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    Alexander Poel · angelegt
     

    Also, ich finde die Rede von Gauck goldrichtig und vor allem: sie kommt zum richtigen Zeitpunkt.

    Vor Jahren habe ich mal über die Münchner Sicherheitskonferenz berichtet. Es war eine Zeit, in der sich Deutschland ob seiner Weigerung, in bestimmten Teilen Afghanistans zu kämpfen, viel Kritik anhören musste, insbesondere vom damaligen US-Verteidigungsminister Bob Gates ("Einige kämpfen, andere nicht"). Diese Haltung teilte ich damals nicht. Ich tat es als Überbleibsel Rumsfeldscher Rhetorik ab (Gates ist ja Republikaner).

    Auf eben dieser Siko hatte ich einen Interviewtermin mit Kenneth Roth, dem Direktor von Human Rights Watch. Und ich stellte ihm die - rhetorische - Frage, ob er nicht auch der Meinung sei (wie ich), dass sich Deutschland wegen seiner Geschichte beser militärisch zurückhalten solle. Die Antwort war frappierend:

    "Germany must stop hiding behind the Holocaust"

    Ich hatte es bis dahin noch nie von dieser Warte aus betrachtet: Das wir uns - in seinen Augen - hinter unserer Geschichte VERSTECKTEN. Und es war ja nicht Bob Gates, der da sprach, oder der US-Präsident. Es war der Direktor der bekanntesten und anerkanntesten Menschenrechtsorganisation überhaupt. Man stelle sich für eine Sekunde lang vor, ein Bundestagsabgeordneter hätte dies gesagt!

    Ich habe heute eine andere Sicht auf die Dinge. Ich bin nicht - wie Roth - der Ansicht, Deutschland solle den Parlamentsvorbehalt abschaffen. Ich bin aber dafür, dass man ihn so verändert, dass z.B. Einsätze der "SCHNELLEN Eingreiftruppe" möglich sind. Ich bin dafür, dass sich Deutschland in dieser Frage eng mit Frankreich abstimmt und - wie nun geschehen - etwa in Afrika Verantwortung übernimmt. Dies mus meiner Ansicht nach den Einsatz von Kampftruppen einschließen.

    Viel wichtiger als holterdipolter Truppen zu entsenden ist aber etwas anderes: Europa braucht endlich ein Sicherheitspolitisches Weißbuch. Bislang ist eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik - wenn überhaupt - nur schemenhaft erkennbar. Auch hier müssen Deutschland und Frankreich als Führungsnationen voran gehen. Politische Lösungsansätze, wie etwa Sarkozys Idee einer "Mittelmeer-Union" waren vielversprechend. Sie wurden dann aber u.a. von Deutschland kassiert, weil sie als Konkurrenz zur EU wahrgenommen wurde (wie kurzsichtig!). Diese Mittelmeer-Union sollte eben auch die Staaten Nordafrikas mit einbeziehen.

    Ein letzter Punkt betrifft das "sharing and pooling". Gemeinsame Auslandseinsätze können finanziell nur dann realisiert werden, wenn die Entwicklung und Anschaffung der Ausrüstung aufgeteilt wird. Das bedeutet: Jedes Land muss auch hier seinen Teil beitragen.Wenn sich also Herr Seehofer in diesen Tagen brüstet, er werde nichts gegen den Stellenabbau bei "Airbus Defense" tun, weil er Rüstung ohnehin für überflüssig oder nicht förderungswürdig hält, lässt das tief blicken. Wenn Europa mehr Verantwortung in der Welt übernehmen will, braucht es Hubschrauber, Truppentransporter und moderne Waffensysteme. Die Äußerung mancher Politiker zu diesem Thema sprechen jeder internationalen Verantwortung Hohn.

    Also: 1) Deutschland muss - im Sinne Gaucks - mehr Verantwortung übernehmen, auch mit Kampftruppen. Dies gilt im Moment für Afrika.

    2) Parallel dazu müssen die Europäischen Partner Richtlinien entwickeln, nach denen Einsätze von EU-Truppen möglich sein sollen (Kriterien und Procedere). Das schließt eine Modifikation des Parlamentsvorbehalts in Deutschland ein.

    3) Die Politik in Deutschland muss den Bürgern in Bezug auf derartige Einsätze reinen Wein einschenken. Sie muss raus aus dem Bundestag und sich den notwendigen Diskussionen auf Demos und in Townhall-Meetings stellen. Nur dann kann sie (vielleicht) auf die Unterstützung der Bevölkerung hoffen.

    4) Ursula von der Leyen könnte as Zeug dazu haben, eine solche Debatte zu führen. Zumindest ist dies mein Eindruck. Dazu ist es notwendig, dass sie sich langsam von der momentanen Debatte löst, die wir mit Blick auf die Bundeswehr führen und sich auf die Themen konzentriert, für die sie als Ministerin zu allererst zuständig ist: Sicherheit und Verteidigung.