Hallo Herr Peterka,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Für mich beschreibt der Elitenbegriff nur die „Entscheider“ aus Wirtschaft und Politik bzw. ggf. Medien und ist auch nicht negativ besetzt. Aber vielleicht gibt es ja noch bessere Worte, z.B. Establishment.
Bildungssystem sowie Elternhaus haben einen entscheidenden Einfluss auf den Lebensweg. Ich persönlich sehe hier aber nicht direkt die eigenen Partizipationsmöglichkeiten eingeschränkt, zumindest nicht auf der Ebene des politischen Diskurses in der Bevölkerung.
Genau das ist für mich einer der beiden Kernaspekte, also die Mündigkeit selbst. Ich denke, es ist unstreitig, dass Menschen auch manipuliert werden können und es ist ja auch nicht ganz unverständlich, nachdem eben Menschen aus der Erfahrung und dem Erlebten heraus auf die Welt blicken. Gerade auch in Deutschland soll eine Verblendung des Volkes durchaus schon vorgekommen sein, so dass der mündige Bürger z.B. bei den Reichstagswahlen fatal wählte. Bis lange in die Demokratie hinein wurde in manchen Ländern Sklaverei gedudelt und auch das Frauenwahlrecht ist jetzt nicht gerade allzu alt. Die Mündigkeit ändert also nicht unbedingt etwas daran, ob eine Gesellschaft Missstände oder Fehlentwicklungen erkennt oder auch die eigene Unmündigkeit.
Die Diskussion, ob wir frei und mündig sind, ist allerdings müßig. Ich würde nur eben die Mündigkeit nicht einfach so als gegeben voraussetzen. Zumal ich mich frage, ob in Deutschland tatsächlich jeder die gleiche Chance hat zu einem wirklich mündigen Bürger zu werden.
Der scheinbar immer größer werdende Einfluss von Lobbygruppen ist natürlich eine weiterer Diskussionspunkt, bedeutet meiner Meinung nach aber eben nicht, dass der Einfluss von Bürgerinnen und Bürgern kleiner werden muss.
Das sehe ich nicht so. Einfluss ist ja eine relative Größe und somit ist der Einflussgewinn des einen automatisch der Einflussverlust eines anderen. Wenn daneben die Mittel zur Einflussnahme z.B. durch Wohlstandsunterschiede krass ungleich verteilt sind, verzerrt das den demokratischen Prozess. In diesem Fall glaube ich dann aber auch nicht, dass Abgeordnetenbesuche professionellen Lobbyismus wirklich ausgleichen können.
Bezüglich der Mündigkeit möchte ich, wie im Ausgangstext gesagt, nicht andeuten, es gäbe eine Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger direkten Einfluss auf den Ausgang eines politischen Prozesses zu nehmen.
Das will ich auch nicht einfordern – ich finde den Parlamentarismus gut – allerdings ist meine Frage eben, ob zumindest alle den gleichen Einfluss auf den Ausgang des politischen Prozesses haben, oder eben manche mehr. Das ist, wie auch schon der Punkt davor, der zweite der beiden Kernaspekte, also dass Eliten innerhalb unseres Systems ihre Interessen leichter vertreten können. Wenn dem so ist, dann hat es ein mündiger Bürger aus der Elite eben einfach leichter als ein mündiger Bürger aus der breiten Masse seiner Mündigkeit Nachdruck zu verleihen. Wenn dazu noch der erste Kernaspekt kommt und Menschen vom Rand der Gesellschaft es auch noch schwerer haben überhaupt zu einem mündigen Bürger zu werden, dann kann auch das zu dem Spalt zwischen Bürgern und politischer Klasse führen, wie ihn Jean-Claude Juncker diagnostiziert.
Wird denn Medienmacht nicht vor allem durch eine große Leserschaft verliehen?
Da können wir uns natürlich drehen und wenden so oft wir wollen. Solange Sie immer auf die Macht des Einzelnen abstellen, auf die Entscheidung des mündigen Bürgers und in diesem Fall des Medienkonsumenten, und ich eben diese Mündigkeit immer auch als ein Ergebnis des Systems und der Rahmenbedingungen ansehe, kommen wir hier halt nicht zusammen. Entscheiden wirklich Sie, was Sie essen, oder nimmt Ihnen die Werbung nicht schon einen großen Teil der Entscheidung ab und erledigen Supermarkt und Discounter dann noch den Rest?
Man sollte sich im Klaren sein, was man liest
die langfristige “Selbstreproduktion” ist in einem Wahlsystem quasi “gewählt”
in dem wir die entsprechende Personalie wählen oder auch nicht
Mündigkeit impliziert sich dessen bewusst zu sein
Bei all diesen Punkten sind wir eben bei der Frage, wie „bewusst“ bzw. „klar“ ein Mensch entscheiden kann, und hier trennen uns wohl einfach zwei unterschiedliche Grundvorstellungen. Es macht ja Sinn, wenn Sie aus der Mündigkeit dann folgern, dass das System so ist, wie wir es eben gewählt haben. Ich zweifel aber eben schon an der Mündigkeit, also z.B., ob alle die gleiche Chance haben mündig zu werden und daran, dass alle die gleiche Chance haben, im Rahmen ihrer Mündigkeit Einfluss zu nehmen.
Ich bin da einfach eher z.B. bei dem Beitrag von Thorsten Wiesmann Link: http://publixphere.net/i/publixphere-de/proposal/2305-Thorsten_Wiesmann_Jenseits_der_Postmoder , [Beitrag von Thorsten Wiesmann] (https://publixphere.net/i/publixphere-de/proposal/2305-Thorsten_Wiesmann_Jenseits_der_Postmoder), der ebenfalls den Menschen und sein Hadeln nicht losgelöst vom jeweils vorherrschenden System betrachtet.
Umso mehr über politische Positionen kommuniziert und debattiert wird, umso mehr öffentlicher Diskurs betrieben wird – in Gemeinden, Ratssälen, Kneipen, Parlamenten, Sprechstunden, Bürgerfesten etc. etc. etc. – kurz: Umso mehr Austausch stattfindet, umso geringer wird der Einfluss der vermeintlichen Umfragewerte. Aber das ist vielleicht auch eine etwas utopisch-persönliche Interpretation.
An dem Punkt bin ich ganz Ihrer Ansicht. Die Demokratie ist die Gesellschaftsform, in der die breite Masse am ehesten die Möglichkeit hat, sich einzubringen und somit mitzubestimmen. Ein Grund dafür, warum man diese Chance in einer Demokratie auch nutzen sollte. Gleichwohl muss man aber feststellen, dass – wie glaube ich bei jedem anderen Gesellschaftssystem – diejenigen, die von dem aktuellen System besonders profitieren, mehr Macht und Einfluss haben, als jene, die von diesem System nicht profitieren bzw. umgekehrt die Einflussreichen und Mächtigen mehr profitieren als die breite Masse.
Abschließend: Ich hoffe, ich konnte darstellen, wieso mir eben die Frage nach der Mündigkeit (sind wir wirklich frei?) als auch nach dem politischen Einfluss unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen (haben alle die gleiche Chance auf Einfluss?) in Ihrem Artikel zuvor gefehlt hat. Mit Ihren ausführlichen Antworten haben Sie das aber völlig ausgeglichen. Der Aufforderung sich einzubringen und seine Gestaltungsoption wahrzunehmen, unterstütze ich absolut. Allerdings würde ich eben ergänzen, dass es für die breite Masse systembedingt schwerer ist, ihre Anliegen eingebracht zu bekommen und außerdem anmerken, dass es z.B. Kinder aus einem schwächeren sozialen Umfeld schwerer haben, zu einem mündigen Bürger zu werden.
Genau deshalb würde ich auch die Eliten-Diskussion von der Frage der politischen Partizipation trennen, womit wir wieder beim „Spiel des Lebens“ wären.
Beste Grüße,
Mister Ede