David Krappitz Mitglied JEB
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Man stelle sich eine Bundestagswahl vor: Die Parteien stellen ihre Kandidaten auf, die Kanzlerkandidaten leiten den Wahlkampf und sie duellieren sich in landesweiten TV-Debatten. Der Wahltag kommt, die Wähler geben ihre Stimme für ihre bevorzugte Partei oder ihren bevorzugten Kanzlerkandidaten ab. Am Sonntagabend sitzen alle vor dem Fernseher, und die Hochrechnungen verkünden, wer die Wahl gewonnen hat. Diese Partei und ihr Kanzlerkandidat haben selten eine absolute Mehrheit, also braucht es noch eine Weile, bis die Koalitionsverhandlungen beendet sind und die Regierung steht. Der Kanzlerkandidat muss formell vom Bundespräsidenten vorgeschlagen und vom Bundestag gewählt werden. Eine ganz normale Bundestagswahl; das Volk hat gewählt.

Jetzt stelle man sich vor, der Sonntagabend hat das Wahlergebnis verkündet, und am Dienstag der folgenden Woche treffen sich erstmal die Ministerpräsidenten aller Bundesländer, um das Ergebnis zu bewerten. Da stellt die MPin von NRW fest, wie dramatisch ihre Partei die Wahl verloren hat, und will erstmal das GG ändern. Der MP von Sachsen weiß gar nicht mehr, wen er vor der Wahl nochmal als Kanzlerkandidaten unterstützt hat. Und der MP von Bayern will am liebsten gar keinen Kanzler über sich.

Und der Wähler, der durch die Wahl seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat?

Die Kanzlerkandidaten, die monatelang Wahlkampf gemacht haben?

Wie würde Merkel in einer solchen Situation wohl reagieren?

Vermutlich würde sie schäumen vor Wut, ob der schlaflosen Nächte, ob des Tritts in das Gesicht des Wählers - und es würde ein Wort vorherrschen: UNDEMOKRATISCH.

Genau diese Situation herrscht nach der Europawahl: Das Volk hat gewählt, der Sieger steht fest, Koalitionsverhandlungen stehen in Aussicht.

Und was machen Merkel und die anderen Regierungschefs? Siehe oben.

Es gibt in der Politik der westlichen Welt vermutlich kein in seiner Bedeutung niederschmetternderes Wort als jenes, um dieses Verhalten zu beschreiben. Es ist UNDEMOKRATISCH.

Freundlicher Gruß an den Wähler.