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Verlernen die Medien zu hinterfragen?


FotoDetails und Hintergründe vergeblich gesucht? Foto: Ryan McGuire (CC0)

Gibt es die Tendenz, dass die Berichterstattung immer schneller und substanzloser wird? Das fragt MisterEde


Ein Beitrag von MisterEde

Im Rahmen des Vorschlags zur Flüchtlingsquote kamen mir die Medienberichte rund um das Thema und damit irgendwie auch eine Frage in den Sinn: Verlernen die Medien zu hinterfragen?

Es wurde zwar viel über die Flüchtlingsquote berichtet, allerdings immer nur in Bezug darauf ob und wer sie ablehnt bzw. befürwortet. Oder kann sich irgendjemand von Euch an einen Artikel oder Beitrag erinnern, in dem mal gefragt wird, was hinter der Quote steckt und ob der Verteilungsschlüssel auch fair ist?

Mein Eindruck ist, dass Medienberichte auch in den Qualitätsmedien oft nur oberflächlich bleiben und sich mit Schlagwörtern begnügen. Bei Kontingenten und Obergrenzen war das übrigens ähnlich und insofern frage ich mich, ob ich mit meinem Eindruck da alleine bin.

Wie ist Eure Wahrnehmung? Habt ihr auch den Eindruck, dass es eben auch in den Qualitätsmedien eine Tendenz von ausführlicher und hintergründiger zu schneller und substanzloser Berichterstattung gibt?


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Kommentare

  • Mario22 ist dafür
    +2

    Wer hat denn Interesse an Qualitätsjournalismus?

    Hört sich komisch an aber… Die aktuelle Regierung etwa? Springer und Bertelsmann sind bekennende Unterstützer der Regierung, wohlgemerkt in einem Land dem dies einmal zum Verhängnis wurde - naja.

    Oder die Industrie? Ein profitableres Jahr nach dem anderen, Lobbyismus ist in De gang und gebe. Günstige Arbeitskräfte willkommen.

    Der mündige Bürger? Leider halten sich die meisten für gut Informiert wenn sie die faz oder zeit lesen. Irgendwie finde ich den Deutschen fehlt das Rückgrat sich auch mal unangenehmen Wahrheiten zu stellen.

    • Das Interesse daran ist gering, vor allem in der breiten Gesellschaft. Wechselgerüchte von Fußballern ziehen mehr, als ein gut recherchierter Zeitungsartikel über die Situation in Libyen.

      Politiker haben, glaube ich, schon ein Interesse an Qualitätsjournalismus. Oftmals sind es Journalisten, die mit dem, was sie aufdecken, den Boden für notwendige Veränderungen bereiten, auf dem dann die Politiker arbeiten können.

      FAZ oder Zeit sind meines Erachtens recht gute Informationsquellen, aber man sollte sich bei den großen Themen natürlich aus mehreren Quellen informieren.

      • Mario22 ist dafür
        +2

        Ich finde die Blätter (nicht nur faz und zeit) und Sendungen (z.B. Heute Journal) oft sehr einseitig.

        Zu beginn der Flüchtlingskrise wurden meist bedürftige Frauen und Kinder in den Berichten gezeigt, jedoch sind 70-80% der Angekommenen junge Männer.

        Desweiteren kam beinahe jeden Tag ein positives Beispiel wie sich Flüchtlinge erfolgreich integriert haben. Ich halt dies nicht für falsch, aber man sollte auch die andere Seite zeigen.

        All dies führte dazu, dass ein falscher Gesamteindruck entstand. Selbst die Faz hat sich in dem Bericht "ehr McDonalds als Mercedes" praktisch selbst widersprochen.

        Nun merken die Medien langsam: okay, hätten wir lieber die unangenehme Wahrheit erzählt, jetzt sind die Populisten auf dem Vormarsch die diese Schwäche ausnutzen.

        Wahrheit schmerzt manchmal, aber baut auch Vertrauen auf...

        • Ich denke, es ist normal, dass es verschiedene Sichtweisen gibt und man durch die unterschiedlichen Positionen – ob nun bei Zeitungen oder im persönlichen Gespräch – den Eindruck gewinnt, der Gegenüber blicke einseitig auf die Dinge. Gerade deshalb werbe ich für Medienvielfalt, um diesen vielen Perspektiven einen Platz zu bieten. Ich glaube aber auch, dass es in Deutschland schon eine große Medienvielfalt gibt, von sehr linken Zeitungen bis sehr rechten Blättern.

          Einseitigkeit ist dann auch etwas Relatives. Im September 2015 fand z.B. zeitnah zu Merkels „Wir schaffen das“ die Balkankonferenz statt. Wissen Sie noch, wie groß früher das Geschrei in Deutschland über Asylbewerber vom Balkan war? Heute gibt es erheblich weniger Asylbewerber von dort, aber das findet kaum Erwähnung in den Medien. Oder der EU-Türkei-Deal, zu dem immer nur „Erdogan ist kein Demokrat“ kommt (Schlagzeile nächste Woche: Wasser ist flüssig!). Man könnte ja auch mal berichten, dass durch das Abkommen mittlerweile alle Ankommenden direkt in Griechenland registriert werden – ein riesen Fortschritt. Ich empfinde die Berichterstattung insofern auch als einseitig, auch wenn das am Ende natürlich viel mit meiner eigenen Perspektive zu tun hat.

          Wo ich Ihnen völlig zustimme, und das ist ja auch so der Ausgangspunkt dieser Diskussion, ist dieses Schwarmverhalten, was vor allem in den ersten Tagen und Wochen nach Ereignissen zu beobachten ist. Ich würde das zu Beginn der Flüchtlingskrise genauso sehen wie zu Beginn der Ukrainekrise oder auch bei anderen komplexeren Ereignissen. Meine Vermutung ist, dass da einfach ganz viel abgekupfert wird, weil eigenständige gute Analysen Fachwissen benötigen, das haben je nach Thema nur einige wenige Journalisten, und Zeit, die hat heute eigentlich niemand mehr.

          Bei den Flüchtlingsbildern war man schätzungsweise einfach auf der Jagd nach den möglichst emotionalsten Szenen. Nicht ganz unverständlich, verzerrt aber die Realität, was Sie zurecht anmerken.

  • Felix Blickwinkel Blog
    +2

    Für mich offenbart sich hier recht deutlich das Dilemma des so oft geforderten Qualitätsjournalismus:

    Einerseits kann man als Journalist hinterfragen, wie es ja in (über-)regionalen Zeitungen, Selbstversuchen, Plattformen etc. durchaus versucht wird, damit verliert man allerdings die Chance ein möglichst wertfreies Bild zu zeichnen, da allein schon die Auswahl der zu stellenden Fragen den Inhalt und das übermittelte Bild der Sachlage verzerrt.

    Andererseits kann man versuchen nur die Sachlage darzustellen und ein möglichst wertfreies Bild zu zeichnen, also neutrale journalistische Arbeit abzuliefern. Dabei wird man allerdings all jenen nicht entgegenkommen können, die sich eben eine tiefergehende Recherche welcher politischen Ausrichtung auch immer wünschen würden.

    Im Grunde könnte man natürlich durchaus feststellen, dass die Berichterstattenden immer weniger hinterfragen. Das mag wohl auch auf einen nicht allzu kleinen Teil zutreffen, aber mit zunehmender Komplexität der Angelegenheiten wird eine gut recherchierte und vielseitig betrachtete tägliche Berichterstattung eben auch wesentlich schwieriger bis nahezu unmöglich.

    Aus meiner Sicht hat sich die Art und Weise der Berichterstattung nicht so sehr verändert, sie ist in gewissem Sinne sogar "unabhängiger und hinterfragender" geworden, eben gerade weil so ziemlich Jede/r in der Lage ist zu publizieren und meint einen Haufen wichtiger Fragen zu stellen, dabei allerdings in erster Linie Antworten liefern möchte. Die Beurteilung der Sinnhaftigkeit der gestellten Fragen/ Antworten bleibt natürlich jedem Selbst überlassen.

    Ein kleines Beispiel liefert doch die aktuelle Rechtsbewegung. Letzten Endes ist das auch nichts anderes als Berichterstattung und aktuelle Politik zu hinterfragen, mit sämtlichen Sümpfen an "neuen Wahrheiten" die im Internet verbreitet werden. Natürlich entwickelt sich das Ganze in eine vollkommen Absurde und in gewisser Weise beängstigende Richtung, nichts desto trotz ist der viel gehegte Wunsch nach mehr Hinterfragen durch die Medien doch in erster Linie ein Wunsch danach, die Antworten zu kriegen die zur eigenen Erwartung passen.

    Anders gesagt: Sowohl das Handelsblatt als auch die taz sind beide in der Lage zu hinterfragen und beide tun das auch auf ihre Art und Weise. Die Antworten die sie liefern liegen in der Regel allerdings sehr weit voneinadner entfernt, eben weil sie vollkommen unterschiedliche Fragen in den Fokus rücken. Das ist in meinen Augen aber bei keiner der Zeitungen ein Mangel an Qualität, es zeigt eben vor allem, dass die Fragen letzten Endes entscheidender sind als die Antworten.

    Demgegenüber steht natürlich bspw. die BILD, welche sich was das Hinterfragen angeht in der Regel zurückhält. Das Problem ist doch aber, ob es wirklich so wirkungsvoll wäre, wenn sie es machen würde. Würde die Leserschaft denn dann wirklich "kritischer" werden und vor allem in welche Richtung würden die Fragen der Verlagszeitung dann gehen? Oder würde nicht einfach ein neues Medium an deren Stelle treten und die aus meiner Sicht "etwas mangelhafte" Berichterstattung einfach fortsetzen, während die daraus entstehende "kritische BILD" nur ein weiteres Nischenpublikum bedienen würde? Zeitungen befriedigen im aktuellen marktwirtschaftlichen System doch am Ende auch einfach nur eine Nachfrage.

    Meiner Ansicht nach zeigt sich das Problem eher darin, die Medien zu finden, welche die für uns selbst interessantesten Fragen stellen und nicht, dass wir auf einmal unter einem größeren Mangel an journalistischer Qualitätsarbeit leiden. Letzterer ist zwar immernoch existent, aber wenn man einen Blick auf die deutsche Presselandschaft der letzten 50 Jahre wirft, würde ich doch sagen wir haben hier keine drastische Verschlechterung zu verzeichnen. Eher ist die Summe an möglichen Antworten auf die gestellte Fragen größer geworden, weil die politischen Ansichten immer zerkleinerter/ feingliedriger werden.

    Zu guter letzt möchte ich bemerken, dass allein das Antworten auf Ihre Frage in mir das Bedürfnis weckt, hier noch mindestens 10 Absätze hinzuzufügen. Glücklicherweise ist mir aber klar, dass es dann wohl einfach auch niemand mehr wirklich lesen wird. Insofern kann ich es denjenigen, die Ihren Lebensunterhalt mit gelesen werden verdienen müssen, wirklich nicht übel nehmen, knappe Antworten auf knappe Fragen liefern zu wollen. Für wirklich ausführliche Berichte gibt es dann eben die entsprechenden Fachmagazine oder aber: Das Internet.

    Und zu aller, aller letzt mich Alexander was die Kosten von Recherche und Qualität sowie die Öffentlich-Rechtlichen angeht anschließen.

    • Hallo Felix Blickwinkel Blog ,

      vielen Dank für Ihren ausführlichen Debattenbeitrag. Journalismus muss natürlich unterschiedlichen Anforderungen genügen. Nachrichten, sollen über das Geschehen berichten, während Reportagen, Interviews, Hintergrundbeitrag oder Storys die Möglichkeiten bieten, Dinge einordnen, aus anderen Perspektiven beleuchten oder hinterfragen zu können. Insoweit denke ich, dass das Dilemma einigermaßen begrenzt werden kann, weil es für diese unterschiedlichen Anforderungen auch die jeweils passenden Formate gibt.

      Eine Einordung, selbst bei Nachrichten, wird natürlich nie unabhängig des Wertegerüsts des jeweiligen Journalisten möglich sein und ein linker Journalist ordnet z.B. anders ein oder befragt Interviewpartner anders als ein konservativer. Aber diese Medienvielfalt ist ja gerade das großartige an der Pressefreiheit. Eine sehr schöne Einordnung rund um einige Begriffe aus der Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingen findet sich z.B. seit letzter Woche auf tagesschau.de.

      Insofern geht es mir aber gerade nicht darum, wieso Medien zum Beispiel die Frage, ob die Flüchtlingsquote bzw. der Verteilungsschlüssel fair ist, wie auch immer beantworten, sondern warum diese Frage gar nicht erst gestellt wird. Zeigen Sie mir z.B. den FAZ oder taz oder Handelsblatt-Artikel, wo diese Frage nach der Fairness auftaucht. Oder aktuell verstehe ich z.B. nicht, warum nach Bad Aibling niemand fragt, ob das System Bahn eine Mitschuld trägt, denn wenn es so abgelaufen ist, wie es sich im Moment darstellt, dann wäre es ohne Verspätung nie zu diesem Unfall gekommen. Mich würde daher zum Beispiel interessieren, wie oft am Tag ein Fahrdienstleister in die Verlegenheit kommt, irgendwelche Systeme überbrücken zu müssen, um Verspätungen im Fahrplan hereinzuholen. Man kann das dann ja unterschiedlich bewerten, aber erst mal müsste man diese Frage überhaupt stellen – in irgendeinem Medium.

      Deshalb würde ich das Thema auch nicht unbedingt hinsichtlich von Geschmacksfragen (Spiegel oder Zeit, taz oder FAZ, Kicker oder Sportbild) debattieren. Mich beschäftigt eher, dass Medien, egal welcher inhaltlicher Ausrichtung, von Rahmenbedingungen begleitet werden -> Digitalisierung, Rückgang der Zeitungsauflage, Mantelzeitung mit Lokalteil statt Lokalzeitung, Twitter, alles immer schneller. Und ich frage mich, ob das eben zu dem führt, was ich zwar nicht pauschal bei allen, aber doch bei vielen Medien als immer weniger hinterfragenden bzw. oberflächlichen Journalismus wahrnehme – wenn also z.B. die Polizeimeldung einfach 1:1 übernommen wird oder eine DPA-Meldung die hauseigene Recherche ersetzt.

      Es ist aber auf jeden Fall interessant zu lesen und auch ein wichtiger Hinweis für mich, dass das Empfinden z.B. bei Ihnen etwas anders ist, und sie nicht unbedingt den Eindruck haben, dass sich die Berichterstattung in den letzten Jahren so sehr verändert hat. Möglicherweise hat sich ja auch einfach mein Anforderungsprofil mit der Zeit geändert, so dass mir z.B. der Spiegel früher besser gefallen hat als heute, ohne dass sich Art und Niveau der Berichterstattung dort tatsächlich verändert haben.

  • Die Qualität und das Geld

    Lieber MisterEde, großes Thema! Die Diskussion um die Quoten habe ich nicht so richtig verfolgt. Es blieb hängen, die Visegrad-Staaten wollen keine Muslime. Und Frankreich will nun auch niemanden mehr. Das ist natürlich kein tiefes Wissen um die Konstruktion der Quote.

    Was den Journalismus angeht. Natürlich ist die wirtschaftliche Lage der meisten Qualitätsmedien nicht einfach. Überspitzt gesagt: mit jedem Promi-Tweet-Artikel und jeder Sextipp-Fotostrecke lassen sich locker 1000 Mal mehr Klicks erzielen als mit einer tiefgründigen, gut recherchierten Analyse zu politischen Themen. Mit den großen Klickmaschinen (Facebook, Google) können Qualitätsmedien meines Erachtens nicht mithalten. Sie haben keine Chance, wenn sie sich über reine Reichweite und die entsprechenden Werbeeinahmen finanzieren wollen. Jedes Katzenvideo auf Youtube nimmt sich einen größeren Batzen aus dem verfügbaren Werbebudget, dass da draußen zu vergeben ist.

    Die einzige Chance liegt meines Erachtens darin, zu sagen: Mit unseren LeserInnen erreichen Sie die richtigen. Also Du hast als Qualitätsmedium ein kleines, aber dafür 'feines' Publikum, für das Werbende Unternehmen bereit sind, mehr zu zahlen als den üblichen Pro-Klick-Preis (der gegen Null tendiert). Und dieses Publikum kannst Du wiederum nur mit Qualität versammeln. Keine einfache Strategie. Was ist den werbenden Unternehmen das wirklich wert, dieses Publikum? Und können sie es wirklich nur bei Dir erreichen?

    Kann sein dass ich mich täusche, aber ich glaube richtige Qualität wird irgendwann hinter Paywalls verschwinden. Recherche und Expertise kostet einfach verdammt viel Zeit und Geld. Paywalls sind natürlich extrem schade, weil wir uns so sehr an das freie und offene Netz gewöhnt haben, und diese Walls die Gesellschaft erneut spalten. In die zahlungsfähigen und -willigen 'Wissenden' und den Rest. Andereseits war es früher auch nicht anders, als eben nur bestimmte Gesellschaftsschichten Qualitätszeitungen erst kauften und dann lasen.

    Und es gibt natürlich unendlich viele Crowdfunding-Projekte, die sich alle wie Du nach Tiefe und Recherche sehnen. Viel Erfolg!

    Der Ball liegt bei ARD und ZDF

    Nun haben wir in Deutschland den Luxus, das best finanzierte öffentliche Rundfunksystem der Welt zu haben. Also für mich liegt der Ball bei den Öffentlich-Rechtlichen. Sie müssen es richten. Von mir aus können sie das Unterhaltungsbudget um 70 Prozent kürzen, und die frei werdenden Millionen (Milliarden?) in guten Journalismus stecken. Aber das ist meine private Meinung. Hätte da gerne mal eine demokratische Abstimmung drüber.

    Und was europäische Themen betrifft: die Situation des wirklich 'tiefen' EU-Journalismus ist aus meiner Sicht verheerend. Es fehlt an allem. An Geld. An Expertise. An Neugier und geeigneten Konzepten, diese schwierige EU leserfreundlich aber nicht vedummend zu vermitteln. An Reichweite und Publikum. Blogger wie Du oder Manuel Müller Der (europäische) Föderalist können da ehrenamtlich etwas gegenhalten (er hat mir über vieles die Augen schon geöffnet). Aber ganz alleine werden es ein paar Profi-Blogger, die oft weit tiefer rein gehen als jeder Online-Journalist, nicht schaffen.

    • Hallo Alexander Wragge,

      Journalismus ist für mich schon etwas anderes als z.B. mein kleiner Blog, in dem ich ja nur jene Themen bearbeite, die mir persönlich wichtig sind. Insofern glaube ich nicht, dass es wirklich zielführend wäre, mit Blogs das aufzufangen was im institutionalisierten Journalismus (Zeitung, Sendeanstalt) wegfällt. Beim Europa-Journalismus – ich kann dem was Sie schreiben nur beipflichten – führen Sie das ja auch aus.

      Den Hinweis auf die öffentlich-rechtlichen Angebote finde ich absolut richtig und dort nehme ich diese Veränderung auch noch weniger wahr. Allerdings sollten dann auch die Rahmenbedingungen zeitgemäß sein. Der ARD zu sagen, dass sie nach Möglichkeit nichts im Netz machen soll, bringt niemandem etwas. Und am Ende hat das ja auch nicht die Zeitungsverlage und Privatanbieter gestärkt, sondern nur die Abwanderung zu ausländischen Netzangeboten befördert.

      Eine reine Werbefinanzierung kann ich mir bei Online-Journalismus zwar auch nicht vorstellen, allerdings stammt der Begriff Paywall gefühlt aus dem letzten Jahrtausend. Bei einem sich so schnell veränderten Markt wie den Netzangeboten würde ich daher keine Prognose abgeben. Denkbar wäre für mich anstatt Paywalls z.B. genauso, dass Facebook und Co. über ihre Plattformen diese Funktion wahrnehmen und die verschiedenen Medienanbieter für ihren Onlinejournalismus dort entlohnen (sozusagen quersubventionieren) oder gar neue Plattformen und Konzepte speziell für journalistische Angebote entstehen. Ich verstehe zum Beispiel nicht, dass sich die ganzen Lokalzeitungen nicht gemeinsam online vermarkten. Ich glaube die hätten echt Potential. Aber wie gesagt, eine Prognose würde ich nicht wagen, die Zeit wird es zeigen.

  • Ein weiteres Beispiel für ist der gestern auf Cicero-Online erschienener Artikel Zahlenakrobatik in der Ägäis zur EU-Flüchtlingspolitik. Darin wird von 255 Neuankünften in Griechenland gesprochen und damit das Scheitern des Abkommens diagnostiziert.

    Wer aber einen Taschenrechner hat, kann diese Zahl mit den verbleibenden 269 Tagen des Jahres 2016 multiplizieren und kommt auf 68595 Neuankünfte in Griechenland. Im Vergleich zum Januar 2016, mit 67415 Neuankünften in Griechenland laut UNHCR, ein signifikanter Rückgang und keineswegs ein Scheitern.

    Der Cicero-Artikel bietet aus meiner Sicht daher lediglich Information ohne sinnige Einordnung, dann ein falsche Schlussfolgerung und noch ein bisschen Stänkern gegen die Politik. Meine Frage daher an Euch: Wie ist Euer Eindruck wenn Ihr den Artikel lest? Ist das Journalismus oder kann das weg?

  • Oder hier ein Beitrag von Christian Neuner-Duttenhofer auf Carta.info, wie von zahlreichen Medien ohne zu hinterfragen über einen (angeblich) geleakten AfD-Vorstoß berichtet wird.

  • Noch so ein Beispiel, „Bundestagswahlrecht“: Egal welchen aktuellen Online-Artikel ich dazu lese (eine Reform wird ja zurzeit angestrebt), in keinem wird das Problem korrekt erklärt. Auf wahlrecht.de gibt es seit drei Jahren eine gute Erklärung dazu und auf mister-ede.de ist es auch seit drei Jahren beschrieben. Und das ist ja jetzt alles keine Frage von Meinung oder links oder rechts.

    Insofern einfach auch hier die Frage, haben Journalisten nicht mehr die Fähigkeit oder die Zeit zu recherchieren, zu hinterfragen oder kurz gesagt journalistisch zu arbeiten? Oder ist guter Journalismus einfach nicht lukrativ genug?