Hallo @Brussels,

natürlich steht hier Schäuble nur als Person für eine von breiteren Kreisen getragene Politik, die sich verändern müsste. Mit Schäuble wird sie sich aber sicher nichts verändern, daher sollte über eine Neubesetzung nachgedacht werden. Es geht also nicht darum, Schäuble mit Schimpf und Schande vom Hof zu jagen, sondern darum, für die europäische Konsenssuche einfach auch einen konsensfähigen deutschen Finanzminister anzubieten. Syriza wäre doch gar nicht an der Regierung, wenn nicht so stur an der Austerität festgehalten worden wäre. Vermutlich hätte Griechenland schon in diesem Jahr den Zustand erreicht, dass die Schuldenquote nicht mehr weiter steigt, tendenziell sogar sinkt – was zumindest finanztechnisch der Turnaround für einen Staat ist. Das Problem ist doch nur, dass wir erstens noch immer nichts (oder zu wenig) an den Systemproblemend des Binnenmarkts und der Währungsunion gemacht haben und uns zweitens mit der scharfen Austerität gänzlich in eine Wachstumsschwäche katapultiert haben.

„Griechenland müsste weniger Waren aus dem Ausland importieren“

Da stimme ich zu, weshalb ich eine vorübergehende Steuer für Auslandsüberweisungen vorschlage. Importwaren würden vorrübergehend teurer, so dass die heimische Wirtschaft belebt wird und Importe durch Eigenproduktion substituiert werden.

Zum Grexit:

Der Verlust ist doch 2010 schon da gewesen und wir ziehen die ganze Show doch nur aus einem Grund ab, nämlich um diesen Verlust nicht realisieren zu müssen. Und da ging es weniger um Griechenland als um Italien, Irland, Spanien, Portugal und insbesondere Deutschland und Frankreich. Nach der Lehman-Pleite in den USA sind ja nicht nur ein paar hundert Milliarden in Übersee weggewesen, sondern in zahlreichen Ländern Europas sind Immobilienblasen geplatzt, die Aktienkurse eingebrochen und Unternehmen pleite gegangen. Da waren also vielleicht mal so zwei, drei Billionen Euro weg – einfach verschwunden – gab es nicht mehr. Gestern noch in den Büchern, heute wertmäßig nicht mehr existent.

Aber haben Sie davon irgendwas gemerkt, wenn sie auf ihren Kontostand geschaut oder wenn Sie Geld abgehoben haben? Nein?

Hätte man diese Verluste damals unsinnigerweise direkt realisiert, dann hätte da auch keine Einlagensicherung mehr geholfen, weil die nur funktioniert, wenn einzelne Banken betroffen sind, nicht aber bei einem kompletten Finanzkollaps in dieser Größenordnung. Hätte Irland seine Banken einfach pleite gehen lassen, wäre erstens kein Cent zurück nach Deutschland geflossen und zweitens wäre die irische Wirtschaft komplett abgeschmiert. Selbiges gilt für Spanien oder Portugal und auch Griechenland, mit dem Unterschied, dass dort die wirtschaftliche Ausgangslage noch schwieriger war und der Staat auch selbst schon von Anfang an überschuldet. Wir hätten also in Deutschland entweder noch viel mehr Geld gebraucht, um unseren Bankensektor zu stabilisieren, oder es wäre halt auch in Deutschland zu einem Zusammenbruch des Finanzwesens gekommen.

Ich finde daher eigentlich, dass sich jeder Deutsche mal kräftig bei den Griechen, besonders auch bei den Iren oder auch den Spaniern oder Portugiesen für diese großartige Show bedanken sollte. Die haben in ihren Staatshaushalten nämlich momentan die Kredite stehen, und bezahlen diese ja auch, die von unseren Banken einst munter an z.B. spanische Banken vergeben wurden und zu Beginn der Krise uneinholbar gewesen wären, wenn wir nicht gemeinsam dafür gesorgt hätten, dass wir im Finanzwesen so tun, als gäbe es die riesigen Verluste nicht. Dafür kommt den Euro-Staaten auch die EZB entgegen und federt die zusätzliche Kreditaufnahme durch die niedrigen Zinsen ab. Insgesamt zahlt die Eurozone heute ja sogar weniger Zinsen als noch vor der Bankenrettung – nur die Verteilung der Zinslast auf die Länder hat sich im Laufe der Krise verändert (http://www.mister-ede.de/politik/schulden-zinslast-finanzkrise/3686).

Und was hat das jetzt gebracht? Nun ja, zunächst eben, dass, von Ausnahmen (z.B. Zypern) abgesehen, niemand etwas gemerkt hat. Unterstützt durch die Geldpolitik haben sich die Bilanzen der Banken und die Haushalte der Eurozone insgesamt etwas konsolidiert und insgesamt stehen wir ja heute nicht mehr vor einem akuten Finanzkollaps. Das ist zwar alles auch noch kein Dauerzustand, aber zumindest ein weg, um dem Finanzwesen und den Staaten die Möglichkeit zu geben, wieder auf die Beine zu kommen und die Lehren aus der Krise zu ziehen. Die Banken haben außerdem wieder eine gewisse Eigenkapitalversorgung – freilich noch immer zu wenig – und viele Risiken wurden abgebaut, beides natürlich zum Teil zu Lasten der Staatsverschuldung. Dafür aber gibt es zumindest funktionierende Finanz- und Staatswesen und die Wirtschaft kann arbeiten – wie das anders sonst aussieht, kann man ja aktuell in Griechenland bestaunen.

Zu Griechenland: Theoretisch hätte das Land finanztechnisch schon 2015 den Turnaround geschafft. Der ist bei hochverschuldeten Staaten nämlich ziemlich angenehm zu erreichen. Bei 180% Staatsverschuldung und gleichbleibendem Zins kann Griechenland jedes Jahr ein Defizit in Höhe von 1,8 * nominales BIP Wachstum haben. Wächst das nominale BIP um 3% kann das Defizit 5,4% des BIP betragen, ohne dass sich die Schuldenquote erhöht.

P.S. Ich wüsste ja wirklich gerne, wie Schäuble und Juncker auftreten würden, wenn die jeweils den Job des anderen machen müssten.