Gedanken zu einem gesamteuropäischen Medienangebot:
Innerhalb der Europäischen Union ergeben sich immer wieder Probleme durch eine in viele einzelne Öffentlichkeiten zersplitterte europäische Gesamtöffentlichkeit. Themen, wie z.B. die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa oder die hohe Abhängigkeit von russischem Gas im Osten der Union, beschäftigen oftmals nur die Bevölkerung in den jeweils betroffenen Regionen, selbst wenn sich hinter solchen Themen gesamteuropäische Herausforderungen verstecken. So kann allerdings keine gemeinsame europäische Perspektive entstehen, die zur Beantwortung gesamteuropäischer Fragen eigentlich notwendig wäre. Um dieser Zersplitterung zu begegnen und die Entwicklung eines europäischen Blickes zu forcieren, bzw. eine gesamteuropäische Öffentlichkeit zu schaffen, wäre meines Erachtens ein gemeinsames europäisches Medienangebot sehr hilfreich. Unabhängig von Fragen der Machbarkeit oder der Wirtschaftlichkeit habe ich daher mal meinen Gedanken freien Lauf gelassen und im Folgenden beschrieben, wie ein solches gesamteuropäisches Medienangebot aussehen könnte.
Form: Aus meiner Sicht müsste es sich um ein Angebot handeln, das in allen Ländern die gleichen Inhalte anbietet, allerdings in den jeweiligen Amtssprachen der EU und gerne auch in noch mehr Sprachen, egal ob nun japanisch oder katalanisch. Entsprechend müsste ein solches Medienangebot auch eine europäische multinationale Redaktion haben und für die journalistische Qualität wären auch eigene Korrespondenten rund um den Globus und in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sinnvoll. Daneben sollten regelmäßig hochrangige Gesprächspartner das Angebot bereichern, z.B. im politischen Bereich EU-Kommissare, Europa-Abgeordnete oder Vertreter von EZB, UN, Greenpeace oder ähnlichem. Das Angebot müsste zeitgerecht und zukunftsorientiert sein, also z.B. als zentralen Anlaufpunkt eine eigene Netzplattform bieten und stets auch auf dem neuesten Stand der Technik sein, z.B. wenn es um die professionelle Produktion von Audio oder Videobeiträgen geht. Vorstellbar wäre für mich daher auch ein Medienmix, der aus Print-, Radio-, Fernseh- und Netzangeboten besteht. Ein wöchentlich gedrucktes Magazin in Landessprache und mit Lokalteil (aus dem jeweiligen Mitgliedsstaat) könnte dabei den Printbereich abdecken und die Onlineplattform könnte vergleichbar zu heutigen Portalen, z.B. von Zeitungen oder Fernsehsendern, aufgebaut sein. Ergänzt würde dies dann durch eigene Audio- oder Video-Produktionen, die von ondemand Unterhaltungsangeboten über Reportagen bis hin zu Live-Events, Nachrichtensendungen und Lokalnachrichten (Nachrichten aus dem jeweiligen EU-Land) reichen können, die dann zu festen Zeiten über das Netz ausgestrahlt werden. Dabei könnte z.B. die Hauptnachrichtensendung im Original je nach Moderatoren-Team in wechselnden Sprachen produziert und zusätzlich in alle anderen angebotenen Sprachen übersetzt werden. Die Lokalnachrichten könnten hingegen in der jeweiligen Landessprache hergestellt werden und aus dieser Version heraus verdolmetscht werden. Auch eine Verbreitung des Angebots als Netz-Radio wäre denkbar und theoretisch könnten z.B. Reportagen oder Nachrichtensendungen auch in ein Fernsehprogramm, z.B. 3Sat, eingebunden werden.
Inhalt: Neben diversen Unterhaltungsangeboten, von einer europäischen Kochshow über Quizshows bis hin zu Filmen oder in einem gewissen Rahmen Boulevard, Klatsch und Tratsch, braucht ein solches Angebot natürlich eine starke Informationsorientierung. Neben Berichten zu aktuellen Ereignissen, von schweren Unglücken oder Katastrophen über Straftaten oder Wirtschaftskriminalität bis hin zu Kuriosem und Erfolgsgeschichten, sollten hier die großen Themen der Zeit aus einer gesamteuropäischen Sicht bearbeitet werden, so dass sich langsam eine echte gemeinsame europäische Öffentlichkeit entwickeln kann. Als Beispiel habe ich hier ein paar europäische und globale Themen aufgelistet, die z.B. in verschiedenen Rubriken eines wöchentlichen Printmagazins bearbeitet werden könnten.
Rubrik „Weltgeschehen“: Hier könnte der Blick auf die Welt eben nicht aus der jeweils nationalen Sicht, sondern aus der europäischen Sicht angeboten werden. Was ist z.B. Ebola oder welche Regionen sind davon betroffen? ISIS, Klimawandel oder Snowden wären weitere mögliche Themen und viel Aktuelles aus aller Welt, aus Brasilien, China, USA oder Japan, könnten diese Rubrik ergänzen.
Rubrik „EU in der Welt“: Hier könnte erläutert werden, wie sich die EU auf der globalen Bühne verhält. Was macht die EU wegen und gegen Ebola, was hat sie versäumt und was sollte sie machen? Weitere Themen könnten TTIP, CETA, EPA, Klimakonferenzen, Ukraine oder die Russland-Politik der EU sein. Was kann die EU gegen ISIS unternehmen? Wie ist die Beziehung EU und NATO? Welche Flüchtlingspolitik betreibt die EU und was passiert an den Außengrenzen?
Rubrik „In der EU“: In dieser Rubrik könnten entsprechend innereuropäische Themen behandelt werden. Welche Maßnahmen hat die EU getroffen, um in Europa auf Ebola vorbereitet zu sein? Was ist mit der Finanzkrise, wie kommt das Satellitenprogramm Galileo voran, wie gehen wir in der EU mit Flüchtlingen um oder was für Konsequenzen ergeben sich aus LuxLeaks oder dem Zinsmanipulationsskandal? Die Datenschutzgrundverordnung oder die EU-Haushaltsplanung könnten weitere Themen sein, genauso wie aktuelle Gesetzgebungsverfahren oder politische Initiativen.
Rubrik „In den Mitgliedsländern“: Hier könnte dann der Blick in die einzelnen Regionen gerichtet werden. Wahlen, große Gesetzesvorhaben und weitere aktuelle Themen der verschiedenen EU-Länder könnten bearbeitet werden. Wie hat Spanien auf die Ebola-Erkrankung einer Krankenschwester reagiert? Wie ist der Stand bei der deutschen Maut-Debatte? Welche Veränderungen bringt der Regierungswechsel in Rumänien?
Rubrik „Lokalnachrichten“: Diese Rubrik könnte Nachrichten aus dem jeweiligen Mitgliedsland bündeln, also z.B. hierzulande Meldungen und Geschichten aus Deutschland. So würde der Nachrichtenblick abgerundet, auch wenn es sich bei einem solchen „Lokalteil“ dann nicht mehr um einen gesamteuropäischen Blick handelt.
P.S. Euronews ist was das anbieten der gleichen Beiträge in ganz Europa und die Übersetzung in Landessprache angeht ein gutes Vorbild. Aber auch die EU-Angebote, zum Beispiel zu Plenarsitzungen, bei denen man dann zwischen Übersetzung und Originalsprache "Switchen" kann, sind in meine Gedanken mit eingeflossen.