Die Partei und ich - eine Hate-Love-Story
Foto: Ryan McGuire (CC0 1.0 Universal)
Zur Generation Y gehören und einer Partei beitreten? Passt das zusammen? Alisa hat den Schritt getan. Was sie an ihrer Partei nervt und warum sie trotzdem bleibt, schildert sie hier...
Ein Beitrag von Alisa
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Jahreshauptversammlung im Ortsverein, im deutschen Wirtshaus zwischen Hirschgeweihen und Wiener Schnitzel. Als Gerade-so-Abiturientin war ich zweifellos eine Exotin inmitten ‘alter weißer Männer’. TOP 3 auf der Tagesordnung: Wahlen. Als der Vorsitzende, einziger Kandidat für die Wiederwahl, im dritten Wahlgang immer noch nicht die nötige Mehrheit hatte, und eine wutentbrannte Diskussion zwischen den alten Herren um seine Eignung bzw. das weitere Wahlverfahren laut Geschäftsordnung entbrannte, war ich mir ziemlich sicher: ich würde nicht wiederkommen.
Warum sind wir hier?
Die innerparteilichen Rangeleien und die vielen Verfahrensregeln sind symptomatisch für Parteien. Sie sind Räume, in denen die Zeit in vielen Dingen stehen geblieben zu sein scheint. Es verwundert kaum, dass sie oft alle Klischees einer behäbigen, verkrusteten Organisationsform in sich vereinen:
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Sie sind, empirisch betrachtet, sozial hoch selektiv: ein Sammelpunkt für Menschen mit dominanter Persönlichkeit.
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Die hoch formalisierten Entscheidungsprozesse verschleppen Entscheidungen und Initiativen oft lange.
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Und für Nichtmitglieder ist die Arbeit von Parteien häufig ebenso undurchschaubar wie exklusiv: Die Dialektik des „Wir gegen die” (wobei der Feind fast immer im anderen politischen Lager zu finden ist und selten in der sinkenden Wahlbeteiligung oder im Mangel an neuen Mitgliedern) manifestiert sich in ideologischen Debatten und Gruppendenken.
Das alles ist ermüdend.
Und was ist eigentlich mit den “großen" Fragen? Sind es tatsächlich unsere Überzeugungen, wegen denen wir hier sind? Der Wunsch, die Welt etwas besser zu machen? Oder geht es doch auch darum, sich schlichtweg wichtig zu machen?
Muss ich sogar aufpassen, in diesem Milieu nicht selbst zur „Parteisoldatin“ oder zum „Apparatschik“ transformiert zu werden?
Viele meiner GenerationsgenossInnen verwirklichen sich politisch – wenn überhaupt – in jungen, dynamischen, zivilgesellschaftlichen Initiativen, statt in den großen alten “(Volks-)parteien”. Sie sehen sich lieber als “neues politisches Spektrum jenseits von links und rechts” und wollen auf flache Hierarchien nicht mehr verzichten. Oder sie sind noch “schwer damit beschäftigt, diese Welt zu verstehen” und müssen noch nachdenken, bevor sie sich an politische Lösungen wagen können.
Also weshalb bin ich immer noch hier, in meiner Partei?
Im Laufe der Zeit hatte ich auch viele schöne bereichernde und motivierende Parteierlebnisse und Begegnungen mit ParteigenossInnen. Letztendlich ausschlaggebend war jedoch besonders ein Punkt: die Erkenntnis, dass in unserer Demokratie noch immer der Grundsatz gilt: „Parties matter.“ In der Partei sind wir alle irgendwie PolitikerInnen – mit der echten Möglichkeit, etwas zu verändern.
In dem Moment, in dem es mir darum geht, Politik nicht nur zu verstehen und zu diskutieren, sondern auch zu gestalten, bieten andere politische Organisationen, Plattformen und Bewegungen für mich keine wirkliche Alternative zur Partei. In der Partei diskutieren und verabschieden wir Programme, ziehen mit unseren Ideen in den Wahlkampf, und kämpfen um die Stimmen, sie umzusetzen. In jedem Schritt habe ich die Möglichkeit, mit meiner Initiative, meiner Kreativität diesen Prozess auf kleiner Ebene zu gestalten. Das ist echte Politik. Echter geht es nicht.
Es ist einfach so: Parteien sind der effizienteste und vielleicht einzige Weg, direkt, in einem längeren Zeithorizont und mit konkret messbarem Umfang Dinge zu bewegen.
Wo kommen wir schneller mit der Stadtverwaltung ins Gespräch, um uns gegen zu strikte Einschränkungen der Straßenmusik zu wehren? Wo sonst könnte ich über die Annahme eines Koalitionsvertrags abstimmen, für dessen Inhalte ich mitgekämpft habe? Wo sonst kann ich MitstreiterInnen für meine neue Idee finden, damit sie Eingang ins Wahlprogramm für die nächste Landtagswahl findet?
An meinen Bundestagsabgeordneten muss ich nicht unbedingt eine Petition schicken – ich frage ihn bei der nächsten Parteiveranstaltung einfach persönlich. Oder ich bringe das Thema bei unserem nächsten Ortsvereinstreffen auf die Tagesordnung. Und die verhassten und umkämpften innerparteilichen Wahlen ermöglichen es mir eben auch, über meine persönlichen Initiativen hinaus den Kurs meiner Partei mitzubestimmen.
Wir können nicht ewig nachdenken
Die Beziehung zu meiner Partei ist nach wie vor sehr ambivalent. Im Dilemma zwischen dem Wunsch, sich von alten Strukturen zu befreien und dem Wunsch, mit gebündelter Kraft Dinge zu bewegen, hat mich das Argument der sich eröffnenden Handlungsmöglichkeiten letztlich überzeugt. Natürlich stecken Parteien voller Dysfunktionen. Manchmal wünsche ich mir auch einen freieren Raum, in dem es offener, schneller, fairer zugeht.
Zugleich fühle ich die Mission – oder ist es eine fixe Idee? – diese Partei als existierenden, bereits organisierten und vernetzten Raum nach meinen Vorstellungen mit- und neu zu gestalten: mit meinem Wissen, meinen Erfahrungen und Talenten, mit meiner Leidenschaft. Das empfinde ich als konstruktiver, als nur besserwisserisch daneben zu stehen und zu bemerken, dass die Parteiendemokratie ja wohl ganz gewaltig am Kränkeln ist.
Auch als “Generation Y” können wir nicht ewig über alles nachdenken und abwarten. Wenn wir nicht mitentscheiden, dann entscheiden das einfach andere für uns.
Vor Kurzem war ich übrigens auf meiner vierten Jahreshauptversammlung im Ortsverein. Geradezu in gegenseitiger Hassliebe sind die Partei und ich einander treu geblieben.
P.S: Falls ihr Fragen zum Parteileben habt, können wir sie gern hier diskutieren...
Weitere Texte zur Generationen- und Parteien-Debatte
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Julian Leitloff: Generation Y: Eine Abrechnung
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Linn Selle: Generation Europa: Wir sind anders...und wir sind viele
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Aidin Halimi Asl: Beleidige nicht meine Generation
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Fwd: Europe: POLITISCHE Bildung für die europäische Demokratie
JosBaer ist dafür
"Schaffen wir die Jugendparteien ab!"
Ich bin jetzt im 7. Jahr politisch aktiv. Ich wusste immer was ich wählen würde. Es gab für mich gar keine andere Alternative. Ich wählte auch schon andere Parteien, aber nur, wenn meine eigene Partei nicht zur Wahl stand. ( Weil Stichwahl oder ähnliches) Und trotzdem engagierte ich mich erst in einem Jugendbeirat, war Vorsitzende des Landesschülerrats Brandenburg und heute Vorsitzende der Jungen Europäischen Bewegung. Obwohl es allen immer klar war, für welche Parteifarbe mein Herz schlägt, konnte ich den Schritt erst in einer Mittagspause am 01.09.2014 tun.
Ich hab mich auch selbst ganz selbstverständlich dazugezählt - zu den Genoss*innen. Auf Facebook teilte ich selbstverständlich Parteilogo und Botschaft.. und trotzdem konnte ich lange Zeit nicht den nächsten Schritt gehen. Ich konnte das Parteibuch nicht als meins bezeichnen.
Sei es, weil meine Eltern in der gleichen Partei Karriere gemacht haben, oder weil alle erwartet haben, dass ich mich mit der Jugendorganisation verbrüder.
Jugendorganisationen der Parteien sind für mich das Schlimmste was ein junger Mensch nur unterstützen kann. Wenn junge Menschen - wie ich es mit 19 Jahren bin - sich absichtlich nicht in die Partei integrieren, sondern sich abspalten, wie kann man dann erwarten, dass die Partei verjüngt? Wie können wir einen Generationswechsel innerhalb der Partei erwarten, wenn ein großer Teil sich eher zur Jugendorganisation dazugehörig fühlt? Ich finde das absolut falsch!
Eine AG oder ähnliches ist in Ordnung. Aber welche Jugendorganisation lästert nicht über ihre Mutterpartei? Wahlkampf machen wir dann letztenendes dann doch für die Partei.
Ein guter Freund von mir ist Parteimitglied der LINKEN und aktiv bei den JUSOs. Darüber sollten wir doch mal nachdenken.
Klar, bei Parteipolitik fühlt man sich oft wie Don Quixote de la Mancha beim Kampf gegen die Windmühlen. Aber das DARF uns nicht aufhalten!
Meine Partei hat ein Durchschnittsalter von 67. Die Junge Europäische Bewegung ist ein Verein von 14-35. Das ist schon anders bei den Treffen und Veranstaltungen. Logisch!
Aber es gibt für mich immer nur eine Frage: Wenn nicht wir, wer dann? Die Parteiendemokratie wird sich so schnell nicht abschaffen! Und das ist auch gut so. Meinungen müssen kanalysiert werden und auch verallgemeinert und zusammengefasst werden, um demokratische Prozesse sinnvoll zu gestalten! Das alles kann man auch mit Strömungen und Flügeln innerhalb einer Partei lenken.
Aber dazu braucht es keine Jugendorganisationen!
Ich sage: Schaffen wir die Jugendparteien ab, verjüngen wir die Parteien! Auch wenn einige Partout nicht in die Partei gehen werden, es werden andere kommen. Sich einen Ruck geben.
Und ich appelliere an alle jungen Menschen, die ein (demokratisches) Parteibuch tragen: Seid stolz darauf! Macht Werbung! Nicht zwangsweise für eure Partei, sondern für das Engagement in einer!
So können wir alle unseren Beitrag leisten!