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Lieber Emil, ich glaube die Welt ist schon etwas komplizierter geworden als sie es noch vor 20 oder 30 Jahren war. Zum einen brechen die vielen Konflikte auf, die zu lösen wir in dieser Zeitspanne versäumt haben. Und zum anderen geht es national oder international darum, die letzten Claims abzustecken für eine Zeit, in der Demokratie und gleichzeitig die Weiterentwicklung bzw. das Weiterbestehen des Kapitalismus, wie wir ihn jetzt kennen, wahrscheinlich nicht mehr möglich sein wird. Also ist es kein Wunder, wenn bei dieser Unsicherheit gelegentlich so etwas wie Endzeitstimmung aufkommt und dieses Gefühl ist natürlich der ideale Nährboden für obskure Verschwörungstheorien aller Art, wie du sie beschrieben hast.
Es gibt, denke ich, auch keine medialen Paralleluniversen. Die Nutzung von Medien zur Sicherung von Machtinteressen ist so alt wie die Druckerpresse. So schrieb schon Daniel Defoe nicht nur bemerkenswerte Bücher und war der Urvater des modernen Journalismus, sondern ließ sich als Pamphletist anonym auch immer wieder vor den Karren gelegentlich dubioser politischer Interessen spannen.
Was die klassischen Printmedien anbetrifft, so unterliegen natürlich auch sie den Spielregeln des freien Marktes oder den Verwertungsgesetzen des Kapitals, je nach politischem Standpunkt. Sie müssen zum Überleben eine angemessene, möglichst hohe Rendite erzielen. Kein Verleger leistet sich heute noch eine Zeitschrift oder eine Zeitung aus einem gewissen Sendungsbewusstsein oder als politisches Hobby. Durch die sinkenden Reichweiten ihrer Printerzeugnisse und die Abwanderung der großen Werbeetats in die elektronischen Medien und das Web, sind die großen Medienkonzerne gezwungen ihre Titel (Umbruch, Lay Out und Inhalte) dem Markt anzupassen und gleichzeitig selbst im Bereich Neue Medien zu investieren. Wachstum ist hier wie in vielen Branchen sonst nur noch durch Zukauf möglich.
Nun muss man ein so riesiges Angebot zusätzlich zum Printbereich auch mit Inhalt füllen und zwar möglichst preiswert. Dabei leidet dann zwangsläufig die Qualität. Der Unsinn, der z.B. im WWW publiziert wird kann gar nicht schwachsinnig genug sein, um nicht bei Affiliate-Werbung genug Klicks zu generieren, die entsprechend bezahlt werden. Die Privaten Radio- und TV-Sender verhalten sich ja genauso. Und die öffentlich-rechtlichen meinen bei diesem Downsizing mithalten zu müssen. Sybille Berg hat all dies am letzten Wochenende ähnlich wie du in einer Kolumne thematisiert.
Der Qualitätsjournalismus ist dieser Entwicklung leider zum Opfer gefallen und wird auch nicht ohne weiteres so zurückkehren, wie du es gefordert hast. Zeit, SZ und FAZ sind immer so etwas wie die Kampfblätter der Machteliten in der BRD gewesen, die politisch, interessanten Debatten fanden und finden nur noch in ihren Feuilletons statt. Der Spiegel (zu Augsteins Zeiten brillant formuliert, witzig, gelegentlich ein wenig zynisch & gemein aber immer informativ) und SPON vermischen Meldung & Meinung seit ihrer Gründung, das kann man, muss man aber nicht mögen. Für SPON gilt, dass diese Plattform leider versucht den jeweils gefühlten Meinungstrend vorwegzunehmen.
Aber es gibt Alternativen. Für alle, die gut Englisch lesen können: die London Review, die New Left Review, Radical Philosophy, das Social Europe Journal oder den Guardian. Auf Deutsch u.v.a: der gute alle LETTRE aus Berlin, die taz, eingeschränkt auch CICERO und natürlich Jacob Augstein‘s Freitag,, der sich fairerweise gleich als Meinungsmedium zu erkennen gibt. Auch bei den elektronischen Medien gibt es ihn noch den investigativen Journalismus, der fragt und nicht Antworten abfragt. Die relativ neue ARD Reihe ARD exklusiv hat vor ca. 3 Wochen eine der besten Reportagen zu TTIP gesendet, die ich bisher gesehen habe. Für 3Sat und Arte gilt das gleiche. Es ist halt nur mühsamer geworden seriösen Journalismus zu finden.
Außerdem sehe ich nach wie vor im WWW und Plattformen wie Publixphere eine große Chance den öffentlichen Raum zurückzugewinnen, der den Medien auch nach unserer Verfassung zukommt. Und es bietet die einmalige Chance sich weltweit nach alternativen Informationsquellen umzuschauen. Ein gutes Beispiel ist z.B. die Plattform Intercept von Glenn Greenwald.
nemo
Macht, Meinung & Medien
Lieber Emil, ich glaube die Welt ist schon etwas komplizierter geworden als sie es noch vor 20 oder 30 Jahren war. Zum einen brechen die vielen Konflikte auf, die zu lösen wir in dieser Zeitspanne versäumt haben. Und zum anderen geht es national oder international darum, die letzten Claims abzustecken für eine Zeit, in der Demokratie und gleichzeitig die Weiterentwicklung bzw. das Weiterbestehen des Kapitalismus, wie wir ihn jetzt kennen, wahrscheinlich nicht mehr möglich sein wird. Also ist es kein Wunder, wenn bei dieser Unsicherheit gelegentlich so etwas wie Endzeitstimmung aufkommt und dieses Gefühl ist natürlich der ideale Nährboden für obskure Verschwörungstheorien aller Art, wie du sie beschrieben hast.
Es gibt, denke ich, auch keine medialen Paralleluniversen. Die Nutzung von Medien zur Sicherung von Machtinteressen ist so alt wie die Druckerpresse. So schrieb schon Daniel Defoe nicht nur bemerkenswerte Bücher und war der Urvater des modernen Journalismus, sondern ließ sich als Pamphletist anonym auch immer wieder vor den Karren gelegentlich dubioser politischer Interessen spannen.
Was die klassischen Printmedien anbetrifft, so unterliegen natürlich auch sie den Spielregeln des freien Marktes oder den Verwertungsgesetzen des Kapitals, je nach politischem Standpunkt. Sie müssen zum Überleben eine angemessene, möglichst hohe Rendite erzielen. Kein Verleger leistet sich heute noch eine Zeitschrift oder eine Zeitung aus einem gewissen Sendungsbewusstsein oder als politisches Hobby. Durch die sinkenden Reichweiten ihrer Printerzeugnisse und die Abwanderung der großen Werbeetats in die elektronischen Medien und das Web, sind die großen Medienkonzerne gezwungen ihre Titel (Umbruch, Lay Out und Inhalte) dem Markt anzupassen und gleichzeitig selbst im Bereich Neue Medien zu investieren. Wachstum ist hier wie in vielen Branchen sonst nur noch durch Zukauf möglich.
Nun muss man ein so riesiges Angebot zusätzlich zum Printbereich auch mit Inhalt füllen und zwar möglichst preiswert. Dabei leidet dann zwangsläufig die Qualität. Der Unsinn, der z.B. im WWW publiziert wird kann gar nicht schwachsinnig genug sein, um nicht bei Affiliate-Werbung genug Klicks zu generieren, die entsprechend bezahlt werden. Die Privaten Radio- und TV-Sender verhalten sich ja genauso. Und die öffentlich-rechtlichen meinen bei diesem Downsizing mithalten zu müssen. Sybille Berg hat all dies am letzten Wochenende ähnlich wie du in einer Kolumne thematisiert.
Der Qualitätsjournalismus ist dieser Entwicklung leider zum Opfer gefallen und wird auch nicht ohne weiteres so zurückkehren, wie du es gefordert hast. Zeit, SZ und FAZ sind immer so etwas wie die Kampfblätter der Machteliten in der BRD gewesen, die politisch, interessanten Debatten fanden und finden nur noch in ihren Feuilletons statt. Der Spiegel (zu Augsteins Zeiten brillant formuliert, witzig, gelegentlich ein wenig zynisch & gemein aber immer informativ) und SPON vermischen Meldung & Meinung seit ihrer Gründung, das kann man, muss man aber nicht mögen. Für SPON gilt, dass diese Plattform leider versucht den jeweils gefühlten Meinungstrend vorwegzunehmen.
Aber es gibt Alternativen. Für alle, die gut Englisch lesen können: die London Review, die New Left Review, Radical Philosophy, das Social Europe Journal oder den Guardian. Auf Deutsch u.v.a: der gute alle LETTRE aus Berlin, die taz, eingeschränkt auch CICERO und natürlich Jacob Augstein‘s Freitag,, der sich fairerweise gleich als Meinungsmedium zu erkennen gibt. Auch bei den elektronischen Medien gibt es ihn noch den investigativen Journalismus, der fragt und nicht Antworten abfragt. Die relativ neue ARD Reihe ARD exklusiv hat vor ca. 3 Wochen eine der besten Reportagen zu TTIP gesendet, die ich bisher gesehen habe. Für 3Sat und Arte gilt das gleiche. Es ist halt nur mühsamer geworden seriösen Journalismus zu finden.
Außerdem sehe ich nach wie vor im WWW und Plattformen wie Publixphere eine große Chance den öffentlichen Raum zurückzugewinnen, der den Medien auch nach unserer Verfassung zukommt. Und es bietet die einmalige Chance sich weltweit nach alternativen Informationsquellen umzuschauen. Ein gutes Beispiel ist z.B. die Plattform Intercept von Glenn Greenwald.