Deutsch als Sprache der Moscheen?
Die Şehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln. Die Gebetssprache ist hier vor allem Türkisch. Foto: onnola (CC BY-SA 2.0)
Braucht Deutschland ein Islam-Gesetz? Sollte in Moscheen deutsch gesprochen werden? Doro fragt euch, was ihr von Ideen der CSU haltet ...
Ein Beitrag von Doro
Unser Grundgesetz § 4 garantiert die Religionsfreiheit.
§ 4, Art. 1 Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
§ 4, Art. 2 Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
Über die Sprache, in der die Religionsausübung stattfinden soll, wird nichts gesagt. Es gibt unzählige religiöse Gemeinschaften in Deutschland , in der sich Menschen mit ausländischem Hintergrund (aus aller Welt) und unterschiedlichem Glauben (katholisch, protestantisch, freikirchlich, jüdisch, buddhistisch etc.) zusammen finden und in ihrer Muttersprache Gottesdienste feiern. Ihnen die deutsche Sprache für ihre Religionsausübung vorzuschreiben, würde das Ende ihrer freien Religionsausübung bedeuten, vielfach auch das Ende ihrer Existenz in Deutschland. Auch kann man ihnen sicher nicht verbieten, von der Religionsgemeinschaft ihres Mutterlandes mit finanziert zu werden. (Ich selbst habe ein Jahr lang im Iran gelebt und war dort Mitglied in der ev. deutschsprachigen Gemeinde in Teheran. Wenn der Iran der Gemeinde Farsi als Sprache vorgeschrieben hätte, hätte die Gemeinde nicht mehr bestehen können. Denn wer von den Deutschen beherrschte schon so perfekt das Farsi? Außerdem wurde die Gemeinde natürlich von der EKD finanziell unterstützt.)
Der CSU-Generalsekretär Scheuer fordert Deutsch als Sprache der Moscheen. Und er fordert, dass „die Finanzierung von Moscheen oder Islamischen Kindergärten aus dem Ausland, etwa aus der Türkei oder aus Saudi-Arabien“ beendet werden muss. Verstößt seine Forderung gegen das Grundgesetz? Gegen die Gleichbehandlung aller in Deutschland vertretenen Religionsgemeinschaften?
Ich denke, die Frage ist nicht so einfach mit „Ja“ zu beantworten. Wenn der „Islam zu Deutschland gehört“, dann sind Moschee-Gemeinden nicht mehr wie Auslandsgemeinden zu handhaben, sondern analog zu deutschen Kirchengemeinden und Freikirchen. Nicht mehr als Gemeinden auf Zeit, nicht mehr vom Ausland mitfinanziert und gesteuert, nicht mehr als Gastgemeinden mit ihrem Eigenleben, nicht mehr als Fremdkörper, nicht mehr als Parallelgemeinschaften, sondern sie sind als deutsche islamische Gemeinden zu betrachten. M.E. sollte in ihnen Deutsch gesprochen und gepredigt werden, sie sollten offen sein für deutschsprachige Nicht-Muslime und Jedermann in Deutschland, wie auch die christlichen Gemeinden in Deutschland offen sind für Andersgläubige. Transparent. Wenn der Islam zu Deutschland gehört und aufgrund der Vielzahl der Muslime in Deutschland, wäre es m.E. wünschenswert, dass der deutsche Islam eine Körperschaft des öffentlichen Rechts würde, wie es die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland ist. Dann brauchte es kein Islam-Gesetz.
Was meint Ihr dazu?
Jens Best ist dafür
Die Antwort ist mehrstufig.
Ebene 1
Es ist völlig egal, welche Sprache eine Religionsgemeinschaft während ihrer Rituale in Deutschland spricht. Es ist auch egal, ob diese Religion seit Jahrhunderten im deutschen Raum exisitiert oder erst gestern in Deutschland angekommen ist.
Allein dieses Thema diskutieren zu wollen, ist ein klares Zeichen dafür, dass die Aufklärung in Deutschland in weiten Teilen nicht verinnerlicht wurde.
Ebene 2
Eine Religionsgemeinschaft, die sich der Öffentlichkeit verschliesst und aus deren Richtung (Salafismus, Wahhabismus) bekannt ist, dass Elemente der Religion sich aktiv im Alltag über den Rechtsstaat stellen wollen, müssen beobachtet werden. Ein offene Gesellschaft, die nicht bereit ist, Mittel zu ergreifen, die ihre Verteidigung sicherstellt, ist bald keine offene Gesellschaft mehr.
Die Überwachung solcher als Religionsgemeinde getarnten Orten, an denen gegen die freiheitliche Grundordnung planmässig agitiert und vorgegangen wird, ist ein notwendiges Übel und braucht ein gesetzliches Regelwerk, dass ihre Arbeit sinnvoll gestalten lässt und nicht unnötig verhindert.
Wer sich durch Beobachter, die diese Aufgabe eingeschränkt fühlt, hat offensichtlich etwas zu verbergen.
Man stelle sich vor es wäre eine durch eine Zeitreise in die Gegenwart versetzte Bauerngemeinde aus der Zeit der christlichen Ausdifferenzierung in Europa – auch dieser würde man ihren eigenen Raum gestatten, aber sicherstellen, dass dort nicht Hass gepredigt und Taten konspirativ vorbereitet werden.
Ebene 3
Die Ausbildung von Imanen und islamischen Religionslehrer und -lehrerinnen für den schulischen und außerschulischen Einsatz kann nicht in Ländern erfolgen, die nationalistisch-religionsextremistisch sind wie z.B. Türkei oder Pakistan.
Entsprechend ist eine Ausbildung in Deutschland sicherzustellen, auch durch staatliche Förderung. Die Ahmadiyya-Gemeinden sind ein gutes Beispiel, eine konservativ-islamische Religionsgemeinschaft, die ihre Imane in Deutschland ausbildet und sich auch dem interreligiösen Diskurs und dem Diskurs in der offenen Gesellschaft stellt. Hierbei ist diese Gemeinde wesentlich erträglicher als manche Rechtskatholiken.
Ebene 4
Es fehlt eine Offenheits-Initiative seitens des Islams in Deutschland. Damit meine ich nicht ein paar Offene-Moschee-Tage, sondern mehr.
Die Dominanz von konservativen Islam-Verbänden im politischen Diskurs in Deutschland ist einer progressiven diskussion abträglich. Liberale Vertreter eines modernen europäischen Islam werden zu wenig wahrgenommen.
Insgesamt befindet sich der Islam in einer vor-reformationellen Phase, in dem konservative Kräfte stark sind und einen Diskurs zwischen dem Islam und der offenen westlichen Gesellschaft behindern.
Ebene 5
Die politische Ebene, in die die letzten hundert Jahre Nahost-Konflikt multidimensional hineinspielen, ist bei einem Diskurs um und mit dem Islam immer präsent. Hierfür gibt es viele Gründe, die den Diskurs vergiften – nicht alle liegen auf seiten des ambivalenten Westens.