Persönlich bin ich eher unzufrieden mit der Politik der Bundesregierungen. Hauptsächlich wegen der Versäumnisse auf vielen Politikfeldern die weitreichende Konsequenzen in die Zukunft haben, z. B. Agrarwende, Energiewende (bei weitem nicht genug getan), Gesundheitsreform.

2005 war die Reform des Gesundheitswesen ein großes Wahlkampfthema: Bürgerversicherung vs Gesundheitsprämie. Seitdem hat die SPD bei jeder Wahl versucht mit diesem Thema zu punkten, war aber nie erfolgreich. Aus zwei Gründen: Zum einen haben Merkel und die Union aus der Beinahe-Niederlage 2005 gelernt und vermeiden seitdem Rhetorik, die als allzu marktfreundlich ausgelegt werden würde. Zum anderen ist die fiskale Situation heute sehr viel entspannter. 2005 lag das das Haushaltsdefizit noch bei über 3%, die gesetzlichen Krankenkassen hatten massive Probleme. Es gab ein Gefühl, wenigstens unter den politischen Eliten, das massive Reformen nötig sind. Das ist heute nicht der Fall.

Von allen Parteien würde ich mir klare Zukunftsvisionen für Deutschland und Europa wünschen. Aber in der gefühlt wirtschaftlich stabilen Situation in Deutschland momentan kommt Polarisierung schlecht an. Der von Alemann-Artikel trifft es gut. Erstaunlich finde ich die hohen Zustimmungswerte der Regierung unter Anhängern der Linken, Grünen, und FDP. Ein Drittel der Linken, die Hälfte der Grünen und zwei Drittel der FDP-Anhänger sind zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Das macht's schwierig als Oppositionspartei.

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Für die SPD ist es dennoch strategisch unklug auf eine Kanzlerkandidatur zu verzichten. So trostlos ihre Siegeschancen für 2017 aus heutiger Sicht auch aussehen mögen, ein Kanzlerkandidat bringt extra mediale Aufmerksamkeit. Würde die SPD auf eine echte Kanzlerkandidatur verzichten, wäre die Story: "SPD glaubt nicht an Sieg". Das wäre schlecht für die Mobilisierung von Wählern und Wahlhelfern. Ohne Kanzlerkandidat würde das Ergebnis vermutlich schlechter sein als mit, egal wie aussichtlos die Kanzlerschaft auch sein mag.