Rede von Joachim Gauck: Muss ein Ruck durch die deutsche Außenpolitik gehen?
Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Eröffnungsrede der Münchner Sicherheitskonferenz. Foto: picture alliance / dpa
Ein Beitrag von FelixS Mitglied JDGAP
Bundespräsident Gauck hat sich heute auf der Münchner Sicherheitskonferenz als starker Anwalt einer aktiveren deutschen Außenpolitik präsentiert. In seiner vor allem in die Zukunft aufgerichteten Rede plädierte Gauck an vielen Stellen für mehr deutsches Engagement, u. a. in UN, NATO und EU.
Debatten über "gleiche Rechte" sind heute en vogue. Von gleichen Pflichten ist seltener die Rede. Da ist es bemerkenswert, dass der Bundespräsident vor einem internationalen Top-Publikum sagt, Deutschland sei nicht nur ein Partner mit gleichen Rechten, sondern auch mit gleichen Pflichten.
Die Gründe dafür leitet Gauck aus Deutschlands Interessen her. Man erinnere sich daran: Einer von Gaucks Vorgängern musste über ähnliche Aussagen zurücktreten. "Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert", so Joachim Gauck, sei es, "dieses (internationale) Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen."
Dabei kommentierte Gauck Europa und Deutschland mit deutlicher Kritik. Europa sei "mit sich selbst beschäftigt" und Deutschland könne nicht "einfach weitermachen wie bisher". Darüber hinaus werfe sich Deutschland der "finanziellen Auszehrung (der NATO) nicht entgegen".
In Sachen NSA legte Gauck einmal den Finger tief in deutsche Wunde. Zwar erhebt Deutschland gegenüber den USA moralisierend den Zeigefinger, bleibt aber wissend in der Abhängigkeit von Informationen anderer Nachrichtendienste.
Wie Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen nimmt auch der Bundespräsident innerlich Abschied vom Mantra der Kultur der Zurückhaltung. Gauck: "So kann aus Zurückhaltung so etwas wie Selbstprivilegierung entstehen, und wenn das so ist, werde ich es immer kritisieren. Denn für mich ist ganz klar: Wir brauchen das Nato-Bündnis. Und gerade wenn die Vereinigten Staaten nicht ständig mehr leisten können, müssen Deutschland und seine europäischen Partner für ihre Sicherheit zunehmend selbst verantwortlich sein."
Wenn es nach Gauck geht, muss sich Deutschland - aber nicht allein, sondern mit Partnern "früher, entschiedener und substantieller einbringen".
Kurzum: Der Bundespräsident hat gegenüber der globalen sicherheitspolitischen Community ein Zeichen gesetzt. Mit Deutschland soll global außen- und sicherheitspolitisch wieder stärker zu rechnen sein. Keine Alleingänge, sondern mehr Berliner Input im multilateralen Rahmen.
Wie genau das geschehen soll, hat der Bundespräsident natürlich nicht gesagt. Genau da seit ihr gefragt: Was tun?
Die Rede im Volltext.
Doro
Muss nicht statt ein Ruck durch die deutsche Außenpolitik bei der Rede von Joachim Gauck ein Schrecken durch Deutschland gehen? Allzu schnell könnte es einen Präzedenzfall geben, der es verlangt, dass aus kernigen Worten kernige Taten werden. Wenn die Lage in der Ukraine weiter eskaliert, wenn die Armee gegen die Opposition vorgehen sollte, wenn Staaten der EU, allen voran Deutschland, sich gedrängt fühlen sollten, für die Opposition militärisch zu intervenieren, wenn Rußland zunächst nur die Olympiade abwarten sollte, um seinerseits der ukrainischen Armee zu helfen...Nicht auszudenken! Und das 100 Jahre nach 1914 und 75 Jahre nach 1939! Es geht nicht um ein Sich-Verstecken hinter deutscher Schuld gleichsam als Selbstprivilegierung, sondern um ein Lernen aus der Geschichte, um Klugheit und Gewaltprävention. Die Büchse der Pandora darf nicht geöffnet werden! Notfalls sollte die ukrainische Opposition, so sehr das Recht auf ihrer Seite ist, gedrängt werden, auf ihre Maximalforderung zu verzichten und sich auf die Kompromisse, die die Regierung ihr angeboten hat, einzulassen. Auch die Kompromisse wären ja nur ein Durchgangsstadium. Jedenfalls empfinde ich Gaucks Rede, zumal zum jetzigen Zeitpunkt, erschreckend. Und im Übrigen: Die Sicherheit Deutschlands und der EU wird nicht durch außereuropäische Bürgerkriege gefährdet, sondern eher durch ein militärisches Eingreifen in diese Bürgerkriege. Es gibt viele andere Optionen des Eingreifens!