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    Doro · angelegt
     

    Hallo Alexander,

    danke für Deine Antwort.

    Ich war mehrfach in der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Berlin. Stundenlang wird dort die griechisch-orthodoxe Liturgie zelebriert. Die Gottesdienstteilnehmer kommen und gehen währenddessen. Es ist offenbar ein Stück Heimat, ein Stück Identifikation für sie. Und das geht gar nicht auf Deutsch. Eine Predigt gehalten wird m.E. nicht. Es geht gar nicht um eine Aktualisierung ihres Glaubens für ihren Standort heute hier bei uns. Aber die Orthodoxie ist insofern ein schlechtes Beispiel, weil ja nicht postuliert wird, dass die Orthodoxie (egal ob die griechische oder die russische oder welche auch immer) zu Deutsch- land gehört. Die Orthodoxen, die hier sind, gehören zu Deutschland ja, aber es wird nicht behauptet, dass die Orthodoxie schon immer prägender Bestandteil unserer westlichen Kultur gewesen sei. Orthodoxe Gemeinden sind m.E. wie Auslandsgemeinden oder wie, wenn auch Jahrzehnte oder Jahrhunderte alte Ausländer- bzw. Emigranten-Gemeinden zu behandeln. Wie es auch deutsche kath. oder prot. christliche Gemeinden in aller Welt gibt, die oft schon ins 19. Jh. zurückgehen und bis heute dort ihr kulturelles Erbe auf Deutsch pflegen.

    Anders verhält es sich m.E. beim Islam. Wenn postuliert wird, dass der Islam (schon immer) zu Deutschland gehört, dann müsste es auch einen deutschen Islam geben.Es müßte Moscheengemeinden geben, in denen der islamische Glaube in Predigten auf Deutsch für die Muslime hier bei uns und alle, die es interessiert, auf unsere Gegenwart in Deutschland aktualisiert wird.

    Der Koran selbst muss nach seinem eigenen Selbstverständnis auf Arabisch rezitiert werden. Denn Allah hat sich nach dem Selbstverständnis der Muslime nicht nur im Koran offenbart, sondern auch mit seinem Wort an die arabische Sprache gebunden. Übersetzungen sind nicht mehr Gottes ureigenes Wort. Aber das heißt ja nicht, dass die Predigten der Imame auf Arabisch gehalten werden müssen. Längst halten Imame aus den verschiedensten muslimischen Ländern in den Moschee-Gemeinden Predigten in ihrer Landessprache. Z.B. auf Türkisch. Wäre es nicht wünschenswert, wenn es sich durchsetzen würde, dass deutschsprachige Imame auf Deutsch in den Moscheen ihre Predigten halten? Viele Muslime, die in der 2. oder 3. oder 4. Generation in Deutschland leben, verstehen ihre Muttersprache inzwischen schlechter als das Deutsche. Und deutsche Predigten deutschsprachiger Imame könnten auch von Nicht-Muslimen verstanden werden. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber die Freitagspredigten in den Moscheen wären meistens hochpolitisch. Auf Deutsch gehalten, könnten Muslime und Nicht-Muslime darüber ins Gespräch kommen.

    Der Islam gehört zu Deutschland. Aber so lange es keinen deutschen Islam gibt, verhindert der islamische Glaube der hier lebenden Muslime ihre Integration in die deutsche Gesellschaft. Integration der Muslime ist nicht nur eine Forderung an die nichtmuslimische Gesellschaft, sondern auch eine Forderung an die Muslime, sich zu integrieren.