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Vom “mündigen Bürger” – eine Meinung


Foto: Ryan McGuire Auf den kleinen Mann hört ja wieder niemand. Oder? Foto: Ryan McGuire (CC0 1.0)

Die da oben machen doch sowieso was sie wollen ... Felix Blickwinkel Blog knöpft sich ein paar Allgemeinplätze des Politik-Bashings vor. Wie mündig können und wollen wir sein?


Ein Beitrag von Felix Blickwinkel Blog , erstmals erschienen auf dem Blog: Blickwinkel – Vermessenes aus allen Ecken


Eine offene, freie und demokratische Gesellschaft lebt vor allem von Partizipation der in ihr lebenden Menschen. Egal, ob ich mich heutzutage mit Freunden und Menschen meiner Umgebung unterhalte oder in Zeitungskommentaren, Blogs und Foren lese, immer und immer wieder fallen Begriffe wie Elite, Oberschicht, Medien, Presse etc. In der Regel entsteht bei mir der Eindruck, mein Gegenüber empfindet sich als nicht genug informiert, nicht genug beteiligt und nicht genug wahrgenommen. In der Regel entsteht bei mir der Eindruck, dass das so stimmt.

So weit so gut.

Wir sind uns also einig.

Alle Parteien wollen ja auch genau das Gleiche.

Alle Medien schreiben genau das Gleiche.

Alles ist gleich.

Und doch nicht das Selbe.

Man hat als Eine/r hier Unten auch kaum eine Chance, irgendwie wahrgenommen zu werden. Die Politiker und Politikerinnen machen, was sie wollen, die hören nicht auf ihr Volk. Einmal gewählt, interessiert es sie bis zum nächsten Wahlkampf nicht mehr, was die sie Wählenden eigentlich wollen.

Ist das schlimm? Ich finde nicht.

Genau dafür habe ich sie gewählt. Nicht weil ich finde, dass alles was sie tun, richtig ist. Nicht weil ich finde, dass sie immer den richtigen Weg zum Ziel, geschweige denn immer das richtige Ziel im Auge haben.

Gewählt wird in einer repräsentativen Demokratie die Person und die Partei, von der man glaubt, sie nutzt in parlamentarischen Kompromissen einer pluralistischen Gesellschaft ihren Einfluss so, dass meine Gedanken und Werte den größtmöglichen Anteil an der gesellschaftlich bindenden Entscheidung haben.

Der Wahlkampf bzw. die Wahl selbst ist also ähnlich einer Evaluation.

Sie ist meine Möglichkeit zu sagen, ich fühle mich nicht repräsentiert. Sie ist meine Möglichkeit zu sagen, ich fühle meine Positionen nicht eingebracht. Sie ist meine Möglichkeit zu sagen, ich finde Politik doof. Sie ist nicht meine Möglichkeit, zu regieren. Sie ist nicht meine Möglichkeit, Politik zu machen. Sie ist nicht meine Möglichkeit, zu herrschen.

Das Wahlprogramm ist die Niederschrift dessen, was eine Partei macht, wenn Sie regiert.

Eine Partei regiert in einer Demokratie, wenn sie die absolute Mehrheit hat.

Gibt es keine absolute Mehrheit, gibt es eine Koalition.

Gibt es keine absolute Mehrheit, kann man ein Wahlprogramm im Regelfall nicht vollständig umsetzen.

Bedeutet das, dass meine Meinung immer eine Rolle spielt? Nein.

Bedeutet das, dass ich immer in Entscheidungen eingeschlossen werde? Nein.

Bedeutet das, dass ich alles wissen muss, um zu wählen? Nein.

Ist das Schlimm? Ich finde nicht.

Demokratisch bedeutet unter anderem, dass die Entscheidung unter Beteiligung Aller[1] gefällt wird. Repräsentativ-demokratisch bedeutet unter anderem, das Alle[2] die Möglichkeit haben, sich bei Entscheidungen von jemandem Vertreten zu wissen, der ihren Interessen größtmögliche Aufmerksamkeit verschafft.

Politiker sind unsere Lobbyisten, nicht unser Sprachrohr.

Wenn ich mich nicht mehr vertreten fühle, wähle ich also jemand anderen.

Aber wenn es niemanden mehr gibt?

Wenn keine Partei meine Position vertritt?

Wenn kein Mensch in der Politik ist, dem ich meine Souveränität anvertrauen möchte?

Dann gehe ich nicht wählen.

Bringt ja sowieso nichts.

Die da oben machen, was sie wollen.

Hier unten kann ich nichts machen.

Ist das die richtige Reaktion? Ich weiß es nicht.

Ist das eine mündige Reaktion? Ich finde nicht.

Mündig bedeutet ja vor allem handlungsfähig. Etwas nicht tun bedeutet vor allem nicht zu handeln.

Ich finde wer mündig ist, versucht Wege der Teilhabe zu finden. Sei es, in dem er sich selbst am politischen Leben beteiligt – und ja dafür hat man eigentlich immer Zeit. Ich weiß, es ist ein Totschlagargument, aber die ersten SPDler haben weitaus länger am Tag gearbeitet, zu weitaus miserableren Bedingungen als wir heute in Deutschland. Damit meine ich nicht die ersten Politiker. Ich meine die Mitglieder, die Menschen die partizipiert haben am politischen Leben. Außerhalb eines damals nicht wirklich existierenden Parlaments.

Ein politisches Leben bedingt Menschen, die es leben. Sich zurück zu ziehen und zu sagen man hat keine Möglichkeit der Teilhabe, ist für mich das Aufgeben der eigenen Mündigkeit.

Nur auf die Straße zu gehen und gegen Politiker, Personen, Presse und Parteien zu demonstrieren, ist für mich das Aufgeben der eigenen, politischen Mündigkeit.

Mündigkeit bedeutet nicht nur Veränderungen zu wollen. Mündigkeit bedeutet nicht nur Veränderungen zu begleiten. Mündigkeit bedeutet nicht nur Veränderungen zu gestalten.

Mündigkeit bedeutet vor allem Veränderungen herbeizuführen.

Mündigkeit bedeutet auch, nicht immer aufzugeben, nur weil man nicht gewonnen hat. Mündigkeit bedeutet auch, offen zu sein. Mündigkeit bedeutet, sich selbst im Klaren zu sein, dass die eigene Meinung nicht immer richtig sein muss. Mündigkeit bedeutet, Kritik geben zu können. Mündigkeit bedeutet, Kritik annehmen zu können. Mündigkeit bedeutet, fundiert zu kritisieren. Mündigkeit bedeutet fordern. Mündigkeit bedeutet, sich selbst zu fordern. Mündigkeit bedeutet, Medien zu konsumieren. Mündigkeit bedeutet, Medien zu kritisieren. Mündigkeit bedeutet, sich Informationen selbst zu beschaffen.

Mündigkeit ist eine Anforderung an sich selbst, keine Eigenschaft.

Wer sich manipuliert fühlt, muss vor allem selbst etwas tun, selbst suchen, selbst denken und nicht auf diejenigen vertrauen, die sagen, man sei manipuliert.

Wer mündig ist, läuft gleichauf, nicht nebenher.

Wer mündig sein will, muss vor allem mündig sein.

Wer handlungsfähig sein will, muss handeln.

Wer handeln will, muss Verantwortung übernehmen.

Wer Verantwortung übernimmt, muss antworten können.

Wer antworten kann, muss falsch liegen können.

Wer falsch liegen kann, muss sich korrigieren können.

Wer sich korrigieren kann, kann diskutieren.

Wer diskutieren kann, kann teilhaben.

Wer teilhaben kann, ist politisch.

Wer politisch ist, ist mündige/r Bürger/in.


[1] (Mitglieder des Demos)

[2] (Mitglieder des Demos)


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Kommentare

  • Zeitgeist der Teilhabe

    Lieber Felix!

    um rauszukommen aus dem Bashing halte ich Teilhabe-Erfahrungen für extrem wichtig. Und ich bin da ganz hoffnungsfroh, wenn ich mir zum Beispiel ansehe wie Kindergärten heute gestaltet werden. Mit Kinderparlamenten und ganz vielen Gruppen-Entscheidungen, gemeinsamen Gestaltungen. Mein Kindergarten war dagegen die reine Diktatur! Mit Befehl zum Mittagsschlaf, egal wie aufgedreht man auch war :)

    Überhaupt sehe ich immer mehr Nachbarschaftsprojekte und lokale Gemeinschaften, Publixphere ist ja auch sowas in der Art (eine Partizipationsplattform und ein sozialer Prozess), vielleicht achte ich nur deshalb vermehrt drauf :). Also ich fände es großartig, wenn heute die gemeinsame Gestaltung mehr simuliert, geübt und praktiziert wird als noch vor zehn, zwanzig Jahren, so steigt auch das Verständnis für PolitikerInnen. Jede/r sollte selbst Meinungsfindungsprozesse erleben und auch mal Entscheidungen deligiert bekommen, um zu wissen, wie das ist. Strukturelle Partizipations-Ungleichgewichte gehören natürlich genauso reflektiert (siehe MisterEde).

    Auch direktdemokratische Elemente können sehr heilsam sein, wie jetzt das Olympia-Referendum in Hamburg. Irgendwann muss sich das IOC mal ernsthaft fragen, warum "der olympische Gedanke" nicht mehr bei allen verfängt, warum so viele Menschen genug davon haben (vom Geschacher? Vom Doping? Vom Kommerz? Vom Gigantismus? Von der Toleranz gegenüber Schurkenstaaten?). Das führt zum Wettbewerb der Ideen, zur Erneuerung. Irgendwelche Funktionäre und Sponsoren können sich eben nicht darauf ausruhen, dass ihre Spiele einfach so begeistern.

    Grüße! Alex

  • Ich kann zwar auch nicht nachvollziehen, wie Menschen auf die „Politik“ schimpfen können, ohne sich selbst jemals politisch zu engagieren, aber ich würde das ganz klar von der „Eliten“-Diskussion trennen. Ohne die Frage der Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu thematisieren oder die (Un-)Durchlässigkeit unserer Gesellschaft zu betrachten, greift mir das nämlich zu kurz.

    Spiel des Lebens (26.11.2015, 1:57 min, ARD-Sendung Extra 3, www.ardmediathek.de)

    Die Konzentration von Vermögen und die Auswirkungen (www.mister-ede.de – 26.11.2012)

    Die Frage ist ja z.B., ob wirtschaftliche Eliten (z.B. weil sie große Parteispenden machen oder über Lobbyisten Einfluss nehmen können oder wie Springer eine ungeheure Medienmacht haben) nicht auch maßgeblichen Einfluss auf die politischen Eliten haben – theoretische Mündigkeit der Bürger hin oder her.

    • Felix Blickwinkel Blog
      +2

      Die Frage, ob Geldströme aus der Wirtschaft einen maßgeblichen Einfluss auf politische Entscheidungen haben, ist in der Tat eine wichtige. Aus meiner Sicht besteht jedoch nach wie vor keine Zwangskausalität zwischen dem vermeintlichen Geldkoffer, den man ins Abgeordnetenbüro stellt, und dem Outcome eines politischen Prozesses. Setzen sich PolitikerInnen und Parteien für wirtschaftliche Interessen ein? Mit Sicherheit. Spenden wirtschaftliche Interessengruppen für solche Parteien Geld und hegen Kontakt zu entsprechenden PolitikerInnen? Ich denke auch diese Frage können wir beide mit einem klaren Ja beantworten. Die einfachste Erklärung ist natürlich zu sagen, dass durch das fließende Geld sichergestellt werden soll, dass Entscheidungen zum eigenen Vorteil getroffen werden. Auch hier würde ich mitgehen.

      Parteien brauchen Geld. Natürlich lässt sich mit den bewilligten Mitteln aus der Staatskasse eine ganze Menge bewerkstelligen, aber mit mehr Geld lässt sich eben mehr bewerkstelligen. In Bezug auf die Mündigkeit unsererseits ist es doch eigentlich nicht wirklich wichtig, wieviel Geld ein Konzern wem spendet. Es ist eigentlich relativ klar, welche Parteien im aktuellen Bundestag sehr stark geneigt sind, industrie- und wirtschaftsfreundliche Regulierungen umzusetzen. Das würden sie auch tun, wenn sie aus der entsprechenden Richtung keinen Cent sehen würden, schlichtweg, weil es zu ihrer parteiprogrammatischen Ausrichtung gehört.

      Ob die Konzernspende nun dazu dient, die Abgaswertrichtlinien von der politischen Bildfläche verschwinden zu lassen, ist wohl eine ganz eigene Diskussion wert. Aber vor allem zielt die Spende wohl darauf ab, die Organisation zu unterstützen, welche im politischen Alltag die konzernnahen Positionen vertritt.

      Meiner Meinung nach es ist zu kurz gegriffen, den gesamten politischen Betrieb oder die politische „Elite“ in Verruf zu bringen oder den Eindruck einer geschlossen-homogenen politischen Elite zu erwecken, weil es Parteispenden gibt und diese in der Regel nicht neutral in alle Richtungen verteilt werden.

      Eine Parteispende ist kein zweiseitiger Vertrag. Im Grunde kann sie wie AFD-Werbung in der taz sein. Man kann das stark kritisieren und sagen, die taz hätte ihren Wertekanon verloren und würde Werbung für „den Feind“ machen. Dabei sollte man aber nicht vergessen, an wen Werbung in der taz eigentlich gerichtet ist, nämlich an LeserInnen der taz. Die Auswirkungen der Einnahmen im Budget der taz sind wohl wesentlich ausschlaggebender als die Auswirkungen der Werbung der AFD in Bezug auf das Wahlverhalten der Leserschaft, geschweige denn auf taz-Personal.

      Das reine Aufkommen von Fremdfinanzierung muss also nicht zwangsläufig einen Einfluss auf die empfangende Gruppe haben, auch wenn das Geld sehr wohl einen Einfluss auf das Budget hat.

      Kurzum stehen zwischen einer Parteispende und/oder Lobbyisten und politischen Entscheidungen vor allem PolitikerInnen. Die werden, egal wie man es dreht oder wendet, von BürgerInnen gewählt und sind vor allem selbst BürgerInnen. In diesem Land kann glücklicher Weise noch immer jeder Mensch selbst in die Politik gehen oder zumindest versuchen, genügend Menschen von der eigenen Position zu überzeugen. Dieser Punkt lässt sich natürlich aus verschiedenen Perspektiven der angesprochenen Chancengleichheit kritisieren, im Generellen trifft er m. M. nach allerdings zu.

      Stößt man sich also daran, dass politische Entscheidungen gewisser Parteien und PolitikerInnen oftmals diejenigen bevorzugen, denen große Geldsummen zur Verfügung stehen, kann man natürlich erst einmal von Lobbyismus reden. Man kann von Korruption reden. Man kann sagen, dass die da oben dem Kapital folgen.

      Man kann aber vor allem feststellen, wer die da oben eigentlich sind: Gewählte VertreterInnen aus den eigenen Reihen.

      Aus diesen Reihen können sich alle zur Wahl stellen.

      Aus diesen Reihen können alle wählen.

      Aus diesen Reihen wählt die Mehrheit immer noch eher nach wirtschaftlichen als sozialen Interessen, zumindest interpretiere ich das aus den Wahlergebnissen der letzten BTW.

      Ist es der Geldstrom der Unternehmen, die es den Parteien und PolikerInnen ermöglichen bzw. die Anreize setzen, die entsprechenden Gesetze und Regulierungen zu erlassen? Oder ist es am Ende nicht doch auch die Mehrheit, die vor allem über das nörgelt, was sie am Ende selbst wählt – im persönlichen wie auch programmatischen Sinne?

      Was die Medienmacht von Springer angeht, ist wohl auch das eigentlich eine ganz eigene Diskussion. Ich denke aber, Springer wie auch die meisten anderen Medien folgen in der Regel Trends. Auch hier sitzt zwischen der Macht eines Medienkonzerns und der Realisierung der gewünschten Interessen in der Regel eine dritte Partei, nämlich wir. Ist es der Umsatz Springers, der die Politik dazu zwingt, auf die Eigeninteressen der Verlagsgruppe einzugehen? Oder sind es die vielen Leserinnen und Leser der entsprechenden Zeitungen, die die Machtposition fundieren? Ist es das Geld oder die Berufung auf die Proportionalität der eigenen Leserschaft zur (wählenden) Bevölkerung?

      Wird denn Medienmacht nicht vor allem durch eine große Leserschaft verliehen? In unserem Land wird glücklicherweise noch niemand gezwungen, eine bestimmte Auswahl an Informationskanälen zu treffen. Die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Kanäle wird hingegen immer größer. Es liegt für mich am Ende eben doch auch in unserer Hand, wer in diesem Land wie viel Medienmacht besitzt und ist somit auch abhängig von der eigenen Mündigkeit.

      • Mir geht es nicht in erster Linie um die Frage der Einflussnahme im Rahmen einer politischen Landschaftspflege. Das sollte eigentlich nur ein einzelnes Beispiel sein. Aber kurz dazu: Eine „Zwangskausalität“ sehe ich dort nicht, allerdings sind monokausale Zusammenhänge bei komplexen Beziehungen sowieso eher selten. Nur heißt das ja noch lange nicht, dass man daraus schließen kann, es gäbe überhaupt keinen Einfluss. Auch zwischen Werbung und Produktabsatz gibt es keinen festen Zusammenhang, aber dennoch hat Werbung einen Einfluss.

        Mir geht es aber viel mehr darum, dass
        - die Mündigkeit der Bürger auch vom System abhängt, z.B. dem Bildungssystem
        - die Zugehörigkeit zur Elite zu einem nicht unerheblichen Teil vom Elternhaus abhängt
        - die Elite auf die Politik mehr Einfluss nehmen kann als die breite Masse
        - sich natürlich auch die Eigeninteressen der am politischen Prozess beteiligten Personen oder Gruppen auf das Ergebnis auswirken (und nicht nur die Entscheidung mündiger Bürger)

        Ich glaube also, dass zum einen die Mündigkeit davon abhängt, in welchem Rahmen (Sozialisierung, Gesellschaftssystem, familiärer Background) sich ein Mensch bewegt und dass zum anderen die Ergebnisse des politischen Prozesses auch in einer Demokratie nicht monokausal auf die Mündigkeit der Bürger zurückgeführt werden können.

        Zu zwei Punkten von Ihnen:

        Wird denn Medienmacht nicht vor allem durch eine große Leserschaft verliehen?

        Der Zusammenhang ist umgekehrt. Wer bei einem Land mit 80 Mio. Einwohnern Medienmacht hat, der hat zwangsläufig auch wirtschaftliche Interessen. Und auch wenn ich es nun nicht belegen kann, so müssen Sie doch zugeben, dass es zumindest plausibel ist, dass z.B. die Ausnahmen für Zeitungszusteller beim Mindestlohn wesentlich mehr mit der Machtposition der großen Verlage zu tun hatte, als dass das nun der Wunsch der Bürger war. Wenn es aber noch nicht einmal ein besonderes Anliegen der Bürger war, dann dürfte doch deutlich sein, dass in diesem Punkt die Mündigkeit der Bürger überhaupt keine Rolle mehr spielt, sondern einzig die Interessen, die aus dem Zusammenspiel von politischer Elite und in diesem Fall der Medienelite hervorgehen. Hier sieht man aber z.B. auch, dass die Elite nicht homogen ist. Die Interessen der politischen Elite, in diesem Fall im Sinne der Regierungskoalition, sind natürlich andere (Keine Lust, die Medien als Gegner zu haben) als die der Medienelite (geringere Lohnkosten). Beides zusammen lässt sich dann aber gut auf Kosten Dritter (Zeitungszusteller) in Einklang bringen.

        Meiner Meinung nach es ist zu kurz gegriffen, den gesamten politischen Betrieb oder die politische „Elite“ in Verruf zu bringen oder den Eindruck einer geschlossen-homogenen politischen Elite zu erwecken, weil es Parteispenden gibt und diese in der Regel nicht neutral in alle Richtungen verteilt werden.

        Ich hoffe, Sie beziehen das nicht auf meinen Beitrag. Ich engagiere mich selbst in einer Partei und da wäre es ja widersinnig, wenn ich politisches Engagement unnötig fände. Im Gegenteil finde ich politisches Engagement begrüßenswert. Außerdem sehe ich die Elite, egal wie man sie denn nun genau definiert, gerade nicht als homogene, sondern als heterogene Gruppe an. So beschreibe ich das in Bezug auf die wirtschaftliche Elite auch in einem Blog-Artikel oder hier jetzt z.B. mit dem Beispiel des Mindestlohns bei Zeitungszustellern.

        Zu meinem Punkt, „dass die Zugehörigkeit zur Elite zu einem nicht unerheblichen Teil vom Elternhaus abhängt.“

        Natürlich ist unsere Gesellschaft nicht komplett undurchlässig, aber es ist – denke ich – schon ganz gut zu belegen, dass es manche auf dem Weg zur Elite etwas leichter haben oder der ein oder andere sogar schon qua Geburt Teil der Elite ist. So fangen die Unterschiede bei der Bildung an und gehen über Beziehungen und Kontakte bis hin zum Erbe und betreffen ja jetzt nicht nur jene mit Firmenimperien. Z.B. haben von sechs CDU-Bundesministern drei einen politischen Background in der Familie oder Hoeneß ist ja z.B. auch Wurstfabrikant und nicht Großbäcker. Ich denke eigentlich auch, dass es in einem Land, in dem im Wesentlichen die Eltern für die Erziehung und Entwicklung ihre Kinder sorgen, völlig normal ist, dass die familiäre Herkunft einen gewissen Einfluss auf den Lebensweg eines Menschen hat.

        Nur, wenn die heutige Elite zu einem nicht unerheblichen Teil aus den Kindern der früheren Elite besteht, dann folgen für mich daraus eben einige Fragen in Bezug auf die Mündigkeit von Bürgern.
        - Ist es Möglich, dass das System elitenfreundlich ist, sozusagen die Selbsterhaltung der Elite begünstigt? Lässt sich dieser Zustand mit der Mündigkeit von Bürgern erklären?
        - Haben Eliten mehr Einfluss auf die politische Entscheidungen als die breite Masse?
        - Wenn die Elite zu einem nicht unerheblichen Teil aus jenen besteht, die schon in der Elite sozialisiert wurden, kann es dann sein, dass die Sichtweisen der Eliten von denen der breiten Masse abweichen? Wird die Perspektive der Elite durch die Medien vielleicht stärker transportiert?
        - Welche Auswirkung hat die Herkunft eines Menschen auf die Frage seines politischen Einflusses oder die Zugehörigkeit zur politischen Elite?
        - In wie weit können sich Bürger dem Einfluss von Medieneliten entziehen? Welchen Einfluss nehmen Medieneliten (z.B. Bertelsmann Stiftung) auf die Politik?

        • Felix Blickwinkel Blog
          +3

          Meiner Meinung nach es ist zu kurz gegriffen, den gesamten politischen Betrieb oder die politische „Elite“ in Verruf zu bringen oder den Eindruck einer geschlossen-homogenen politischen Elite zu erwecken, weil es Parteispenden gibt und diese in der Regel nicht neutral in alle Richtungen verteilt werden.

          Ich hoffe, Sie beziehen das nicht auf meinen Beitrag. Ich engagiere mich selbst in einer Partei und da wäre es ja widersinnig, wenn ich politisches Engagement unnötig fände. Im Gegenteil finde ich politisches Engagement begrüßenswert. Außerdem sehe ich die Elite, egal wie man sie denn nun genau definiert, gerade nicht als homogene, sondern als heterogene Gruppe an. So beschreibe ich das in Bezug auf die wirtschaftliche Elite auch in einem Blog-Artikel oder hier jetzt z.B. mit dem Beispiel des Mindestlohns bei Zeitungszustellern.

          Damit wollte ich mich keinesfalls auf Sie oder Ihren Beitrag beziehen. Es ging mir mehr um die etwas allgemeinen Argumente die man zurzeit ja vielerorts liest und hört. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, tut mir das sehr Leid.

          Mir geht es nicht in erster Linie um die Frage der Einflussnahme im Rahmen einer politischen Landschaftspflege. Das sollte eigentlich nur ein einzelnes Beispiel sein. Aber kurz dazu: Eine „Zwangskausalität“ sehe ich dort nicht, allerdings sind monokausale Zusammenhänge bei komplexen Beziehungen sowieso eher selten. Nur heißt das ja noch lange nicht, dass man daraus schließen kann, es gäbe überhaupt keinen Einfluss. Auch zwischen Werbung und Produktabsatz gibt es keinen festen Zusammenhang, aber dennoch hat Werbung einen Einfluss.

          Da habe ich Sie wohl missverstanden. Aber ich denke wir sind uns hier soweit einig.

          Mir geht es aber viel mehr darum, dass - die Mündigkeit der Bürger auch vom System abhängt, z.B. dem Bildungssystem - die Zugehörigkeit zur Elite zu einem nicht unerheblichen Teil vom Elternhaus abhängt - die Elite auf die Politik mehr Einfluss nehmen kann als die breite Masse - sich natürlich auch die Eigeninteressen der am politischen Prozess beteiligten Personen oder Gruppen auf das Ergebnis auswirken (und nicht nur die Entscheidung mündiger Bürger)

          Natürlich haben Sie hier Recht. Bildungssystem sowie Elternhaus haben einen entscheidenden Einfluss auf den Lebensweg. Ich persönlich sehe hier aber nicht direkt die eigenen Partizipationsmöglichkeiten eingeschränkt, zumindest nicht auf der Ebene des politischen Diskurses in der Bevölkerung. Dieser ist ja genau das, worauf ich hinaus möchte. Persönlich stoße ich mich hierbei vor allem am Begriff der Elite, da mir dieser schlicht eine gegebene Exklusivität impliziert. Der Begriff der politischen Elite erscheint mir etwas zu harsch. Aus meiner Sicht bedeutet Elite vor allem, dass sich der betreffende Menschenkreis Zugriff auf Ressourcen verschafft und unliebsamen Kandidaten diesen durch selbst geschaffene Zugangshürden verweigert (sich eben mehr oder weniger selbst „reproduziert“ um elitär zu bleiben). Genau das sehe ich aber im politischen Betrieb nicht. Natürlich gibt es Netzwerke und ich möchte hier auch nicht so tun als ob es keine Klüngel gäbe oder ähnliches, aber der Zugang zum politischen Betrieb im Sinne der Angehörigkeit der vermeintlichen „Elite“ läuft glücklicher Weise inzwischen über Wahlen und ist so gut es geht von etwaigen strukturell-legislativen Bedingungen entkoppelt – es kann nun mal wirklich jede/r Person mit deutscher Staatsbürgerschaft nach Vollendung des 18 Lebensjahres gewählt werden. Das tatsächlich nicht jede/r gewählt wird und es vor allem in den zurückliegenden Legislaturperioden immer weniger Menschen ohne universitären Abschluss in eben jenem Kreis gibt, ist doch vor allem aber den partizipierenden und wählenden Menschen zuzuschreiben. Schaffen wir uns diese Elite nicht selbst, in dem wir uns vor allem durch in das „hier Unten“ zurückziehen und uns sagen, wir seien von der Politik entkoppelt? Ist nicht der Ruf nach mehr kompetenten Politikern auf Ministerposten beispielsweise der direkte Weg zu einer Elite/ Technokratie, da er die demokratisch-repräsentative Wahl auf einen unglaublich kleinen Personenkreis beschränkt? Um genau das zu verhindern ist ja vor allem die Idee des immer mehr in Verruf zu geratenden Beraterkreises da, zumindest empfinde ich das so.

          • sich natürlich auch die Eigeninteressen der am politischen Prozess beteiligten Personen oder Gruppen auf das Ergebnis auswirken (und nicht nur die Entscheidung mündiger Bürger)

          Wie bereits im Ausgangstext beschrieben, sehe ich an diesem Punkt kein Problem. Für mich ist das Teil des repräsentativen Systems. Der scheinbar immer größer werdende Einfluss von Lobbygruppen ist natürlich eine weiterer Diskussionspunkt, bedeutet meiner Meinung nach aber eben nicht, dass der Einfluss von Bürgerinnen und Bürgern kleiner werden muss. Vielmehr mangelt es doch an Versuchen, mit Menschen innerhalb des politischen Kosmos in Kontakt zu treten. Wer spricht schon noch die eigene Abgeordnete oder den eigenen Abgeordneten an, geschweige merkt sich länger als 2 Monate nach der Wahl wer es eigentlich ist, wenn es denn nicht die eigene Wahl war? Auch ein von mir nicht präferierter Vertreter oder eine nicht präferierte Vertreterin handelt mit meiner Souveränität.

          Die Entfremdung zwischen regierender und regierter Ebene erscheint mir vor allem durch den Verlust der eigenen Mündigkeit, im Sinne des im Ausgangstextes beschriebenen Willen zur Partizipation, bzw. der selbstgeführten Reduktion eben jener zu entstehen.

          Ich glaube also, dass zum einen die Mündigkeit davon abhängt, in welchem Rahmen (Sozialisierung, Gesellschaftssystem, familiärer Background) sich ein Mensch bewegt und dass zum anderen die Ergebnisse des politischen Prozesses auch in einer Demokratie nicht monokausal auf die Mündigkeit der Bürger zurückgeführt werden können.

          Auch hier möchte ich noch einmal auf meinen Ausgangstext verweisen. Wir sind uns wohl einig, dass Ergebnisse der politischen Prozesse nicht monokausal auf die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger zurückzuführen sind. Darin sehe ich auch nach wie vor kein Problem. Es geht mir eher um die eben angesprochene, scheinbare Entfremdung der regierten zur regierenden Ebene. Hier sehe ich den eigenen, selbstgeschaffenen Verlust der Mündigkeit. Inzwischen gibt es viele neue und wesentlich effizientere Möglichkeiten, vor allem Dank des Internets, mit Abgeordneten in Kontakt zu treten als das Telefon oder die Bürgersprechstunde. Zeitgleich scheint aber der Wille der Bevölkerung zur Partizipation abzunehmen, was letztendlich die eigene Mündigkeit untergräbt. Dieser Wille und die Fähigkeit zur Partizipation am gesellschaftlich-politischen Diskurs, erscheint mir nach wie vor nicht mehr vom Bildungsabschluss oder von der gesellschaftlichen Schicht abzuhängen, als vor 20 oder 30 Jahren, wohl eher noch weniger. Der entscheidende Punkt ist nur, dass es wesentlich schwieriger geworden ist, Mehrheiten für die eigenen Positionen zu finden. Die Argumentationsketten sind vielschichtiger geworden, die Welt ist eben ein Stück weit „komplizierter“ geworden. Aber das kann weder Grund sein, sich selbst aus diesem Prozess heraus zunehmen, insofern man sich als mündig betrachtet, noch gewisse Gruppen aus diesem Diskurs auszuschließen. (Damit möchte ich Ihnen keinesfalls irgendetwas von dem eben gesagten unterstellen.) Genau einen solchen, bewussten Ausschluss generiert und impliziert meiner Meinung nach das Bild einer politischen Elite, sei sie nun hetero- oder homogen. Somit kann der direkte Output natürlich nicht auf die Mündigkeit der Bürger zurückgeführt werden. Das „elitisieren“ eines noch nie so offen zugänglichen politischen Betriebes allerdings sehr wohl, schließlich sind wir es, die ihn wählen. Dass Menschen entsprechend ihrer Sozialisierung sowie des familiären Hintergrundes unterschiedlich „politisiert“ sind, stimmt natürlich. Allerdings werden die Zugangshürden in den politischen Diskurs doch vor allem dadurch erschwert, dass genau dieser immer weiter ausstirbt, in dem diejenigen, die eine gute Ausbildung genossen haben und im Klischee gesprochen Klavier spielen gelernt, Abi gemacht und Medizin studiert haben, genau diesen Diskurs nicht mehr (offen?) pflegen. Gäbe es eine größere, partizipativere Form des politischen Diskurses – noch nicht einmal mehr Mitbestimmung – würde sich die Kluft zwischen der regierenden und der regierten Ebene meiner Meinung nach verringern, schlichtweg weil die Kommunikation zwischen beiden wesentlich besser funktionieren würde und nicht durch die Meinungsumfragen einschlägiger Institute einschlägiger Medienkonzerne geprägt würde.

          Zu zwei Punkten von Ihnen:

          Wird denn Medienmacht nicht vor allem durch eine große Leserschaft verliehen?

          Der Zusammenhang ist umgekehrt. Wer bei einem Land mit 80 Mio. Einwohnern Medienmacht hat, der hat zwangsläufig auch wirtschaftliche Interessen.

          Ich muss gestehen hier keine Umkehrung meiner Aussage festzustellen. Könnten Sie diesen Punkt vielleicht noch einmal umformulieren? Vielleicht verstehe ich Sie hier falsch. Mein Ziel war es eher, den Ursprung der Medien- und somit Wirtschaftsmacht zu finden. Dieser entstammt doch im gängigen Modell eines Mediums vor allem von denjenigen die es konsumieren? Wirtschaftliche (und wirtschaftspolitische) Interessen sind natürlich jedwedem Unternehmen zu Eigen.

          Und auch wenn ich es nun nicht belegen kann, so müssen Sie doch zugeben, dass es zumindest plausibel ist, dass z.B. die Ausnahmen für Zeitungszusteller beim Mindestlohn wesentlich mehr mit der Machtposition der großen Verlage zu tun hatte, als dass das nun der Wunsch der Bürger war. Wenn es aber noch nicht einmal ein besonderes Anliegen der Bürger war, dann dürfte doch deutlich sein, dass in diesem Punkt die Mündigkeit der Bürger überhaupt keine Rolle mehr spielt, sondern einzig die Interessen, die aus dem Zusammenspiel von politischer Elite und in diesem Fall der Medienelite hervorgehen.

          Die Ausnahme der Zeitungszusteller aus dem Mindestlohn kommt den entsprechenden Unternehmen natürlich zumindest zugegen, wenn er nicht durch eben jene selbst verursacht wurde. Darüber möchte ich allerdings gar nicht spekulieren, denn das ist nicht wirklich worauf ich hinaus wollte, obwohl ich ihrem Standpunkt hier durchaus nahestehe. Bezüglich der Mündigkeit möchte ich, wie im Ausgangstext gesagt, nicht andeuten, es gäbe eine Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger direkten Einfluss auf den Ausgang eines politischen Prozesses zu nehmen. Darin sehe ich nicht den Zweck unseres politischen Systems der repräsentativen Demokratie. Vielmehr geht es bei dem Bezug zur Mündigkeit darum, dass die eigene Interessenabwägung bei der Wiederwahl solche Punkte durchaus einbeziehen muss und, sollte man sich immer und immer wieder eher für die eigene Position als die gesamtgesellschaftliche entscheiden (um es mal so einfach zu halten), dann muss man eben auch diese Konsequenzen tragen, sprich für die getroffene Entscheidung die Verantwortung übernehmen: Nicht für die spezielle Ausformulierung eines politischen Prozesses, sondern für die wiederholte Unterstützung der etwaigen politischen Kraft, die diesen mitgetragen hat.

          Sollte man mit der Entscheidung nicht einverstanden sein, ist es doch nur mündig, sich an der anschließenden gesellschaftlichen Diskussion zu beteiligen oder sie herbeizuführen. Nur so kann die demokratische Grundlage der eigentlichen Entscheidung mitgesichert werden und das Entstehen einer politischen Elite langfristig verhindert werden. Möglichkeiten mit den eigenen Repräsentanten und den sie repräsentierenden Kräften konstruktiv in Kontakt zu treten gibt es ja durchaus, nur kostet das natürlich auch Zeit und birgt die Gefahr, die eigene Meinung eventuell zu revidieren. Aber Mündigkeit und Teilhabe kosten eben Zeit. Sieht man sich die politische Inaktivität weiter Landstriche an, erscheint mir genau diese Mündigkeit der Bevölkerung vielerorts auszusterben. Natürlich haben der eigene Wille und die eigenen Wünsche kaum direkten Einfluss auf Entscheidungen der Bundesebene, es wird eben am Ende für gut 80 Millionen Menschen entschieden. Wenn man sich allerdings nicht aktiv in die Diskussion einbringt, und sei es erst einmal nur im kleinsten Kreis der Gemeinde, um mit Kompromissen die eigenen Positionen zu verstärken, dann stirbt die Möglichkeit der Partizipation vollkommen aus. Dagegen scheinen mir auch Möglichkeiten der direkten Demokratie kein wirksames Allheilmittel zu sein. Demokratie lebt meiner Meinung nach vor allem vom Austausch innerhalb des Demos und nicht nur vom reinen Abstimmungsverfahren.

          Hier sieht man aber z.B. auch, dass die Elite nicht homogen ist. Die Interessen der politischen Elite, in diesem Fall im Sinne der Regierungskoalition, sind natürlich andere (Keine Lust, die Medien als Gegner zu haben) als die der Medienelite (geringere Lohnkosten). Beides zusammen lässt sich dann aber gut auf Kosten Dritter (Zeitungszusteller) in Einklang bringen.

          Hier Stimme ich Ihnen zu.

          Zu meinem Punkt, „dass die Zugehörigkeit zur Elite zu einem nicht unerheblichen Teil vom Elternhaus abhängt.“

          Natürlich ist unsere Gesellschaft nicht komplett undurchlässig, aber es ist – denke ich – schon ganz gut zu belegen, dass es manche auf dem Weg zur Elite etwas leichter haben oder der ein oder andere sogar schon qua Geburt Teil der Elite ist. So fangen die Unterschiede bei der Bildung an und gehen über Beziehungen und Kontakte bis hin zum Erbe und betreffen ja jetzt nicht nur jene mit Firmenimperien. Z.B. haben von sechs CDU-Bundesministern drei einen politischen Background in der Familie oder Hoeneß ist ja z.B. auch Wurstfabrikant und nicht Großbäcker. Ich denke eigentlich auch, dass es in einem Land, in dem im Wesentlichen die Eltern für die Erziehung und Entwicklung ihre Kinder sorgen, völlig normal ist, dass die familiäre Herkunft einen gewissen Einfluss auf den Lebensweg eines Menschen hat.

          Ich denke was den Kernpunkt betrifft, bzw. Was ich für hier als Kernpunkt ausmache, stimme ich Ihnen zu. Die familiäre und soziale Ausgangslage hat erheblichen Einfluss auf den persönlichen Lebensweg.

          Nur, wenn die heutige Elite zu einem nicht unerheblichen Teil aus den Kindern der früheren Elite besteht, dann folgen für mich daraus eben einige Fragen in Bezug auf die Mündigkeit von Bürgern. - Ist es Möglich, dass das System elitenfreundlich ist, sozusagen die Selbsterhaltung der Elite begünstigt? Lässt sich dieser Zustand mit der Mündigkeit von Bürgern erklären?

          Letzteres würde ich mit ja beantworten und auf meine Ausführungen zur Elite weiter oben verweisen. Wie gesagt sehe ich die Begrifflichkeit selbst kritisch und finde, die langfristige “Selbstreproduktion” ist in einem Wahlsystem quasi “gewählt”.

          • Haben Eliten mehr Einfluss auf die politische Entscheidungen als die breite Masse?

          Wichtig finde ich, dass Politiker letztendlich die Entscheidungskräfte sind. Somit stehen natürlich gerade in einer schwächelnd-politischen Gesellschaft wie der unseren Lobbykräfte öfter im Austausch mit politischem Personal, aber auch hier sehe ich einen Bezug zur Mündigkeit, da wir diejenigen sind, die den „leicht“ zu beeinflussenden PolitikerInnen zu Ihren Positionen verhelfen. Wir entscheiden also weder über In- noch Outcome, aber vor allem über den Zugang von den sog. Eliten zur Politik, in dem wir die entsprechende Personalie wählen oder auch nicht.

          • Wenn die Elite zu einem nicht unerheblichen Teil aus jenen besteht, die schon in der Elite sozialisiert wurden, kann es dann sein, dass die Sichtweisen der Eliten von denen der breiten Masse abweichen? Wird die Perspektive der Elite durch die Medien vielleicht stärker transportiert?

          Was die Sichtweisen angeht stimme ich Ihnen zu. Die Tatsache, dass eben immer ähnliche “Schichten” gewählt werden, ist nicht gerade förderlich für einen differenzierten Diskurs. Dennoch sehe ich auch hier den bereits mehrfach angesprochenen Bezug zur Mündigkeit. Was den Transport der Perspektiven durch die Medien angeht, so habe ich ja bereits vorher beschrieben, dass die Medienmacht (nicht die wirtschaftliche Macht der Medienkonzerne) primär in den LeserInnen selbst liegt. Man sollte sich im Klaren sein, was man liest. Es gibt für so ziemlich jede politische Vorliebe ein entsprechendes Medium und natürlich wird dieses Medium entsprechend seiner LeserInnen und VerfasserInnen berichten. In Bezug auf den Ausgangstext denke ich, Mündigkeit impliziert sich dessen bewusst zu sein. Das ist nicht immer einfach, aber auch hier noch einmal – unter dem Risiko mich zu oft zu wiederholen – mündig-demokratisch bedeutet eben auch ein wenig Aufwand.

          • Welche Auswirkung hat die Herkunft eines Menschen auf die Frage seines politischen Einflusses oder die Zugehörigkeit zur politischen Elite?
          • In wie weit können sich Bürger dem Einfluss von Medieneliten entziehen? Welchen Einfluss nehmen Medieneliten (z.B. Bertelsmann Stiftung) auf die Politik?

          Meine Positionen hierzu habe ich wohl schon kundgetan. Kurz noch einmal zusammengefasst hängt die erste Frage wohl vor allem von der Sichtweise auf den Begriff der Elite sowie dem Verständnis von Mündigkeit ab. Ich denke der Einfluss ist für fast alle Menschen gleich klein und kann nur über eine kompromissbereite, partizipative und diskurstreibende Gesellschaft weiterentwickelt werden. Bezüglich des Einflusses der Medieneliten würde ich auf den vorangehenden Absatz verweisen. Gerade was Stiftungen angeht sehe ich auch hier die Partizipation der Masse in der Verantwortung. Umso mehr über politische Positionen kommuniziert und debattiert wird, umso mehr öffentlicher Diskurs betrieben wird – in Gemeinden, Ratssälen, Kneipen, Parlamenten, Sprechstunden, Bürgerfesten etc. etc. etc. – kurz: Umso mehr Austausch stattfindet, umso geringer wird der Einfluss der vermeintlichen Umfragewerte. Aber das ist vielleicht auch eine etwas utopisch-persönliche Interpretation.

          • Hallo Herr Peterka,

            vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Für mich beschreibt der Elitenbegriff nur die „Entscheider“ aus Wirtschaft und Politik bzw. ggf. Medien und ist auch nicht negativ besetzt. Aber vielleicht gibt es ja noch bessere Worte, z.B. Establishment.

            Bildungssystem sowie Elternhaus haben einen entscheidenden Einfluss auf den Lebensweg. Ich persönlich sehe hier aber nicht direkt die eigenen Partizipationsmöglichkeiten eingeschränkt, zumindest nicht auf der Ebene des politischen Diskurses in der Bevölkerung.

            Genau das ist für mich einer der beiden Kernaspekte, also die Mündigkeit selbst. Ich denke, es ist unstreitig, dass Menschen auch manipuliert werden können und es ist ja auch nicht ganz unverständlich, nachdem eben Menschen aus der Erfahrung und dem Erlebten heraus auf die Welt blicken. Gerade auch in Deutschland soll eine Verblendung des Volkes durchaus schon vorgekommen sein, so dass der mündige Bürger z.B. bei den Reichstagswahlen fatal wählte. Bis lange in die Demokratie hinein wurde in manchen Ländern Sklaverei gedudelt und auch das Frauenwahlrecht ist jetzt nicht gerade allzu alt. Die Mündigkeit ändert also nicht unbedingt etwas daran, ob eine Gesellschaft Missstände oder Fehlentwicklungen erkennt oder auch die eigene Unmündigkeit.

            Die Diskussion, ob wir frei und mündig sind, ist allerdings müßig. Ich würde nur eben die Mündigkeit nicht einfach so als gegeben voraussetzen. Zumal ich mich frage, ob in Deutschland tatsächlich jeder die gleiche Chance hat zu einem wirklich mündigen Bürger zu werden.

            Der scheinbar immer größer werdende Einfluss von Lobbygruppen ist natürlich eine weiterer Diskussionspunkt, bedeutet meiner Meinung nach aber eben nicht, dass der Einfluss von Bürgerinnen und Bürgern kleiner werden muss.

            Das sehe ich nicht so. Einfluss ist ja eine relative Größe und somit ist der Einflussgewinn des einen automatisch der Einflussverlust eines anderen. Wenn daneben die Mittel zur Einflussnahme z.B. durch Wohlstandsunterschiede krass ungleich verteilt sind, verzerrt das den demokratischen Prozess. In diesem Fall glaube ich dann aber auch nicht, dass Abgeordnetenbesuche professionellen Lobbyismus wirklich ausgleichen können.

            Bezüglich der Mündigkeit möchte ich, wie im Ausgangstext gesagt, nicht andeuten, es gäbe eine Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger direkten Einfluss auf den Ausgang eines politischen Prozesses zu nehmen.

            Das will ich auch nicht einfordern – ich finde den Parlamentarismus gut – allerdings ist meine Frage eben, ob zumindest alle den gleichen Einfluss auf den Ausgang des politischen Prozesses haben, oder eben manche mehr. Das ist, wie auch schon der Punkt davor, der zweite der beiden Kernaspekte, also dass Eliten innerhalb unseres Systems ihre Interessen leichter vertreten können. Wenn dem so ist, dann hat es ein mündiger Bürger aus der Elite eben einfach leichter als ein mündiger Bürger aus der breiten Masse seiner Mündigkeit Nachdruck zu verleihen. Wenn dazu noch der erste Kernaspekt kommt und Menschen vom Rand der Gesellschaft es auch noch schwerer haben überhaupt zu einem mündigen Bürger zu werden, dann kann auch das zu dem Spalt zwischen Bürgern und politischer Klasse führen, wie ihn Jean-Claude Juncker diagnostiziert.

            Wird denn Medienmacht nicht vor allem durch eine große Leserschaft verliehen?

            Da können wir uns natürlich drehen und wenden so oft wir wollen. Solange Sie immer auf die Macht des Einzelnen abstellen, auf die Entscheidung des mündigen Bürgers und in diesem Fall des Medienkonsumenten, und ich eben diese Mündigkeit immer auch als ein Ergebnis des Systems und der Rahmenbedingungen ansehe, kommen wir hier halt nicht zusammen. Entscheiden wirklich Sie, was Sie essen, oder nimmt Ihnen die Werbung nicht schon einen großen Teil der Entscheidung ab und erledigen Supermarkt und Discounter dann noch den Rest?

            Man sollte sich im Klaren sein, was man liest

            die langfristige “Selbstreproduktion” ist in einem Wahlsystem quasi “gewählt”

            in dem wir die entsprechende Personalie wählen oder auch nicht

            Mündigkeit impliziert sich dessen bewusst zu sein

            Bei all diesen Punkten sind wir eben bei der Frage, wie „bewusst“ bzw. „klar“ ein Mensch entscheiden kann, und hier trennen uns wohl einfach zwei unterschiedliche Grundvorstellungen. Es macht ja Sinn, wenn Sie aus der Mündigkeit dann folgern, dass das System so ist, wie wir es eben gewählt haben. Ich zweifel aber eben schon an der Mündigkeit, also z.B., ob alle die gleiche Chance haben mündig zu werden und daran, dass alle die gleiche Chance haben, im Rahmen ihrer Mündigkeit Einfluss zu nehmen.

            Ich bin da einfach eher z.B. bei dem Beitrag von Thorsten Wiesmann, der ebenfalls den Menschen und sein Hadeln nicht losgelöst vom jeweils vorherrschenden System betrachtet.

            Umso mehr über politische Positionen kommuniziert und debattiert wird, umso mehr öffentlicher Diskurs betrieben wird – in Gemeinden, Ratssälen, Kneipen, Parlamenten, Sprechstunden, Bürgerfesten etc. etc. etc. – kurz: Umso mehr Austausch stattfindet, umso geringer wird der Einfluss der vermeintlichen Umfragewerte. Aber das ist vielleicht auch eine etwas utopisch-persönliche Interpretation.

            An dem Punkt bin ich ganz Ihrer Ansicht. Die Demokratie ist die Gesellschaftsform, in der die breite Masse am ehesten die Möglichkeit hat, sich einzubringen und somit mitzubestimmen. Ein Grund dafür, warum man diese Chance in einer Demokratie auch nutzen sollte. Gleichwohl muss man aber feststellen, dass – wie glaube ich bei jedem anderen Gesellschaftssystem – diejenigen, die von dem aktuellen System besonders profitieren, mehr Macht und Einfluss haben, als jene, die von diesem System nicht profitieren bzw. umgekehrt die Einflussreichen und Mächtigen mehr profitieren als die breite Masse.

            Abschließend: Ich hoffe, ich konnte darstellen, wieso mir eben die Frage nach der Mündigkeit (sind wir wirklich frei?) als auch nach dem politischen Einfluss unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen (haben alle die gleiche Chance auf Einfluss?) in Ihrem Artikel zuvor gefehlt hat. Mit Ihren ausführlichen Antworten haben Sie das aber völlig ausgeglichen. Der Aufforderung sich einzubringen und seine Gestaltungsoption wahrzunehmen, unterstütze ich absolut. Allerdings würde ich eben ergänzen, dass es für die breite Masse systembedingt schwerer ist, ihre Anliegen eingebracht zu bekommen und außerdem anmerken, dass es z.B. Kinder aus einem schwächeren sozialen Umfeld schwerer haben, zu einem mündigen Bürger zu werden.
            Genau deshalb würde ich auch die Eliten-Diskussion von der Frage der politischen Partizipation trennen, womit wir wieder beim „Spiel des Lebens“ wären.

            Beste Grüße,
            Mister Ede

          • Wow! So ist es!