Der Einfachheit halber fange ich mal von hinten an:
"Ich habe mir jetzt als einfaches Parteimitglied wirklich sehr viel Mühe gemacht, um Euch davon zu überzeugen, zumindest Euer generelles Nein zum Parteienengagement zu überdenken."
Das hast Du auch geschafft. Du hast meine Meinung tatsächlich ein Stück weit geändert bzw. sehe ich die Dinge jetzt immerhin aus einer anderen Perspektive.
"Es würde mich daher wirklich interessieren, ob Ihr trotzdem auch morgen noch sagt, dass Parteien nicht auf Euch zugehen?"
Da sieht man mal, was für einen Unterschied ein Einzelner machen kann ;)
"Gerade Dein Nachtrag, Mayte, „eine Mitgliedschaft kommt für mich aber aus diversen Gründen einfach nicht in Frage“, zeigt doch, dass Parteien bei Dir im Prinzip keine Chance haben, egal was sie machen."
Jein. Ich habe mich damals wie gesagt intensiv mit der Möglichkeit eines Parteibeitritts auseinandergesetzt und - nach einigen ziemlich gruseligen Begegnungen - für mich ziemlich deutlich entschieden, dass das für mich nicht in Frage kam. Ich muss dazu sagen, dass ich zuvor mehrere Jahre im Ausland verbracht hatte und noch nicht sagen konnte, an welchem Ort innerhalb Deutschlands ich längerfristig bleiben würde. Inzwischen wüsste ich außerdem vielleicht schon eher, bei welcher Partei ich mich verorten würde. Ich tue mich allerdings immernoch sehr schwer mit dem Gedanken, mich einer Partei ganz zu verschreiben.
Du bist tatsächlich der erste Vertreter einer Partei, der meine Meinung gegenüber einer Parteimitgliedschaft ernsthaft bewegt hat. Aber eben auch, weil Du Dich auf diese Diskussion hier überhaupt einlässt und Dich offenbar nicht damit bequemst, die Verantwortung einfach zu delegieren.
"... ohne Eure Bereitschaft Euch auf Parteien einzulassen, bringt es auch nichts, wenn sich die Parteien ändern. Insofern will ich nochmal betonen, niemand kann für Euch Euer parteipolitisches Engagement übernehmen."
Ich kann Deine Argumentation gut nachvollziehen. Allerdings würde ich mir wünschen, dass die Reibungsfläche zwischen Parteien und "uns" (ich benutze die Wir-Form jetzt mal der Einfachheit halber) viel größer wäre.
Kann man so jemandem wie Dir denn z.B. auch von außen helfen eine bestimmte Position parteiintern zu vertreten? Wenn Du z.B. mit ein paar Mitstreitern innerhalb der SPD eine bestimmte Position vertrittst, die auch viele politikinteressierte Nicht-Mitglieder teilen?
Zum Recht auf politischen Einfluss bei mangelndem politischen Engagement:
Ich sehe es auch so, dass man sich wenn möglich irgendwie engagieren sollte. Nur ist das eben nicht Jedem in gleichem Maße möglich. Job, Familie, Krankheit... idealerweise gibt es dann aber irgendeine Gruppe, die "meine" Interessen dennoch repräsentiert. Man darf aber glaube ich auch nicht unterschätzen, wie groß der Vertrauensverlust in die Politik inzwischen geworden ist und wie groß daher die Distanz zwischen Parteien und Bürgern ist, die man erstmal wieder überbrücken muss bevor eine Parteimitgliedschaft überhaupt mal in Betracht gezogen wird (s. diese Diskussion).
"...die Frage ist aber, in welchem Teilbereich des politischen Prozesses dein Engagement anzusiedeln ist. Zwar ist das Einbringen von Ideen und Vorstellungen eine wichtige Grundlage, aber hier beginnt der politische Prozess ja erst. Denn das Einbringen alleine trägt eben noch nicht dazu bei, dass diese Vorstellungen dann mit anderen abgeglichen und zu einem Kompromiss geführt werden. Das aber ist gerade der Kern der Politik und gar nicht so sehr das einbringen unterschiedlicher Vorstellungen."
Da würde ich Dir uneingeschränkt zustimmen. Um zu Kompromissen zu finden braucht man ja aber erstmal überhaupt den Austausch unterschiedlicher Meinungen. Und: Hätte ich denn z.B. meine Meinung über eine Parteimitgliedschaft überdacht, wenn Du hier nicht diskutiert hättest?
Zur Individualisierung der Gesellschaft: Gesellschaft
Da hast Du sicher einen Punkt. Aidin beschreibt in seinem Text ja aber gerade, wie sich ein Wir-Gefühl aus dieser Individualisierung (?) herauskristallisiert. Zudem kann man sicher zwischen einer Individualisierung i.S.v. "mein Auto, mein Netz-Profil" und einem Kulturwandel i.S.v. "wir definieren uns zunehmend auch über Online" unterscheiden. Ich fand es sehr interessant zu lesen auf was für Widerstände Du z.B. parteiintern gestossen bist, als Du vorgeschlagen hast Debatten im Netz vor- und nachzubereiten. Hierbei geht es ja nicht darum, irgendwem etwas wegzunehmen (die Redezeit bliebe ja die gleiche) sondern einfach nur einen Schritt auf diejenigen zuzugehen, die nunmal viel Zeit im Netz verbringen, sprich: besonders die Jüngeren. Während eine Partei also natürlich nicht auf die Wünsche eines jedes Einzelnen eingehen kann und soll, kann man andersherum auch argumentieren dass Parteien bestimmte Türen einfach nicht öffnen.
"Politik machen alle Parteien um die Gesellschaft zu verändern und insofern ist die Zielgruppe die gesamte Bürgerschaft, weshalb ich diese Wahrnehmung so nicht teilen kann."
In Theorie gebe ich Dir Recht. In Realität wird ja aber nicht die Gesellschaft als ganze repräsentiert, sondern in erster Linie die Gruppen, die innerhalb der Partei gut vertreten und organisiert sind (deshalb haben wir ja gerade diese Diskussion...).
"Klar ist aber, vor dem Fernseher sitzen und bei einer vergebenen Torchance zu meckern, ist das eine, das andere ist es, auf dem Platz zu stehen und es besser zu machen."
Unbestritten. Damit ein richtiges Fußballspiel zustande kommt müssen einige Leute aber auch einfach auf dem Sofa sitzenbleiben. Sonst sähe das Spiel ganz anders aus.
(Diesen Vergleich könnte man ja unendlich weiterspinnen... ;))
"Zumindest ich bleibe an dieser Stelle ratlos..."
Ich glaube, man kann durchaus zueinander finden wenn man den Dialog auch wirklich eingeht. Und nicht zu früh aufgibt. Ich würde jedenfalls gerne mit Dir überlegen, wie man die Distanz zwischen Parteien und "uns" verringern könnte.