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    MisterEde · angelegt
     

    Sehr geehrter Herr Klaus-Peter_Willsch,

    unabhängig vom Thema möchte ich mich bei Ihnen explizit für Ihre Antwort bedanken, weil entweder Sie persönlich oder zumindest Ihr Team damit eine Bereitschaft zum Dialog an den Tag legen, die aus meiner Sicht nicht selbstverständlich ist.

    Bei der Frage des Grexit teile ich Ihre Auffassung insoweit, als dass auf diese Weise eine Anpassung der Lohnstückkosten (oder der Wettbewerbsfähigkeit) nicht Jahre, sondern lediglich Bruchteile von Sekunden am ersten Handelstag dauern würde. Unterschiedlicher Auffassung bin ich aber bei der Einschätzung der Folgen, die eine solche Abwertung hätte und die ich vor allem aus folgenden Gründen entweder als verheerend für Griechenland oder als nachteilhaft für die Eurozone ansehe:

    1. Kommt es zu einem Grexit, gehen die Unternehmen schneller pleite als sie wettbewerbsfähig werden. Sofern die Verbindlichkeiten der Unternehmen in Euro beibehalten werden, gleichzeitig aber die Umsätze jener griechischer Unternehmen, die stark auf das Inland ausgerichtet sind, mit der Währungsabwertung massiv einbrechen, müssen die Unternehmen reihenweise Insolvenz anmelden. Auch Unternehmen, die einen hohen Aktivbestand z.B. bei Aktien oder Immobilien haben, droht bei der außerordentlichen Abschreibung auf die dann in griechischer Währung bewerteten Vermögenswerte die Insolvenz. Aber nicht nur Unternehmen, sondern auch jene griechischen Privatpersonen, die einen Kredit in Euro aufgenommen haben, z.B. für ein Haus, werden diesen in vielen Fällen bei einem Verfall der in Landeswährung gerechneten Einkommen nicht mehr bedienen können. Privatinsolvenzen, Unternehmenspleiten und Bankenpleiten wären damit die Konsequenz eines Grexits, weshalb bei einem Verlassen der Währungsunion nicht von einer sinnvollen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, sondern von einem Sturz des Landes ins Bodenlose ausgegangen werden muss. Daneben würden wir nicht mehr von 320 Milliarden des Staates und 90 Milliarden Forderungen aus dem Target2-System, die zur Disposition stehen, sondern von noch höheren Summen sprechen, die z.B. von ausländischen Investoren an griechische Banken oder Unternehmen flossen. Auch alle Unternehmensinvestitionen aus dem Ausland, Filialen, Tochterunternehmen etc. sind dann auf einen Schlag nur noch einen Bruchteil oder gar nichts mehr wert, wenn sie z.B. künftig keinen Gewinn mehr einspielen.
    2. Ein zweites Problem ist die Wirkung auf andere Länder. Würde man wirklich die notwendigen Summen abschreiben, um diesen Sturz ins Bodenlose zu verhindern (aber da reden wir eben von mittleren bis hohen dreistelligen Milliardensummen) und einen Wiederaufbau ermöglichen, dann könnte dies Nachahmer z.B. aus Spanien anlocken, die ja zunächst auch die Abschreibungen mittragen müssten. Insgesamt gibt es bei einem Grexit aber nur zwei Alternativen. Entweder es wird nicht genügend abgeschrieben und Griechenland stürzt von seinem jetzigen Niveau noch weiter ab, oder aber es wird genügend abgeschrieben und Griechenland schafft einen Neustart nebst möglichem Nachahmer-Effekt.

    Kurz gesagt: Bei einem Grexit wird nach meiner Auffassung so viel Porzellan zerschlagen, dass es vermutlich die politisch wie ökonomisch teuerste aller möglichen Lösungen ist.