Hallo Nemo,

danke für Ihre Antwort. Beim Euro sind wir einer Meinung, den können wir als Ursache für die Finanzkrise (zumindest bis 2009) ausklammern oder zumindest vernachlässigen.

Bei der Subprime-Krise wird neben der Geld-Politik der FED auch häufig die Wirtschafts-Politik der USA, also z.B. große Anreize für Häuslebauer, oder die Art der Subprime-Produkte (Bündelung und Bewertung zum Fair Value) genannt, wenn es um die Ursachen der Subprime-Krise geht. Ohne dies näher zu bewerten ist klar, in den USA wurde die Blasenbildung gefördert und die entstandene Blase ist dann u.a. mit Lehman geplatzt.

Mein Gedanke oder meine Frage ist nun: Müsste das Finanzwesen in Europa (oder in der EU oder in der Eurozone) nicht so stark sein oder gemacht werden, dass es solche externen Schocks verkraftet?

Wenn wir den Euro ausschließen oder vernachlässigen, bleiben ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Subprime-Krise war so heftig, dass unser Finanzwesen gar nicht stabil genug sein konnte um das abzufangen, oder aber die Schuld lag bei einem zu instabilen Finanzwesen. Mein Standpunkt ist da explizit, dass ein Finanzwesen so etwas wie die Subprime-Krise aushalten können sollte. Daher stellt sich für mich die Frage, warum unser Finanzwesen nicht stabil genug war. Und hier komme ich auf das Leveraging.

^^Warum ich das Leveraging als wesentlichste Ursache sehe:^^

Sie haben ja die Eigenkapitalanforderungen für Banken erwähnt. Allerdings sind es bei weitem keine 8% gewesen, die Banken vorhalten mussten. Die Deutsche Bank hatte am 31.12.2008 eine Bilanzsumme von 2,2 Billionen Euro bei 32 Milliarden Euro Eigenkapital, das entspricht so rund 1,5%. Das ist so lächerlich wenig, dass man die meisten Hasardeure dagegen als Sicherheitsfanatiker bezeichnen muss.

https://geschaeftsbericht.deutsche-bank.de/2009/gb/konzernabschluss/konzernbilanz.html

Nur für manche Anlageformen mussten 8% Eigenkapital hinterlegt werden. Viele Anlageformen hatten wesentlich niedrigerer Hinterlegungsanforderungen. Für hochgeratete Staatsanleihen musste genau 0% Eigenkapital hinterlegt werden. Die handelbaren und von Ratingagenturen als sehr sicher bewerteten Subprime-Produkte wurden ebenso bevorzugt.

Ein wenig hat man gelernt und in „Basel 3“, also der Fortsetzung von „Basel 1“ und „Basel 2“, ab 2018 zusätzlich ein risikounabhängiges einheitliches Maß für die Eigenkapitalanforderungen an Banken vorgesehen, genannt „Leverage Ratio“, allerdings auch hier liegen die Anforderungen von 3% weit weg von 8%.

Aus meiner oben genannten These „Leveraging ist die Hauptursache für die Finanzkrise BIS 2009“ ergibt sich bei anderer Formulierung die konkrete Frage: „Wäre das Finanzwesen ohne ein solch massives Leveraging stabil genug gewesen um die Auswirkungen der Subprime-Krise auf Europa abzufedern?“ Oder anders ausgedrückt: „Hätte eine höhere Eigenkapitalausstattung die Finanz- und Bankenkrise von 2009 in Europa verhindert?“

^^Weitere Ursachen:^^

Neben dem Leveraging könnte aber auch die Verknüpfung der Banken untereinander die Hauptursache dafür sein, dass das Finanzwesen nicht stabil genug war. Das allerdings kann meines Erachtens nur am Ende eine mögliche Kettenreaktion verstärkt haben, so dass noch mehr Banken in Schieflage geraten sind, nicht jedoch, dass zuvor schon viele Banken in Europa um ihre Existenz bangten. Auch die falsche Risikobewertung durch Rating-Agenturen oder durch Banken ist meines Erachtens nicht die Hauptursache, weil es bei solchen Erwartungswerten in der Natur der Sache liegt, dass diese eben auch hin und wieder von den tatsächlichen Ergebnissen abweichen. Genau das abzufedern ist meines Erachtens die Aufgabe einer Bank, zumindest bis zu einem gewissen Grad und dieser Grad sollte eben nicht schon durch das Platzen einer Blase außerhalb Europas erreicht werden. Anders ausgedrückt, die Ratingagenturen haben eine Rolle bei der Subprime-Krise gespielt, aber nicht für das Versagen des europäischen Finanzwesens. Auch die internationalen Rechnungslegungsstandards mit der Fokussierung auf den „Fair Value“ könnten eine wesentliche Ursache für die Finanzkrise sein. Allerdings denke ich, wenn es durch die Bewertungsstandards zu größeren Schwankungen in den Bankbilanzen kommt, müsste dies einfach entsprechend mit einer Verringerung des Leveraging einhergehen, also entsprechend mehr Eigenkapital vorgehalten werden.

^^Wenn die These zum Leveranging stimmt:^^

Wenn die Ursachenanalyse stimmt und tatsächlich das Leveraging eine wesentliche Ursache für die Finanzkrise bis 2009 bzw. bis zur Bankenrettung ist, dann muss vor Allem auf eine deutlich bessere Eigenkapitalausstattung der Banken hingearbeitet werden. Im Grunde halte ich es für möglich, dann in 5 Jahren wieder ein stabiles und in 10 Jahren das stabilste Finanzsystem der Welt zu haben. Damit wäre in Europa noch nichts an den anderen Krisen und Problemen gemacht, aber zumindest würde sich eine solche massive Bankenkrise mit Bankenrettungen quer durch Europa nicht mehr wiederholen.

^^Der Gedanke der dahinter steckt:^^

Wenn die Banken in Europa nicht für einen größeren Hebel das Eigenkapital so massiv reduziert hätten, wäre es vermutlich in Europa gar nie zu jener Bankenrettung gekommen. Vielleicht hätte man die eine oder andere Bank schließen müssen, weil das Eigenkapital durch die Verluste aufgebraucht worden wäre, aber man hätte nicht noch Geld nachschießen müssen. Wäre das Finanzwesen stabil genug, ist es auch egal, wenn der Bankensektor in einem Land überproportional groß ist. Klar, die Banken hätten Leute entlassen, Dividenden und Boni wären weggefallen, die Aktienkurse der Banken wären eingebrochen, aber am Ende wären einfach die europäischen Banken um vielleicht 200 Milliarden Euro Eigenkapital ärmer gewesen, aber eben mehr auch nicht. Das wäre ein Bruchteil dessen, was uns Bankenrettung, Staatenrettung und in manchen Ländern 5 Jahre Rezession gekostet haben und noch kosten werden.

Um das alles in einen Satz zu packen: „Wenn Banken too big too fail sind, dann muss die Konsequenz sein, dass wir die Banken eben auch too strong too fail machen!“