Lieber Emil, ich würde dich ungefragt duzen und hoffe, das ist für dich in Ordnung. Ob unsere Generation vernünftig ist, sei dahin gestellt. Die Qualität und Intensität, mit denen man die Welt verändern will, ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich. Wenn ich die Frage für mich beantworten soll, in wie weit ich die Welt verändern wollte, dann würde ich die großen Probleme interessiert beobachten, versuchen, differenziert zu urteilen und nicht direkt einzugreifen. Selbstverständlich stehen wir heute großen politischen Ungereimtheiten und Unzulänglichkeiten gegenüber, von denen du hier einige anführst. Die Frage ist nun, wie damit umgehen? Mein Punkt ist, dass vielleicht die Erwartungen, die du hast - sprich Revolution und Massenmobilisierung - nur dann möglich sind, wenn man sich ideologisch festlegt. Ich werde nicht auf die Barrikaden gehen, wenn ich nicht von einem Denksystem überzeugt bin, das mir die Welt erklärt. Und wie du es sagst, ist alles komplexer als man denkt. Wenn unsere Generation lethargisch ist - dem ich nicht zustimme -, dann ist das vielleicht ein positives Signal, das die Standhaftigkeit andeutet, mit der wir uns gegen die Ideologien zur Wehr setzen. Sich nicht von einem einzigen, geschlossenen Denkmodell vereinnahmen zu lassen, bedeutet nicht dass man unentschlossen oder handlungsunfähig ist, sondern sich aktiv gegen Ideologisierung wehrt. Wir haben Antworten, die möglicherweise nicht die Welt verändern, aber doch etwas verändern können, sei es nur auf der regionalen Ebene. Das Beispiel mit dem Erhalt vom Flughafengelände Tempelhof, das ich im Text andeute, ist eine kleine Form des Protests, die nicht marxistisch motiviert sein musste. Wenn ich meine Eier nicht mehr aus dem Supermarkt hole, sondern vom Bauern meines Vertrauens, dann ist das auch eine kleine Form des Protests. Es sind banale Beispiele, aber vielleicht ändern sich die Widerstandsbewegungen dahin gehend, dass Revolutionen überflüssig werden, die meistens gewaltsame Umbrüche zur Folge haben. Ich würde mich deinem Schlusssatz anschließen. Fatal wäre, die Hände in den Schoß zu legen. Das wollte ich mit meinem Text keinesfalls behaupten. Wenn man eine einstellung ablehnt, dann braucht man ein wenig Zeit, um sich zu sammeln und neue Ansätze zu entwickeln. Möglicherweise gelingt uns das hier, Emil. ;) und zum Schluss eine Facebook-Post eines Bekannten, die zeigt, wir sind alles andere als uninteressiert oder lethargisch: "The embracing of the political process by people of all ages in Ireland over the past few months has been brilliant to watch. On both sides, people have seen this as an issue that must be tackled head on. Lets take this enthusiasm forward for all elections and referendums now that we see how important each of our voices are in shaping the course of our country. Its like the "a puppy isnt just for Christmas" thing. Stay involved after the polling stations close tonight. There will be other issues and will be other battles that wont be so obvious a choice and will need even more consideration and research than the issue of equality, but will also be important for Irelands future. Go team"