Hallo Körber-Stiftung,

hier ein kleines Feedback zum Vortrag. Insgesamt ein schöner Beitrag der die politischen Vorgänge in der DDR aufarbeitete, allerdings insgesamt habe ich eine etwas andere Wertung / Meinung zum Thema Wiedervereinigung und auch zur Frage der theoretischen Reformfähigkeit von autokratischen Systemen.

Zu Kapitel 1: Auf die Frage, was wäre wenn das DDR-Regime schon früher mit Oppositionellen in den Dialog getreten wäre, bzw. ob eine Reform der DDR möglich wäre, hat Herr Kowalczuk schon sehr vorsichtig formuliert, dass er „glaube“, dass solche Diktaturen insgesamt das Problem haben, dass sie vom System her keine Reform zulassen können.

Dem will ich einen anderen „Glauben“ entgegenstellen: Ich denke, dass alle Gesellschaften veränderungsfähig sind, weil der Mensch veränderungs- und anpassungsfähig ist. Das heißt alle Gesellschaften, ob nun autokratische oder demokratische, können sich schneller (Revolution) oder langsamer (Reform)verändern und zwar zum Guten wie zum Schlechten. Die Machtergreifung der Nazis würde ich z.B. als Reform hin zum Schlechteren bezeichnen. Reform insofern, als nicht ein Volk auf der Straße war oder die Nazis als Guerillatruppen das Militär besiegt hätten, sondern das Volk sie mehrheitlich ins Parlament wählte.

Umgekehrt geht es aber auch, ansonsten hätte z.B. Großbritannien als Staatsoberhaupt keine Königin mehr. Und mein Eindruck ist auch bei Kuba oder dem Iran, ohne mich jetzt näher mit beiden befasst zu haben, dass sich dort leichte Verbesserungen einstellen. Zumindest wird Rohani hierzulande als liberaler dargestellt als sein Vorgänger und bei Kuba gibt es auch hin und wieder mal Meldungen, dass sich das Land zumindest ein wenig bewegt. Beides wäre für mich ein Zeichen von Reform in Richtung Gutem.

Genau dieser Glaube ist der Grund, warum ich überzeugt bin, dass es immer notwendig sein wird, sich dafür einzusetzen, dass sich eine Gesellschaft zum Guten (z.B. Umgang mit Homosexuellen) reformiert und nicht zum Schlechten verändert (z.B. Le Pen oder Orban in unserer europäischen Gesellschaft).

Zu Kapitel 2/3: Dass ich Helmut Kohl mal zustimme, hätte ich nie geglaubt, aber wenn er sagt, die Einheit war im Wesentlichen eine Folge der wirtschaftlichen Situation, ist das auch meine Einschätzung. In der gesamten Sowjetunion waren die Wirtschaften so marode, dass das planwirtschaftliche kommunistische System im Prinzip kollabiert war. Wäre die Sowjetunion nicht so marode gewesen, hätte es von vorneherein keine Perestroika gebraucht und es hätte nie die Bereitschaft der UdSSR gegeben, der DDR und anderen Ländern den Austritt aus diesem Bund gegen Wirtschaftshilfen aus „dem Westen“ zu ermöglichen. Dennoch, Die Freiheitsbewegung, bzw. die Demokratisierung der DDR oder auch Polens waren dann zum größten Teil Leistungen der dortigen Gesellschaften. Die Einheit der beiden deutschen Staaten wurde nach meiner Ansicht hingegen eher von der BRD forciert. Ich denke, die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte ein großes Interesse an einer schnellen Wiedervereinigung. Zum einen, weil sie erwartete, mit der Einheit im Rücken auch die nächsten Bundestagswahlen zu gewinnen, zum anderen, weil sie ungerne bereit war, mit finanziellen Hilfen das Überleben eines zweiten deutschen Staates zu finanzieren, der wirtschaftlich zusammengebrochen war. Das Angebot war entsprechend ja auch ein echtes Lockangebot: Umtausch der Währung 1:1, Übernahme der Rentenverpflichtungen und die Bereitschaft von schwarz-gelb sich mit den ehemaligen Blockflöten ohne weitere Prüfung zu vereinigen. Ich denke, bei einer objektiven Bewertung, muss man dem wirtschaftlichen Zustand der DDR für den Punkt der „Wiedervereinigung“ eine viel größere Rolle zumessen, als das in den meisten Debatten und auch in dieser der Fall ist. Ich denke, das ist auch der Grund dafür, dass viele Ansätze in der DDR, die darauf abzielten ein eigenes System aufzubauen, bzw. Politik neu zu denken, in der damaligen Zeit, also ab dem Frühjahr 1990, ziemlich untergingen.

Beste Grüße Mister Ede