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Elitäres Europa?


Foto: Europäischer RatWer könnte diesem Gespräch folgen? Wer könnte hier einmal mitreden? Im Bild: Ein Brüsseler Meeting zur Euro-Zukunft. Foto: EU

Bleiben Eliten unter sich, wenn sie Europas Zukunft diskutieren und gestalten? Falls ja – wo liegt das Problem?


Ein Beitrag von Redaktion

Europa ist ein Elitenprojekt. Und die Debatte um Europas Zukunft führen – wenn überhaupt – nur Eliten, nicht die breite Öffentlichkeit und nicht der 'Normalbürger'.

Ist das so?

Und wenn es so sein sollte – ist das problematisch?

Und wer zählt eigentlich alles zur "Elite"? Und wer ist "Normalbürger"?

Und wie breit kann und soll die Europa-Zukunfts-Debatte überhaupt geführt werden - angesichts der Komplizierheit der EU (und der Eurozone)?

Das alles hat uns auch am Community-Abend zum #EUremix beschäftigt. Leider konnten wir die 'Eliten-Frage' nicht wirklich ausdiskutieren. An dieser Stelle kann jede/r sie nochmal ganz neu beantworten....


Alles zum EUremix


Kommentare

  • Hallo Redaktion, das ist nicht einfach zu beantworten. Eliten haben ihr Notwendigkeit, kein Zweifel. Es muss jemanden geben, der sich mit schwierigen Fragen a) auskennt und b) informierte Entscheidungen treffen kann. Unsere Welt ist komplex. Deshalb brauchen viele Dinge Experten und Eliten, schon einzelne Politik-Bereiche wie die Energie oder die Landwirtschaft.

    Nur Demokratie scheint mir in einem strukturellen Spannungsverhältnis zum Eliten- und Expertentum zu stehen. Was passiert, wenn vom Eliten- und Expertendikurs 'unten' nichts mehr ankommt? Wenn dieser die Menschen von der Teilhabe ausschließt? Deshalb muss für mich noch ein Element hinzukommen: die Transformation. Elitendiskurse müssen so übersetzt werden, dass auch der 'Normalmensch' versteht.

    • Hallo jkippenberg,

      Ich verstehe deine Aussage, dass man Elite braucht um komplexe Fragen zu beantworten. Doch für mich ist die Elite nicht nur die Rolle, die sie hat, sondern eine bestimmte Schicht der Gesellschaft, die bestimmte Schulen und Unis besucht hat.

      Siehe auch "Uni-Bildung wird meist vererbt" vom Tagesspiegel

      An der Spitze der Wirtschaft und der Politik finden sich die Leute wieder. Alumni der gleichen Unis rekrutieren sich unter sich. Der Ruf eines Studiengangs wird dadurch gemacht, dass bestimmte Promis auch dort studiert haben. Kinder kommen viel leichter an Hochschulbildung ran, wenn ihre Eltern Akademiker sind.

      Elitäres Europa? Definitiv. Mich interessiert eher, wie Leute ohne Hochschulabschluss ihren Kindern auch eine Chance geben können.

      • Hallo FelixP

        Meine Gegenfrage dazu wäre, ob die begrenzte gesellschaftliche Durchlässigkeit wirklich ein europäisches oder nicht vielmehr ein nationales Thema ist? Außerdem gibt es in einem gewissem Maße eine europäische Jugendförderung, z.B. Schüleraustausch oder Fahrten im Rahmen von Städtepartnerschaften. Einen tollen Gedanken finde ich auch das hier: Kostenloser Interrail-Pass für die Jugend der EU?

        Daneben denke ich aber auch, dass ein Staat das elterliche Umfeld nur dann ersetzen könnte, wenn den Eltern das Umgangsrecht verboten würde. Nur, wer will das? Mit KiTa und Schule kann der Staat zwar etwas machen oder auch eingreifen, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, aber ansonsten sollten die Eltern ja durchaus diejenigen sein, die in erster Linie für die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder verantwortlich sind. Wenn man bereit wäre, es zu finanzieren, könnte aber durch eine ordentliche staatliche Schulbildung noch deutlich mehr für die Durchlässigkeit gemacht werden. Aber wie gesagt, das ist eher ein Thema der Bundes- oder Landespolitik.

        Daher vielleicht noch die Gegenfrage, was für eine Maßnahme würdest Du Dir denn von der EU wünschen, um die gesellschaftliche Durchlässigkeit in Deutschland zu verbessern?

        • FelixP ist dafür
          +1

          Hallo MisterEde,

          Der Zugang zu EU-Institutionen ist ein Bildungsthema, also mit den EU-, Bund- und Landesebenen gebunden. Und der Elitengedanke ist in Frankreich viel schlimmer als in Deutschland! Dieter Lenz vom Tagesspiegel fasst das so zusammen:

          Der Unterschied zu Deutschland wird klar: Hier Vertrauen auf Abiturnoten bei der Verwaltung des Studienplatzmangels, dort studienbezogene Zusatzkriterien. Das ist in Deutschland inzwischen auch möglich. Aber: Viele Universitäten scheuen den riesigen Zusatzaufwand, wenn sowieso aus rechtlichen Gründen die Abiturnote dominant bleiben muss.

          Die Maßnahme, die ich befürworte, ist, die Zivilgesellschaft mit Geld und Sichtbarkeit unterstützen da wo sie existiert. So können benachteiligte Menschen in ihrer Umgebung, von ihren Nachbarn Perspektiven und Wege für mehr Anerkennung bekommen. Das macht gerade die EU mit den Förderprogrammen zu Bildung. In einer Pressemitteilung vom 16. November stand unter Anderem diese Entscheidung:

          € 1.8 billion in payments (30% more than 2015) for Erasmus+, the European programme for education, training, youth and sport, which will help over 4 million people to work and study across the EU in 2014-2020.

          Genau das möchte ich mehr sehen, und in vielfältigen Bereichen! Die EU begründet seine Unterstützung der Zivillgesellschaft übrigens immer mit dem Argument, dass sie Arbeitsplätze schaffen. Das finde ich ziemlich hinkend :/ aber es ist nun mal so.

          Zu der Fachdominanz in der europäischen Behörde: das weiß ich nicht genau. Wie meinst du das?

          Viele Grüße, FelixP

          • Hallo FelixP,

            Die Bildungspolitik ist hierzulande die Aufgabe der Bundesländer. Die europäische Ebene ist nur sehr eingeschränkt für die Bildungspolitik zuständig, eher so in Richtung gegenseitige Anerkennung von Zeugnissen, internationaler Jugendaustausch oder so. Du sprichst das mit Erasmus ja auch an.

            Wenn du aber die Unis erwähnst, dann ist das in Deutschland eben hauptsächlich die Sache der Bundesländer. Stellt ein Bundesland den Unis einen fairen Betrag zur Verfügung, wenn die ihr Aufnahme-System (Dort wo es Beschränkungen gibt) so ändern, wie Du das anregst, dann werden das sicher schon einige Unis auch wahrnehmen. Ich würde also Deine durchaus berechtigten Punkte z.B. im Falle der Unis viel eher an den Kultusminister bzw. die Kultusministerin des jeweiligen Bundeslandes richten als an die EU.

            Mit Fachdominanz in der EU weiß ich jetzt nicht genau was Du meinst. Ich will eigentlich nur darauf hinweisen, dass das Thema der Elite nicht speziell ein europäisches Thema ist und man ganz unabhängig von der EU auf der Ebene der Bundesländer, die für die Bildungspolitik zuständig sind, einiges machen könnte, um die Durchlässigkeit hin zur Elite zu verbessern. Es wäre also eher an Leuten wie Seehofer, Kraft, Tillich, Ramelow oder Kretschmann als an Juncker und Co., für mehr Chancen z.B. auf einen Bildungsaufstieg zu sorgen.

            Beste Grüße,
            Mister Ede

      • Eine weitere Frage wäre für mich, wie die Dominanz bestimmter Fachrichtungen im EU-Diskurs aufzubrechen ist. Bisher dominieren Juristen und Ökonomen, wenn es um die großen Weichenstellungen und die Gesetzgebung geht. Das reicht aber nicht. In der Eurokrise fehlte zum Beispiel psychologisches Wissen und Geschick fast komplett. Griechenland wurde völlig falsch eingeschätzt, weil alle sich nur über die Zahlen beugten.

  • Hallo Redaktion

    Und die Debatte um Europas Zukunft führen – wenn überhaupt – nur Eliten, nicht die breite Öffentlichkeit und nicht der 'Normalbürger'. Ist das so?

    Kommt darauf an, wie man Elite definiert. So können auch „Normalbürger“ durchaus Elite sein. Ich glaube zumindest, dass ich deutlich mehr Ahnung von der EU habe als eine Vielzahl von Personen, die sich berufsmäßig mit der EU auseinandersetzen. Gerade diesen geht es nach meinem Eindruck dann auch oft nicht um die EU, sondern nur um das eigene Wohl. Genau diese Haltung bringt die EU aber völlig zu Recht in Verruf, zumal diese Leute dann ja nicht in der Lage sind, irgendwas zu erklären, geschweige denn jemanden zu überzeugen.

    Und wer zählt eigentlich alles zur "Elite"? Und wer ist "Normalbürger"?

    Kommt darauf an. Das ist eine Frage der Definition: Siehe Wikipedia

    Und wenn es so sein sollte – ist das problematisch?

    Wenn die Elite so definiert ist, dass die ernsthaft interessierten und engagierten Leute gemeint sind, ist das sicherlich kein Problem, sofern dann deren Diskurs auch in die Gesellschaft getragen wird (jkippenberg hat das gut mit „Transformation“ beschrieben). Ist jedoch jene Elite gemeint, die um Pöstchen schachert oder das eigene Bankkonto füllt, dann wird der Elitendiskurs nur abschrecken und keinesfalls helfen. Oder mal so gefragt: Wer war denn die „deutsche“ Elite des Kaiserreichs? Die damaligen Freiheitskämpfer und Gegner von Willkür und Unterdrückung oder die nichtsnutzigen Clowns der Adelsgeschlechter? Entfernt bin ich mit dem badischen Revolutionär Hecker verwandt, Elite in mehrfacher Hinsicht (Bildung, Haltung, Stellung) und doch das genaue Gegenteil jener damaligen Adelselite von Kurfürsten und Großherzögen.

    Und wie breit kann und soll die Europa-Zukunfts-Debatte überhaupt geführt werden - angesichts der Komplizierheit der EU (und der Eurozone)?

    Sie MUSS so breit geführt werden, dass sich eine demokratische Mehrheit für den Weg der europäischen Integration entwickelt. Außerdem ist die EU nicht kompliziert, wenn sie denn ordentlich erklärt und nicht bewusst oder unbewusst verklärt wird.
    Ein gutes Beispiel für diese Verklärung ist z.B. die Berichterstattung zur Griechenland-Krise. Mit Spiegel-Artikeln wird man nicht verstehen, was dort abläuft. Wie denn auch, wenn die Autoren nur gut schreiben können, aber ansonsten wenig Ahnung haben.