Lieber Klaus, Sie haben wohl Recht, dass ich es mir einfach gemacht habe. Deshalb möchte ich es anders formulieren.

Zu Beginn noch die Antwort aus Kants Sicht. In seinem Werk "Kritik der reinen Vernunft" lehrt Kant, dass Kritik nicht als "Herabwürdigung" zu verstehen ist. Im Gegenteil sah er Kritik als "Analyse" oder "Beurteilung".

Ohne nun eine philosophische Vorlesung einleiten zu wollen, will ich Ihnen mitteilen, welche Schlussfolgerungen ich aus seinem Werk ziehe.

Lt. Kant - aber auch Spinoza oder Leibniz vertraten diese Auffassung - brauchen wir eine emotionslose Form der Erkenntnis, sog. Vernunfterkenntnis, um Wirklichkeiten und Wahrheiten zu erkennen. Diese dient auch Konflikte und Probleme zu bewältigen, indem Sie eine rationale Analyse basierend auf emotionsfreier Erfahrung führt (z.B. Fachkompetenz). In der EU-Politik wäre dies natürlich mehr als wünschenswert.

In der Organisationspsychologie bringen sog. Situationsanalytiker diese Fähigkeiten mit. Diese Menschen verfügen über die notwendingen Informationen um komplexe Probleme zu bearbeiten. Sie eignen sich nicht, andere Menschen zu begeistern und wirken nach außen sehr phlegmatisch. Zumeist finden sich diese Charaktere in den konservativen Milieus wieder (Volkswirt, Rechtsanwälte, Ärzte, etc...).

Nun ist es nicht gerade förderlich, Menschen an der Spitze zu haben, welche lediglich Informationen sammeln und selten (nach ausführlicher Analyse) handeln. Den perfekten Mix für die Bearbeitung von komplexen Problemen hier zu erläutern, würde aber den Rahmen sprengen. Deshalb weiter zum Wesentlichen.

Juncker verfügt nicht nur über die von Ihnen geschilderten Qualitäten, sondern auch über die Erfahrung aus seiner politischen Laufbahn und "Informationen" (durch Regierungserfahrung, Fraktionsstärke der EVP/CDU, etc...). Er wirkt deshalb auch sehr analytisch und "bequem".

Schulz dagegen ist ein sehr engagierter Politiker mit sehr guten Rednerqualitäten und einer starken Aussenwirkung durch seine sympathische Art. Ich bezweifle, dass sie viele Politiker innerhalb der CDU/EVP finden, die wenig von ihm halten. Allerdings liegt hier auch die Krux. Denn sein Engagement zieht er aus seiner politischen Leidenschaft und nicht aus einer vielseitigen Ämterlaufbahn. Ihm fehlt somit Erfahrung.

Um nun wieder den Bogen zu bekommen, folgende Schlussfolgerung.

Juncker und Schulz sind beides Qualitätspolitiker. Eine Koalition ihrer Persönlichkeiten ist durchaus wünschenswert, aber nicht möglich. Deshalb muss geprüft werden, welcher der beiden vernunftsorientierter ist und sich nicht zu sehr von Emotionen (meist sozialpolitische Themen) leiten lässt. Denn nur durch eine analytische Sicht (Vernunfterkenntnis) kann die Kritik an der eigenen Arbeit erfolgen. Hier sehe ich Juncker also als geeigneten Kandidaten.

Denken Sie daran, dass einer konstruktiven Problembewältigung in der Regel nur Befindlichkeiten und Emotionen im Weg stehen. Deshalb bin ich für "langweilige" Politiker ;)