Wenn Georgien das bessere Europa baut
Hallo PXP Konstanz! (wie schön das mal schreiben zu können)
Oh wo fängst Du da an zu antworten? Ich probiere es mal ganz woanders. Nämlich in Georgien. Neulich sah ich eine Reportage über diesen EU-Beitritts-Aspiranten, den auch Russland in seiner natürlichen Einflusszone wähnt, was die Sache verkompliziert.
Jedenfalls: bei den interviewten jüngeren Georgiern hat 'Europa' als Sehnsuchtsort noch Magie. Die Rechtsstaatlichkeit, die Freiheit, die (Minderheiten-)Rechte, der Lebensstil. Im Kontrast zum postsowjetischen Oligarchentum, zu Korruption, Willkür, Obrigkeitsstaat.
Vielleicht können wir uns von der Europabegeisterung in Georgien auch nichts kaufen, aber dieser Blick von außen holt einen ein wenig zurück auf den Teppich, wenn wir selbst nur noch schwarz malen. Das Erreichte ist schon sehr viel. Auch wenn ältere Reaktionäre das partout nicht sehen und wahrhaben können. EU-Nörgelei a la Henrik M. Broder wirkt plötzlich ziemlich denkfaul, recherchefrei nachgeahmt und recht billig eingeübt.
Der Bürger als Kunde und König
In georgischen Tiflis haben sie nun ein lichtdurchflutetes Bürgerzentrum gebaut, in dem Bürger alle ihre Behördergänge und Belange regeln können. Ein Pass wird innerhalb von 2 Stunden nach Antrag 'ausgedruckt' und im Cafe (!) ausgehändigt. Dieses Zentrum wirkt tatsächlich eher wie ein großes Hotel mit Lobby und Rezeption. Alles ist auf Service getrimmt. Der Bürger als Kunde und König. Wenn das die vohereilende georgische Umsetzung der EU ist, wünschte ich mir, das Bürgeramt Kreuzberg läge in Georgien. Was ich damit sagen will, es ist so cool diese Energie zu sehen, diesen Idealismus, den Europa eben auch freisetzen kann.
Warum diese Energie, diese Zukunftslust im Moment der EU-Mitgliedschaft dramatisch zu schwinden scheint, wäre wohl ein eigenes Bücherregal wert.
Aus meiner Sicht hat unser Selbstgefühl als EU-Bürger noch nie so richtig tief verfangen. Dieses Selbstbewusstsein, dass diese ganze EU-Polit-Maschine allein für uns da ist. Dass es hier um einen politischen Wettbewerb um uns geht, den wir selbst entscheiden. Die Institutionen, die Beamten, das ganze EU-Tammtamm muss gefühlt unter uns stehen, nicht über uns. Es ist nur dazu da, uns bei der Gestaltung unserer europäischen Gesellschaft zu helfen, es ist ein Tool und kein Selbstzweck. Das gerät sehr sehr schnell in Vergessenheit oder es wird vielen niemals bewusst. Die Idee, diese EU-Demokratie im Sinne unseres europäischen Gemeinwohls 'von unten' leben und gestalten zu können, scheint mir an vielen Tagen nicht-existent.
Warum das so ist hab ich hier mal überlegt. Aber natürlich ist Ulrike Guerot die perfekte Einstiegsdroge für alle Europa-NeudenkerInnen. Oh es gäb so viel zu sagen. Aber das soll erstmal reichen. ertsmal reichen.