Die oberen Zehntausend
Der Privat-Jet: Exklusives Transportmittel und Status-Symbol sehr wohlhabender Menschen. Foto: Josh Beasley (CC BY 2.0)
Wie ungerecht ist die (globale) Wohlstandsverteilung? Fehlen den Staaten die Mittel für wichtige öffentliche Aufgaben - weil sie Reiche zu gering besteuern? Diese Fragen werfen Henriks Thesen auf...
Ein Beitrag von Henrik
Wer hat, dem wird gegeben. Dies ist ein jahrtausendealtes Phänomen menschlichen Miteinanders. In der Bibel wird es gar als Gott gegebenes Gesetz gepriesen und jahrhundertelang entsprechend danach gelebt. Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung konnte die einfache Bevölkerung aber in einem zähen Kampf den Mächtigen immer mehr Rechte abtrotzen. So wurde im Laufe der Jahrhunderte die Leibeigenschaft überwunden, der Adel entmachtet und Werkzeuge gefunden, um den Konzentrationstendenzen des modernen Kapitals und der damit verbundenen Verarmung der Arbeiter entgegenzuwirken. Zuerst wurden Sozialversicherungen eingeführt, dann progressive Steuersätze und schließlich erfolgte, als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise von 1929, der Ausbau des Sozialstaates.
"In der Folge hatte der Staat häufig zu wenig Geld..."
Nach dem zweiten Weltkrieg war die Angst der Eliten von einer sozialistischen Revolution hinfort gespült zu werden so groß, dass es selbst in den USA Spitzensteuersätze von 90% gab. Die Folge war eine große Kompression bei der Vermögensverteilung, die begleitet war von einer enormen Steigerung der Lebensqualität breiter Bevölkerungsschichten. Als aber die Strahlkraft des Kommunismus nachließ, trauten sich die Eliten wieder völlig ungeniert zuzulangen. So senkte der republikanische Schauspielerpräsident Ronald Reagan den Spitzensteuersatz von 70% auf 28%, kürzte Sozialprogramme drastisch und erhöhte gleichzeitig die Rüstungsausgaben. Durch dieses Elitenförder- und Staatsschwächungsprogramm erhöhte sich die amerikanische Staatsverschuldung um satte 180%. In der Folge hatte der Staat häufig zu wenig Geld, um seine Aufgaben hinreichend zu erfüllen, und die Unterschiede des Lebensstandards vergrößern sich seither immer weiter. Da diese Reformen so gut funktionierten, haben sie auch andere Industrienationen eingeführt und werden auch Entwicklungsländern als Auflage für Kredite gemacht.
Das Internet als Werkzeug
Auf den ersten Blick mag es noch erstaunlich wirken, dass es in vermeintlichen Demokratien nicht gelingt eine Politik dauerhaft durchzusetzen, die für die überwältigende Mehrheit vorteilhaft ist. Bei einem Blick auf die Werkzeuge der Eliten verwundert das allerdings schon weniger. Dies sind zum Beispiel Denkfabriken, welche „wissenschaftliche“ Thesen für die gewünschten Reformen entwickeln, einflussreiche Stiftungen wie dem Weltwirtschaftsforum, oder geheim tagende Treffen, wie den jährlich stattfindenden Bilderbergkonferenzen. Besonderes Interesse dürfte hervorrufen, dass bei letzterem Medienvertreter anwesend sind, aber nicht über die Konferenz berichten. Bei einem Blick auf die Eigentümer der geladenen Medienunternehmen verwundert dies allerdings schon weniger. Zu der Unabhängigkeit der Medien gegenüber US-Amerikanischen Einfluss sei noch ein bemerkenswertes Zitat des altgedienten Journalisten Peter Scholl-Latour erwähnt:
„Die subtile, perfide Unterwanderung und Täuschung globalen Ausmaßes, denen die Medien ausgeliefert sind, bedarf einer ebenso schonungslosen Aufklärung wie die hemmungslose Überwachungstätigkeit der National Security Agency.“
Mit dem Internet haben wir Bürger nun aber ein Werkzeug in der Hand, um die Ohnmacht zu überwinden. Wir müssen nur noch lernen damit umzugehen.
- Adrian Barfuss: Vom richtigen Leben im Falschen
- Eugen Pissarskoi: Gutes Leben und Gerechtigkeit in einer Postwachstumsgesellschaft
- Thorsten Wiesmann: Die Gesellschaft des Teilens
Ivenl
Das amerikanische Politikethos
Ich glaube das es wichtig ist gewisse Punkte hier differenziert zu betrachten. Die Diskussion kreist im Moment um Politik als ganzes, wohingegen Henrik nur amerikanische Beispiele anführt. Das deutsche und das amerikanische Politikethos unterscheiden sich aber im Bereich der Wohlstandverteilung aber fundamental. Die ungemein schwierige Reichtumsverteilung in den Vereinigtenstaaten basiert auf einer Vorstellung der Chancengleichheit, nicht der Ergebnisgleichheit. Die Vorstellung von Eigenverantwortung ist dabei so hoch, dass selbst so jemand wie Trump sich als "self-made-man" hinstellt. Anschaulich wird diese Philosophie etwa durch Nozicks "Wiliam-Chamberlain-Argument" oder die politische Philosophie Rawls. Ungleichheiten sind solange zu akzeptieren, solange sie Produkt einer gleichen Ausgangsposition sind. Das es diese Chancengleichheit nicht gibt und defakto nie gab ist dabei ein ganz anderes Problem.
Auch die Stuerpolitik im Angesicht des kalten Krieges und die anschließende Senkung fallen in ein spezifisch amerikanisches politisches Denken des schlanken Staates, dass auf den Beginn der modernen politischen Theorie zurückgeht. Zentral ist dabei eine Vorstellung die sich schon bei Hobbes findet:
Die Übertragung der Legitiemen Ausübung von Gewalt an den Staat und ihre Aufrechterhaltung ist der einzige Grund für eine Ausweitung staatlicher Aktivität. Der Kommunismus war ein solches Feindbild und erlaubte deshalb eine befristete Ausweitung staatlicher Aufgaben, sowie eine höhere Besteuerung. Das hat amerikanische Tradition, etwa während des Zweiten Weltkriegs, Vietnam oder zuletzt durch den USA PATRIOT Act.
Alexanders Kommentar zur Gesundheitsreform schließt dazu bedinkt an. Natürlich wird Obama gerne als böser Sozialist dargestellt, um quasi eben jene Urängste anzusprechen, die Ablehnung seiner Gesundheitsreform geht jedoch weiter. Ohne detailierte Kenntnisse der Reform zu haben, wird sie letztendlich steuerfinanziert. Jeder amerikanische Bürger an der Armutsgrenze, von denen es genügend gibt, hat deshalb Einbussen in seinem Realeinkommen zu erwarten. Natürlich kommt ihm diese Reform entgegen, wenn sie jedoch bedeutet, dass plötzlich kein Geld mehr für Miete oder Brot da ist, kann sie auch auf Seiten derer die von ihr am meisten profetieren kritisch beäugt werden.
Utopie Internet
Den zweiten Punkt den du aufmachst ist die Möglichkeit des Internets. Ohne auf die kritische Stellung gegenüber konventioneller alteingessesener Medien einzugehen, möchte ich anmerken das wir diesem Medium genauso kritisch gegenüberstehen sollten. Der Hype um "freie Informationen" der die Jahrtausendwende begleitete wird bestenfalls noch in Kreisen der Piratenpartei hochgehalten. Das Internet ist mindestens genauso, wenn nicht noch mehr konzerngesteuert als es andere Medien sind. Hinzukommt das spezifische Nutzungsverhalten all jener die an ihm partizipieren. Mediennutzung im Internet unterscheidet sich nicht von "Offline" Nutzung. Wer bisher keine Zeitung las, oder sich für Politik interessierte, wird auch im Internet eher Facebook als ein politische Foren nutzen, die Vorstellung, das Internet helfe soziale Ungleichheiten zu überwinden ist eine Utopie. Ich stimme deiner These voll zu, wir hätten theoretisch ein Werkzeug in der Hand Missstände anzugehen. Das hatten wir aber vorher auch schon und haben es immer noch, es heißt demokratische Wahl.