dann in 5 Jahren wieder ein stabiles und in 10 Jahren das stabilste Finanzsystem der Welt zu haben. Damit wäre in Europa noch nichts an den anderen Krisen und Problemen gemacht, aber zumindest würde sich eine solche massive Bankenkrise mit Bankenrettungen quer durch Europa nicht mehr wiederholen.

      ^^Der Gedanke der dahinter steckt:^^

      Wenn die Banken in Europa nicht für einen größeren Hebel das Eigenkapital so massiv reduziert hätten, wäre es vermutlich in Europa gar nie zu jener Bankenrettung gekommen. Vielleicht hätte man die eine oder andere Bank schließen müssen, weil das Eigenkapital durch die Verluste aufgebraucht worden wäre, aber man hätte nicht noch Geld nachschießen müssen. Wäre das Finanzwesen stabil genug, ist es auch egal, wenn der Bankensektor in einem Land überproportional groß ist. Klar, die Banken hätten Leute entlassen, Dividenden und Boni wären weggefallen, die Aktienkurse der Banken wären eingebrochen, aber am Ende wären einfach die europäischen Banken um vielleicht 200 Milliarden Euro Eigenkapital ärmer gewesen, aber eben mehr auch nicht. Das wäre ein Bruchteil dessen, was uns Bankenrettung, Staatenrettung und in manchen Ländern 5 Jahre Rezession gekostet haben und noch kosten werden.

      Um das alles in einen Satz zu packen: „Wenn Banken too big too fail sind, dann muss die Konsequenz sein, dass wir die Banken eben auch too strong too fail machen!“

  • Hallo MisterEde, ein paar Gedanken von meiner Seite: 1. das Leverage Ratio der Banken ist in den Jahren vor der Krise angestiegen aber schon einige Jahre vor 2007/8 sehr hoch gewesen. Die europäischen Banken hatten damals höhere Leverage Ratios als die amerikanischen. Wenn das Leverage Ratio wirklich die Ursache war, warum begann die Krise Ende 2007 und nicht schon früher? Und warum begann sie in den USA, wo die Banken WENIGER gelevered waren als in Europa? Die Kapitalanforderungen an Banken sind heute höher als sie es 2007 waren , weil es Konsens ist, dass sie nicht ausreichend kapitalisiert waren. Besser kapitalisierte Banken hätten die Krise wahrscheinlich weniger tief gemacht, aber nicht verhindert. Hohe Leverage Ratios waren ein Katalysator aber nicht die Ursache. 2. Ab 2010 gab es in Europa eine Krise, die in anderen Regionen nicht auftrat und die allgemein als Sovereign Krise bezeichnet wird. Deren Ursachen sind rein europäischer Natur und von der Subprimekrise 2007 zu trennen. Die Einführung des Euro an sich war nicht der Auslöser aber ein System, welches a) unabhängige Fiskalpolitik b) einheitliche Zinsen und c) keine Sovereign Bail Outs hat, ist in Krisen nicht stabil. Daher waren und sind weiterhin institutionelle Veränderungen in Europa notwendig, um eine Wiederholung der Sovereignkrise zu vermeiden. 3. Die Fed unter Ben Bernanke hat nach der Lehman Pleite als das Vertrauen in das Finanzsystem zusammengebrochen ist, mit billigem Geld und Quantitative Easing (Käufen von Wertpapieren auf die Bilanz der Fed) die Kreditvergabe im Gang gehalten und ein noch stärkeres Übergreifen auf die Realwirtschaft verhindert. 1929-1936 als die Fed keine lockere Geldpolitik verfolgt hat, um die große Depression zu lindern ist das GDP der USA 40% (!) eingebrochen, nach 2007 nur etwa 5%. Die aktuelle Niedrigzinspolitik führt sicherlich zu nicht optimal allokiertem Kapital aber alle anderen Politikoptionen wären sehr viel teurer geworden für die Gesellschaft.

    • Hallo Poundstone, danke für deinen Beitrag.

      Vorne weg wegen der Begrifflichkeit „Leverage-Ratio“. Ich drücke das immer als Prozent der Bilanzsumme aus, also 3% Leverage-Ratio = 3% Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme. In dem Fall heißt dann eine höhere Leverage-Ratio mehr Eigenkapital. Ganz sicher bin ich mir nicht, ob das so auch die gängige Variante ist. Sie verwenden es, wenn ich es richtig verstehe, andersherum, also ein Verhältnis von Eigenkapital zu Bilanzsumme z.B. 1:30 und entsprechend bedeutet dann eine höhere Leverage Ratio, also z.B. das Verhältnis 1:50, weniger Eigenkapital im Verhältnis zur Bilanzsumme. Wie rum man es handhaben ist egal, nur damit da keine Missverständnisse aufkommen, bleibe ich vorerst mal bei meinem %-Ausdruck.

      Zu 2)

      Sie schreiben zu den Verwerfungen ab 2010 „Deren Ursachen sind rein europäischer Natur und von der Subprimekrise 2007 zu trennen.“ Genau das ist mein Ziel, das Geschehen nach der Bankenkrise und die Folgen abzutrennen. Mir geht es insofern nur um die Zeit vor 2010 und die Frage der Stabilität des Finanzwesens, auch wenn wie gesagt, ein stabiles Finanzwesen noch nicht die übrigen Probleme beseitigt. Meine Frage ist also, warum ist es in Europa, also neben der Euro-Zone z.B. auch in Großbritannien, zu diesen massiven Auswirkungen durch die US-Blase gekommen. Der USA gestehe ich sozusagen zu, dass das Finanzsystem bei diesem Beben ordentlich wackelt und beschädigt wird. In Europa hätte ich aber erwartet, dass das abgefedert werden kann.

      Zu 3)

      Ich sage nicht, dass die Bankenrettung zum damaligen Zeitpunkt verkehrt war. Die Frage die sich mir einfach stellt, wie sieht das z.B. aus, wenn vielleicht in China eine Immobilienblase platzt oder in der Türkei plötzlich eine tiefe Depression einsetzt? Crashed dann unser Bankensystem wieder, weil irgendwelche Strukturen in der Finanzwelt falsch sind, und wenn ja, welche Strukturen sind da falsch?

      Zu 1)

      Zur Frage: Warum begann die Krise nicht schon früher: Die meisten Banken die in Schwierigkeiten kamen wurden von anderen Instituten übernommen, z.B. Dresdner Bank. Daneben führt auch niedriges Eigenkapital solange nicht in eine Krise, solange eben Gewinne erwirtschaftet werden können. Die Frage ist aber genau, wie sieht das bei Verlusten aus, das ist der Knackpunkt. Wie viel Sicherheit kann man vom Finanzwesen erwarten, wie viel Verlust muss es aushalten können? Die Frage ist sozusagen, wenn jemand mit 200 km/h auf spiegelglatter Straße unterwegs ist und die Kontrolle über das Fahrzeug verliert, was ist dann die Ursache? Die spiegelglatte Straße oder die unangepasste Geschwindigkeit? Inwiefern muss man sagen, eine glatte Straße kann man nie verhindern, daher muss man einfach bei Minus-Graden die Geschwindigkeit reduzieren. Wo Spekulation ist, gibt es auch Blasen und Fehlspekulation. Muss man vom Finanzwesen nicht erwarten, dass es deshalb entsprechend beim Leveraging auf die Bremse geht?

      Zur Frage: Warum in den USA zuerst? In den USA sind die Kredite ausgefallen, das ist ganz klar. Das war der Auslöser für die amerikanische Bankenkrise, sozusagen die glatte Straße für Europas Banken. Das niedrige Eigenkapital bei den europäischen Banken war hingegen eher die zu hohe Geschwindigkeit. Wären die Banken sicher gefahren, also hätte es genügend Eigenkapital bei europäischen Banken gegeben, dann, so meine These, wäre die amerikanische Subprime-Krise ganz einfach über dem Teich geblieben. Anders ausgedrückt, das Finanzwesen war einfach zu riskant unterwegs und ist irgendwann aus der Kurve geflogen.

      P.S.: Das Ziel von 25% Eigenkapitalrendite bei der Deutschen Bank ist dem ein oder andern vielleicht noch im Kopf. Wenn man 25% Eigenkapitalrendite erreicht, bedeutet das aber auch, dass gerade einmal der Jahresgewinn aus 4 Jahren als Eigenkapital, also als Sicherheit, zur Verfügung steht. Am 31.12.2008 waren das dann gerade einmal 1,5% Eigenkapital also eine Leverage-Ratio von 1,5%. Dass es anders geht, zeigt die Commerzbank, die in den letzten Jahren eine Leverage-Ratio von rund 5% aufgebaut hat.

  • Hallo MisterEde, zunächst einmal gebe ich Dir Recht, dass ein Finanzwesen auch von sich aus so robust sein sollte, dass es das Platzen einer Blase verkraftet. Und es ist wie wir wissen in der Tat auch so, dass das Finanzwesen das nicht konnte.

    Den Euro sehe ich nicht als die wesentliche Ursache der Finanzkrise. Er erschwerte es einzelnen Staaten, auf die Symptome der Krise z.B. durch eine Abwertung der Währung zu reagieren. Aber Schuld an der Krise war der Euro meiner Meinung nach nicht.

    Ich habe mal (vor der Krise) als Praktikant in die Arbeit einer Großbank reingeschaut, und das Leveraging war in aller Munde.

    Der Grund dass ich glaube, dass an deinem Aufschlag was dran sein könnte, ist dass ich (ohne die Details, zugegebenermaßen, zu verstehen) während meiner Zeit in der Bank, und es waren nur einige Wochen, nicht einmal auf die Idee kam die Praktiken hinterfragen. Keiner tat das. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, wie abgeschottet von der "realen" Welt diese Finanzgeschäfte getätigt wurden. Risiken wurden total ausgeblendet, denn am Ende haftete ja nicht der einzelne Händler oder Verkäufer, sondern die Bank (von einer Haftung von Staaten war damals ja noch nicht die Rede). Im Erfolgsfall lockte ein hoher Bonus. Ich war nur wenige Wochen drin in dieser Welt, habe aber innerhalb dieser Zeit das Modell nie hinterfragt. Asche auf mein Haupt.

    Das beantwortet vielleicht deine Frage nicht, aber diese Erfahrung hat mich wirklich nachhaltig beeindruckt und ich denke immer wieder, dass ein Finanzsystem, dass seine Verantwortung gegenüber Gesellschaften kritischer hinterfragen würde nicht in diese Krise gerutscht wäre...

    • Hallo babbelgebrabbel, der Link auf den deutschen Wikipedia-Eintrag ist problematisch, siehe die Top-Zeile in dem Eintrag. Diese Version ist viel besser, fundierter und verständlicher, aber leider auf Englisch. Wie überhaupt ein Großteil der maßgeblichen Literatur zu dieser Problematik eigentlich nur auf Englisch oder in ganz - um es dezent zu formulieren – inadäquaten Übersetzungen (z.B. bei Josef Stiglitz's Buch „Im freien Fall“) zur Verfügung steht. Die deutsche Ökonomen-Zunft von Bofinger bis Sinn hat da bisher eher weniger Erhellendes beigetragen.

      • MisterEde ist dafür
        +1

        Hallo nemo

        Ich habe jetzt mal einen Artikel in meinem Blog geschrieben, um den "Leverage-Effekt" zu erklären. Ich hoffe es ist ok, wenn ich den Link hierhinein setze:

        http://www.mister-ede.de/wirtschaft/glossar-der-leverage-effekt/2800

    • MisterEde ist dafür
      +1

      Danke babbelgebrabbel für den Beitrag. Gute Idee die Erklärung zum "Leverage-Effekt" hierher zu verlinken.