Hallo Oliver, danke noch mal für Deinen Text, der einen ins Nachdenken bringt (ist ja nich bei allen Texten so!). Ich hab jetzt hier keinen wirklich wissenschaftlichen Kulturbegriff und wahrscheinlich verstehen wir etwas unterschiedliches darunter. Ich würde mal sagen, Kultur ist halb statisch, und zur Hälfte ein Modus, in dem einfach immer wieder Neues passiert.

Kultur ist, was Du daraus machst

Wenn wir auf die Welt kommen, bekommen wir erstmal einen Rucksack auf die Schultern. Die Geschichte des Geburtslandes, die Werte und Grundsätze (zum Beispiel eine humanistische Bildung). All das was unsere VorgängerInnen so gelernt haben, und normativ für richtig setzen, auch das was sie mögen (Schnitzel mit Kartoffelsalat, eine bestimmte Ästhetik, Architektur, Kunst, Literatur usw.). Da bist Du natürlich sehr geprägt von Deiner Kultur, in die Du geboren wirst. Aber dann bist Du auch sehr frei. Du kannst die Traditionen und Werte attraktiv finden und sie weiterführen, Du kannst sie aber auch fortentwickeln oder ablehnen. Ganz gut sieht man es am Christentum. Du kannst Dich damit beschäftigen, Du kannst gläubig sein, Du kannst es aber auch lassen. Es ist eben auch Deine/unsere eigene Entscheidung, ob Kirchen leer bleiben, das Christenum in Deutschland/Europa 'untergeht' oder nicht. Insofern sehe ich da keinen Grund, sich einfach zu beschweren. Uns wird ja nichts aktiv weggenommen. Wir haben es selbst in der Hand. So antwortete auch die Kanzlerin des Öfteren auf das Lamento von der "Islamisierung des Abendlandes". Und sie hat Recht. Sollen die Pegiden in die Kirche gehen, wenn die Kirche im Dorf bleiben soll. Aber die meisten können ja selbst nichts mit dem christlichen Abendland und seinen humanistischen Werten anfangen.

Wettbewerb

Die Werte, Religionen, Traditionen sind ja nichts in Stein gemeißeltes, Materielles. Sie sind stets im Wettbewerb um unsere Köpfe und Herzen. Wir entscheiden, was wir für erhaltenswert halten, was wir leben wollen. Was in unserer Zeit keine Anziehungskraft hat, hat sie eben nicht.

In einem Punkt möchte ich Dir noch Recht geben. Mir gefällt die Bachelor/Master-Entwicklung auch nicht. Nicht wegen den englischen Begriffen, das ist mir egal (wir haben auch verdammt viel Latein und Griechisch in der Uni-Sprache, ohne uns überfremdet zu fühlen ;)). Sondern wegen dem Zeitverlust und der "Diktatur des Nutzens", die mit diesen Studien-Formaten einhergehen. Lassen sie noch genug Zeit, eigenen Gedanken nachzugehen? Lassen sie dem Zufall nach genug Raum? Es ist eine Binse, aber im Studium sollte man eben das Lernen lernen, das Aneignen, sich emanzipieren. Es kann nicht der Zweck sein, im Multiple-Choice-Test die richtigen Kreuze gemacht zu haben, einfach Inhalte zu "pauken", die 2 Wochen später wieder vergessen sind. Egal, jetzt mach ich hier den Oberlehrer.

Und weil es glaube ich gut zu dieser Diskussion passt, hier noch ein aktuelles Zitat von Matthias Horx:

"Die Welt, das ganze Leben, ist komplex. Es gibt nur wenige Eindeutigkeiten in einer vernetzten, globalen Welt, in der Ströme von Ideen, wirtschaftlichen Interessen, kulturellen Einflüssen eindeutige Antworten unmöglich machen. Für denjenigen, der im Lebendigen ist, ist diese Komplexität ein Segen. Sie ist Fülle und Vielfalt. Es ist gut, dass die Welt nicht mehr so einfach ist wie „damals“, als wir früh heirateten, enge Normen hatten und die Gesellschaft in Klassen-Marschordnungen aufgeteilt war. Es ist ein Fortschritt, den wir feiern können und den wir jetzt verteidigen müssen."

Hier der ganze Text

Lieben Gruß! Alex