Wer über Grenzen nachdenkt, verspürt den Wunsch nach Identitätsfindung: ich da drin und ihr da draußen; er will sich abgrenzen. Wer sich abgrenzen will, will sich auch schützen; schützen vor denen da draußen. Er sehnt sich um so mehr nach Grenzen, um so fremder ihm "die da draußen sind". Grenzen vereinfachen auch das Leben. Ich setze mir eine "natürliche Grenze"; bis dahin muss ich denken, aber nicht weiter. Die Welt ist ein bisschen weniger komplex dadurch. Die Grenze selber wird aber dadurch zur Bedrohung. Sie wird Druck ausgesetzt: Die da draussen, die zu uns rein wollen - Druck erzeugt Gegendruck und so wird die Grenze, die uns schützen sollte immer mehr zum Deckel auf einem Topf, der beginnt überzulaufen.
Der Film "Der Marsch" nimmt sich dieses Themas an. Der Nordafrikaner organisiert einen Marsch aus nordafrikanischen Flüchtlingscamps nach Europa. Seine Hoffnung: „Wir glauben: wenn ihr uns vor euch seht, werdet ihr uns nicht sterben lassen. Deswegen kommen wir nach Europa. Wenn ihr uns nicht helft, dann können wir nichts mehr tun, wir werden sterben, und ihr werdet zusehen, wie wir sterben und möge Gott uns allen gnädig sein.“
Vor einer solchen Entwicklung schützt uns - hier auf dem europäischen Kontinent - eine Grenze nur noch wenig. Deshalb dürfen wir es nicht so weit kommen lassen. Weniger die Befestigung von Grenzen sollte im Vordergrund stehen, als vielmehr dass sie als Schutz vor dem Fremden nicht gebraucht werden.