Hallo Felix Blickwinkel Blog ,
vielen Dank für Ihren ausführlichen Debattenbeitrag. Journalismus muss natürlich unterschiedlichen Anforderungen genügen. Nachrichten, sollen über das Geschehen berichten, während Reportagen, Interviews, Hintergrundbeitrag oder Storys die Möglichkeiten bieten, Dinge einordnen, aus anderen Perspektiven beleuchten oder hinterfragen zu können. Insoweit denke ich, dass das Dilemma einigermaßen begrenzt werden kann, weil es für diese unterschiedlichen Anforderungen auch die jeweils passenden Formate gibt.
Eine Einordung, selbst bei Nachrichten, wird natürlich nie unabhängig des Wertegerüsts des jeweiligen Journalisten möglich sein und ein linker Journalist ordnet z.B. anders ein oder befragt Interviewpartner anders als ein konservativer. Aber diese Medienvielfalt ist ja gerade das großartige an der Pressefreiheit. Eine sehr schöne Einordnung rund um einige Begriffe aus der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen findet sich z.B. seit letzter Woche auf tagesschau.de.
Insofern geht es mir aber gerade nicht darum, wieso Medien zum Beispiel die Frage, ob die Flüchtlingsquote bzw. der Verteilungsschlüssel fair ist, wie auch immer beantworten, sondern warum diese Frage gar nicht erst gestellt wird. Zeigen Sie mir z.B. den FAZ oder taz oder Handelsblatt-Artikel, wo diese Frage nach der Fairness auftaucht. Oder aktuell verstehe ich z.B. nicht, warum nach Bad Aibling niemand fragt, ob das System Bahn eine Mitschuld trägt, denn wenn es so abgelaufen ist, wie es sich im Moment darstellt, dann wäre es ohne Verspätung nie zu diesem Unfall gekommen. Mich würde daher zum Beispiel interessieren, wie oft am Tag ein Fahrdienstleister in die Verlegenheit kommt, irgendwelche Systeme überbrücken zu müssen, um Verspätungen im Fahrplan hereinzuholen. Man kann das dann ja unterschiedlich bewerten, aber erst mal müsste man diese Frage überhaupt stellen – in irgendeinem Medium.
Deshalb würde ich das Thema auch nicht unbedingt hinsichtlich von Geschmacksfragen (Spiegel oder Zeit, taz oder FAZ, Kicker oder Sportbild) debattieren. Mich beschäftigt eher, dass Medien, egal welcher inhaltlicher Ausrichtung, von Rahmenbedingungen begleitet werden -> Digitalisierung, Rückgang der Zeitungsauflage, Mantelzeitung mit Lokalteil statt Lokalzeitung, Twitter, alles immer schneller. Und ich frage mich, ob das eben zu dem führt, was ich zwar nicht pauschal bei allen, aber doch bei vielen Medien als immer weniger hinterfragenden bzw. oberflächlichen Journalismus wahrnehme – wenn also z.B. die Polizeimeldung einfach 1:1 übernommen wird oder eine DPA-Meldung die hauseigene Recherche ersetzt.
Es ist aber auf jeden Fall interessant zu lesen und auch ein wichtiger Hinweis für mich, dass das Empfinden z.B. bei Ihnen etwas anders ist, und sie nicht unbedingt den Eindruck haben, dass sich die Berichterstattung in den letzten Jahren so sehr verändert hat. Möglicherweise hat sich ja auch einfach mein Anforderungsprofil mit der Zeit geändert, so dass mir z.B. der Spiegel früher besser gefallen hat als heute, ohne dass sich Art und Niveau der Berichterstattung dort tatsächlich verändert haben.