Hangout mit Birgit Sippel: Der Umgang Europas mit NSA-Skandal und Datenschutzthemen
Im Google-Hangout der Politikfabrik in Kooperation mit Publixphere vom 23.05.2014 diskutierte Birgit Sippel MdEP, SPD gemeinsam mit Yannik Haan (Politikfabrik) und den Bloggern Niklas Götz, Daniel Vedder (beide CARTO Blog) sowie mit Michael Fulde über die Zukunft des Internets. Auf Publixphere stellte Brigit Sippel bereits im Vorfeld Ihre Thesen zum Thema ein, die von Userinnen diskutiert und mit Fragen ergänzt wurden. Hier nun die Zusammenfassung des Gesprächs.*
Innerhalb der Diskussion, wie auch im Hangout, stand vor allem das Verhältnis der europäischen Staaten, vorrangig der BRD zu den USA im Vordergrund. Vor dem Hintergrund des Spionageskandals äußerte sich Birgit Sippel nachdrücklich zu der Rolle der Bürger*innen und der Verantwortung der Nationalstaaten.
Publixphere-User Bachmann fragte gezielt nach Zugeständnissen der USA gegenüber den Europäern vor dem Hintergrund dieser Vertrauenskrise:
“Müsste es hier nicht mindestens einen völkerrechtlichen Vertrag geben, wenn doch im Zweifel die von einer Riesenmehrheit der Amerikaner getragene Ideologie gilt ‘America first’?”
Zum Standing der USA gegenüber Europa äußerte sich Birgit Sippel mehrfach kritisch: Die USA müsse, so wurde deutlich, endlich einsehen, dass sie eine strategische Partnerschaft mit Europa aufs Spiel setze. Die Parlamentarierin forderte zudem, dass die Europäer in Sachen Datenschutz, Privatsphäre und No-Spy endlich eine gemeinsame Position finden um den amerikanischen Geheimdiensten deutliche Grenzen aufzuzeigen müssten. Darüber hinaus forderte Sippel nachdrücklich ein neues Nachdenken, mithin eine neue Definition der Aufgabe von Geheimdiensten weltweit. Auch die deutschen Dienste müssten unter eine verbesserte parlamentarische Kontrolle gestellt werden, um sicherzugehen, dass diese in ihrer Arbeit nicht permanent gegen Grundrechte verstoßen. Geheimdienste schließlich müssten sich an den Bedürfnissen und der Entwicklung der Gesellschaft orientieren, in die sie eingebunden sind und dürften keinesfalls am Willen der Bürgerinnen vorbei arbeiten. Das Argument mehr Sicherheit gegen weniger Freiheit* gelte längst nicht mehr, so Sippel. Mit der endlosen Sammlung von Daten entstünde schließlich Herrschaftswissen und gefährliche Machtgefälle.
Die Nutzer*innen sollten darüber hinaus ebenfalls im Rahmen von Medienkompetenz und kritischem Technikgebrauch besser geschult und informiert werden. Langfristig erringe man Lösungen nur politisch, dennoch gingen gerade große Firmen noch immer zu naiv mit ihren Betriebsgeheimnissen um – nicht auszuschließen sei der Missbrauch gesammelter Daten im Rahmen von Betriebsspionage und wirtschaftlicher Vorteilsnahme.
Aus großen Datenmengen generierte Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile von Privatpersonen schränkten nicht nur deren Privatsphäre ein, sie beschnitten jede/n Bürger/in zudem in ihrer/seiner Meinungsfreiheit und hemmten so demokratische Öffentlichkeit per se. So müssten User*innen zwar eigenverantwortlich mit ihren Daten umgehen, meint Sippel, der Staat sei aber angehalten gesetzliche Rahmenvorgaben zu schaffen. Diese habe man analog schließlich auch implementiert. Auch Recht und Gesetz müssten sich so der digitalen Zukunft endlich annähern. Darüber hinaus müsse die Vorratsdatenspeicherung ad acta gelegt werden, diese sei schließlich nicht nur vom EuGH auf europäischer Ebene längst gekippt worden, auch national könne kaum jemand ernsthaft einen sicherheitspolitischen Vorteil in diesem Instrument sehen.
UserIn anne-marie lenkte den Fokus nochmals auf mögliche Sanktionen der europäischen Staaten gegenüber den USA, so zum Beispiel im Niederlegen der Verhandlungen zum gemeinsamen Freihandelsabkommen:
“Glauben Sie ernsthaft daran, dass an TTIP noch zu rütteln ist, sind nicht, ähnlich wie beim Acta-Abkommen hinter verschlossenen Türen die wichtigsten Punkte längst entschieden?”
Zum Freihandelsabkommen äußerte sich Birgit Sippel, dass die USA deutlich darauf angewiesen seien dieses mit der Europäischen Union zu schließen. Die USA habe ein großes Interesse an diesem Abkommen, das aber nur zustande kommen dürfe, wenn man sich endlich über gemeinsame Datenschutzstandarts einig sei.
Louisa lenkte den Blick noch einmal auf gemeinsame Standarts zum Schutz der Privatsphäre:
“Wie weit sind wir auf dem Weg zu einem einheitlichen eruopäischen Datenschutz?”
Der Weg zu einem einheitlichen europäischen Datenschutz sei noch lang, so Sippel. Zunächst einmal müssten die Europäer sich untereinander über die Kontrolle ihrer jeweiligen Geheimdienste einig werden. Schließlich müsse der Rat endlich aufhören die neu auf den Weg gebrachte Datenschutzverordnung, die die veraltete, kaum bindende Richtlinie von 1995 ablösen soll, zu blockieren, um so den Weg zu einem umfassenden, verbesserten, europäischen Datenschutz frei zu machen. Die neue Datenschutzverordnung müsse auch gegenüber Drittstaaten und vor allem Firmen, die in Drittstaaten ansässig sind gelten. Dann könnten z.B. US-amerikanische Unternehmern nicht mehr einfach auf Zuruf Daten deutscher BundesbürgerInnen an die NSA weiterleiten. Sollten Unternehmen dagegen verstoßen müsste dies endlich wirklich harte Sanktionen nach sich ziehen.
Wir danken Birgit Sippel, der Politikfabrik, den Bloggern und unseren Userinnen herzlich für diese spannende Diskussion!*
Foto & Teaser: nolifebeforecoffee | CC BY 2.0