1-1 von 1
Sortieren:
    1
    Adrian Barfuss Unsere Zeit · angelegt
     

    Hallo Katta,

    die Kritik mit den Durchschnittszahlen akzeptiere ich gern: Schließlich sagen sie nicht nur etwas aus, sondern verdecken auch eine Menge. Aber ich glaube, dass der von dir zitierte 300€-Renten-Fall noch viel weniger repräsentativ und aussagekräftig ist, als meine Durchschnitte. Denn auch wenn man den Wohlstand demographisch noch weiter Aufschlüsselt wird klar, dass Menschen in Deutschland verdammt reich sind: ca. 70% der Individuen verfügen über ein Nettoäquivalenzeinkommen von mehr als 1250 € monatlich Netto. Das ist nicht die Welt, aber global gesehen eine Menge. Meine Überzeugung ist demnach, dass (und hierzu könnte man den neuen Post auf Unsere Zeit lesen) die Diskussion über soziale Ungleichheit stark national gerahmt ist. Eine globale Perspektive ist in der heutigen Zeit m. E. aber die angemessenste. Um materielle Not weiterhin im Blick zu behalten ist die Kategorie "absolute Armut" dann besser geeignet als "soziale Ungeleichheit": wer zu wenig zum Leben hat, der kann schwer zufrieden sein. Arm ist man aber nicht, wenn man einen billigeren Wagen als jemand anders fahren muss, oder nur ein mal im Jahr ans Mittelmeer fliegen kann. Eine Frage, die sich an meinen Post anschließen könnte – die jedoch jeder Mensch für sich beantworten muss – ist: (warum) brauchen wir heute in Deutschland so viel, oder: wieviel von unserem unverzichtbaren Konsum ist unverzichtbar?

    Das heißt nicht, dass soziale Ungleichheit kein Problem ist und dass es nicht auch in Deutschland und der EU viele Menschen gibt, die um ihr ökonomisches Überleben kämpfen. Das Problem mit dieser Ungleichheit besteht m. E. jedoch in ihrer national(istisch)en Politisierung. Laut bpb ist die Einkommensverteilung in den letzten 25 Jahren auch gar nicht so instabil gewesen. Trotzdem taugt sie zur Mobilmachung gegen Flüchtlinge und "Superreiche" – was weder die eigene Zufriedenheit noch die der so bezeichneten Menschen steigert. Und sie verdeckt, dass auch eine gleiche Verteilung des Reichtums in Deutschland einen global gesehen kaum zu rechtfertigenden (Klimawandel, Hunger) Reichtum darstellte.

    Gruß, Adrian