Die Suche nach Schuld oder Verantwortung für die heutige Situation ist müßig. Auf der einen Seite ist es nutzlos Milliardären oder Dynastien vorzuwerfen, den Ausbau ihrer Privilegien voranzutreiben. Auf der andere kann man Bürgern schlecht vorwerfen, sich für das falsche Überraschungspaket entschieden zu haben. Die SPD und Grüne haben den Spitzensteuersatz erst vor wenigen Jahren gesenkt, haben ein Prozent Merkelmehrwertsteuer angeprangert und hinterher zwei erhoben, sie sind als erste Nachkriegsregierung gleich zwei mal in den Krieg gezogen und ausgerechnet die CDU besiegelt den Atomausstieg. Nur die FDP bediente zuverlässig ihr Klientel.
Vor der letzten Wahl wollten SPD und Grüne den Spitzensteuersatz nun wieder erhöhen. Er griff aber schon bei einem jährlichen Einkommen von 60.000 Euro. Das ist doch so deutlich an dem eigentlichen Problem vorbei, dass man über die Clowns nicht mal mehr lachen kann. Wir haben es mit einer winzigen Elite zu tun, deren Mitglieder 60.000 Euro in der Stunde „verdienen“. Familie Quandt hat 2014 von BMW 815 Millionen Euro Dividende erhalten. Das sind 93.000 Euro in jeder Runde des kleinen Zeigers – für drei Personen. Allein für dieses Geld werden sie im nächsten Jahr bei drei prozentiger Verzinsung, Dividende, Miete, oder wie auch immer sie das Geld anlegen, 20 Millionen Euro erhalten. Das schönste aber ist, dass sie auf diese Art von Einkommen nicht mal den Spitzensteuersatz zahlen müssen.
Und wer muss dieses Geld erwirtschaften? Woher soll es noch kommen wenn die Käufer, Mieter oder Schuldner in diesem Prozess immer weniger zur Verfügung haben? Das ist kein Problem der Gerechtigkeit sondern ein systemisches. Die aus diesem Prozess resultierende Konzentration des Kapitals ist für eine völlig freie Marktwirtschaft lange bekannt. Es wurden bereits effektive Antworten darauf gefunden, welche zu einem enormen Wirtschaftsaufschwung beigetragen haben. Erst als sie in den 80er Jahren abgeschafft wurden, setzte die Konzentration wieder ein.
Sicher, die Entscheidung dafür wurde nicht von einer kleinen Runde bestehend aus Männern mit weißen Haaren getroffen. Auch die obersten 1200 Familien, zehntausend Menschen, 0,1 Prozent oder wie viele es auch genau sein mögen, sind ein homogener Haufen. Aber sie eint ähnliche Interessen und sind sind besser vernetzt, als man glaubt. Um das Wirken beispielsweise der Denkfabriken anzuschneiden, sei hier nur exemplarisch die sympathische Non-Profit Organisation American Legislative Exchange Council (ALEC) erwähnt. Sie wurde 1973 von konservativen Aktivisten gegründet und verfolgt mit Gesetzesvorlagen sehr erfolgreich Ziele wie die Verkleinerung des Staates, die Beseitigung von Regulierungen für Körperschaften und die Erschwerung von Vorhaben, wirtschaftlich oder politisch mächtige Personen zur Verantwortung zu ziehen. Spätere Mitglieder haben so schöne Theorien entworfen, dass nach Steuersenkungen die Steuereinnahmen nicht sinken, sondern sogar steigen würden.
Bilderberg finde ich vor allem deshalb interessant, weil in dieser illustren Runde Medienvertreter anwesend sind, aber nicht über ihr Treffen mit Politikern, Bankern und Konzernlenkern berichten. Es ist nur ein Einstieg in die Verquickung der Medien. Hier sein mal ein altes aber sehr pikantes Beispiel erwähnt: Warum bloß hat Axel Springer so gereizt auf einen kritischen Kommentar zu einem südamerikanischen Diktator reagiert und daraufhin seinen renommierten Chefredakteur Wolf Schneider abgesetzt? Man mag die Episode Pinochet in Chile als unwichtigen Schauplatz des Ost-West Konfliktes und vor allem als lange her abtun. Doch dies ist eines der ersten Deregulierungsexperimente, welche nur mit großen Repressionen durchgeführt werden konnten. An diesem Beispiel zeigt sich wunderbar das perfide Zusammenwirken verschiedener elitärer Kreise, bzw. die Folgen ihrer gemeinsamen Interessen.
Bleibt noch die Frage, warum wir Bürger das alles mit uns machen lassen. Gewählt werden kann eine Lösung schon mal nicht. Das Kernproblem wird von keiner Partei thematisiert, die sich nicht in einer ideologischen Ecke verschanzt. Ob das auch daran liegt, dass deren führenden Akteure sich nicht den späteren Weg in die Wirtschaft verbauen wollen, oder es sich die Partei nicht mit ihren Großspendern verscherzen will, kann hierzulande nur vermutet werden. In den USA drängt sich der Verdacht noch viel stärker auf.