Naja, der junge Mann inszeniert sich ja auch offenbar gerne und Übertreibungen sind wohl auch eines seiner Hobbys.

"Sie wollten mich politisch zerstören" ist ja mal auch ein schönes Beispiel von Fremd- und Eigenwahrnehmungsverzerrung. Da gefällt sich jemand klammheimlich auch ein wenig in der Opferrolle.

Leider gibt der Blogpost nicht genügend Links, um den Ablauf des "Shitstorms" und die Aktivitäten von Johannes darin nachvollziehen zu können. Es entsteht somit hier nur ein kleines Fenster, das dadurch nur bedingt hilft, sachbezogen in diesem Thema zu argumentieren.

Soweit ich das nachvollziehen kann auf die Kürze, gab es wohl eine Potenzierung der Gegenwelle, weil eine bekannte Person aus dem neurechten Lager (Elsässer) das Video verlinkt oder anderweitig darauf verwiesen hat. Das Potenzieren einer Gegenwelle zieht immer eine Reihe von Leuten an, die dem Thema nur noch in ihrem eigenen sehr beschränkten Kontext, den sie überall drüberlegen, begegnen. An einem solchen Punkt macht es tatsächlich wenig Sinn noch irgendwelche Interaktion zu betreiben. Hier ist aber auch dann meist keine Gefahr einer Langzeitwirkung mehr gegeben - oder wie es so schön heisst "hater gonna hate".

Offenbar hat Johannes im heise-Forum auch an einigen Stellen populistisch "zurückgeschossen". Nun ist das heise-Forum, zusammen mit den youtube-Kommentarebene unter politischen Videos sicher nicht der Ort, wo man eine gepflegte Diskussion mit überdurchschnittlichem Respekt für den politisch Andersdenkenden erwarten kann. Das mag man nun beklagen, aber die meisten gehen ja auch nicht in irgendwelche südbrandenburgischen Bahnhofskneipen, um dort die geopolitische Gesamtlage hochphilosophisch zu besprechen.

Johannes ist impulsiv. Das merkt man sowohl dem Video als auch dem Blogpost an. Das ist, zumindest in meinen Augen nichts Schlimmes, aber es besteht halt die Gefahr, dass man dabei so stark simplifiziert, dass man mehr Müll als (emotional und inhaltlich) Substantielles von sich gibt.

Auch dieser Satz im Blogpost: "Solange Informatik noch kein Pflichtfach an Schulen ist, gibt es keine richtige Medienkompetenz." lässt einem, fernab jeglicher geopolitisch noch schwierigeren Themen, das kalte Grausen über den Rücken fahren.

Zwischen Problemerkennung und sinnvoller Problembehandlung steht eben mehr als nur impulsives Tralala. So glauben, dass das Fach "Informatik" irgendetwas mit sozialer Kompetenz zu tun hat in der Ausbildung, kann getrost als abenteuerlich benannt werden. Die Gleichsetzung von Informatik = Medienkompetenz offenbart eine ggf. gefährlich einfache Denke, die eben auch in der Parteitagsrede bei einem noch viel komplizierteren Thema durchbricht. Zwischen Problemerkennung und sinnvoller Problembehandlung steht eben mehr als nur impulsives Tralala.

Insgesamt sehe ich, egal ob impulsiv oder sachlich, das Problem aggressiver und beleidigender Ereignisse sowohl in der Dekontextualisierung des Ausgangs-Statements als auch in der fehlenden Moderierung/Selbstmoderierung, wenn Menschen online aus verschiedenen sozialen, inhaltlichen und emotionalen Kontexten zu einem Thema aufeinandertreffen.

Der digitale Raum bietet eine mindest ebenso große Vielfalt in den Möglichkeiten der Zusammenkunft wie der physische Raum. Die kulturellen Rahmenbedingungen eines jeweiligen online-Zusammentreffens befinden sich (trotz einer bestehenden "Tradition" der Netiquette) noch in einem Werdungsprozess. Zusätzlich bildet der online-Raum auch nur die Fähigkeiten der Teilnehmenden ab, die sie in ihrem Leben erlernt haben. Insofern ist es ein - wenn auch häufiger - Fehler, die Ursachen für negative Aspekte des Web im Web zu suchen. Medienkompetenz ist soziale Kompetenz. Diese lehrt nicht die Informatik, sondern die Gesellschaft als Ganzes in ihrer jeweiligen individuellen Ausprägung (Familie, Peergroup, Bildungsstätten, Vorbilder etc.)