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Ein Meilenstein auf dem Wege der Gleichstellung von Mann und Frau: das Einfrieren von Eizellen ?


dpa / picture allianceGleichberechtigung durch zeitverzögerte Familienzeit? Foto & Teaser: dpa / picture alliance


Ein Beitrag von Doro

Die Mitarbeiterinnen von Apple und Facebook sollen auf Firmenkosten ihre Eizellen einfrieren können. Damit werden sie in die Lage versetzt, auch in fortgeschrittenem Alter noch Mutter werden zu können. Zwischen ihrem 20. und 40. Lebensjahr und darüber hinaus können sie ohne Unterbrechung durch Schwangerschaft und Mutterzeit ihrer geradlinigen Karriere nachgehen.

Ein Meilenstein auf dem Weg der Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf? Keine Angst mehr auf Seiten der Frau vor Karriereknick durch Mutterschaft? Keine berufliche Benachteiligung mehr der Frau gegenüber dem Mann, weil die "biologische Uhr" nicht mehr gilt?

Was denkt Ihr darüber?


Kommentare

  • FredS ist dagegen
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    Die biologische Uhr tickt nach wie vor. Zuersteinmal wird lediglich das potentielle Erbgut des Kindes konserviert (die DNS wird ja von Jahr zu Jahr schlechter und die "Gefahr" ein behindertes Kind zu bekommen steigt) , die Frau altert ungeachtet dessen. Je älter die Frau ist, umso risikoreicher ist die Schwangerschaft; nicht umsonst gelten alle Schwangerschaften ab 35 als Hochrisikoschwangerschaften. Es ist anstrengender für eine 40 jährige als für eine 20 Jahre jüngere Frau, zum einen die Schwangerschaft, und alles was danach kommt ebenso. Zudem muss man sich darüber im klaren sein, dass eine künstliche Befruchtung ein ebenfalls anstrengender Prozess ist, welcher großes Enttäuschungspotiential birgt, denn nur weil man Keimzellen eingefroren hat bedeutet das nicht, dass man auch damit Erfolg hat, Nachwuchs zu produzieren. Und auch hier wieder das Altersargument: das Risiko, Fehlgeburten zu erleiden steigt ebenfalls mit dem alter. Ist ja nett von Facebook & Co., dass die Kosten übernommen werden, aber im Bezug auf Gleichstellung halte ich dies für das falsche Instrument. Da wären Firmeneigene Kitas, flexible Arbeitszeiten, Home-Office etc. mMn eine bessere Möglichkeit.

    Biologie macht auch vor sozialem Wandel nicht halt. ;)

    • Ich finde es einen gute Sache genau für die Menschen, die Kinderwünsche haben und sich diese aus gesundheitlichen oder lebenssituationsbedingten Gründen (z.B. nicht den richtigen Partner...) nicht sofort erfüllen können.

      Die Argumentation mit den Arbeitgeber und der stringenten Karriereplanung würde ich mal zurückstellen: ich lese in der Möglichkeit nicht, dass FB und Co. nicht wollen, dass ihre Mitarbeiter schwanger werden und ihrer Karriere abbrechen und das Unternehmen verlassen...ich lese darin eher eine Unterstützung darin, den potentiellen Kinderwunsch zu fördern (ob er nun jetzt ist, morgen oder in 10 Jahren).

      Ob das nun ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung ist, hin oder her. Es geht zumindest um Selbstbestimmung und Wahl- und Entscheidungsfreiheit. Und das ist gut.

    • Lieber FredS,

      es geht bei dem "Einfrieren von Eizellen", dem sog. social freezing nicht um das Thema "künstliche Befruchtung". Es geht darum, dass eine Frau sich noch in späteren Jahren eine eigene Eizelle aus jüngeren Jahren, die eingefroren wurde, und die entweder schon befruchtet war, oder jetzt befruchtet wird, einsetzen lassen kann und sich jetzt, wo ihre Lebensumstände günstiger sind, zur Schwangerschaft entschließen kann. Das kann sie auch noch mit 50 oder später.

      Es ist ein ähnliches Prinzip wie das, das jetzt schon bei Leihmüttern angewandt wird.

      Reproduktionsmediziner sehen diese Möglichkeit positiv.

      Wenn es Schule macht, sehe ich eine Revolutionierung unserer Gesellschaft voraus. Eltern sind dann so alt wie junge Großeltern heute. Und Paare, die schon in jungen Jahren Kinder haben wollen, werden von der Wirtschaft nicht mehr goutiert. Denn es geht ja auch anders (siehe Facebook und Apple).

      Aber vielleicht finden ja gut ausgebildete junge Frauen die Fortschritte und Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin auch als entlastend. Sie können sich nach Ausbildung und Studium erst mal ganz auf ihre berufliche Karriere konzentrieren. Der Kinderwunsch ist, wenn sie beruflich saturiert sind, und wenn sie im Arbeitsleben ohnehin nicht mehr so gefragt sind, im fortgeschrittenem Alter erfüllbar. Und für das Kind ist es vielleicht schön, eine ältere Mutter (und bestenfalls sogar Vater) zu haben, für die der Beruf nicht mehr die oberste Priorität ist, die Zeit und Ruhe hat fürs Kind.

      Es lässt sich sogar eine Gesellschaft denken, die es fördert, dass die Familiengründung erst in höherem Alter erfolgt. Dann müsste sie nicht mehr so angestrengt über eine familienfreundliche Arbeitsgesetzgebung für jüngere Arbeitnehmer/innen nachdenken.

      • Gute Revolution, wenn zwischen den Generationen nicht mehr 19-35 Jahre sondern 50-60 Jahre liegen. Die eigenen Eltern sterben halt eher, klasse Konzept. ;) Soweit, so gut. Ich bin mir nicht sicher, ob der weibl. Körper, der ja eigentlich mit 50 Jahren langsam in die Menopause kommt, das so pralle findet, dann mit Hormontherapie etc zu kommen. Aber ich bin kein Mediziner.
        Weitaus interessanter finde ich die Frage, ob die betreffende Dame die Anstrengungen einer Geburt / Aufzucht eines Sprösslings denn a) mit 50 durchmachen will und deswegen b) ihre Karriere in dem Alter beenden / auf Eis legen will. Vllt stellt sich die berufliche Saturation nicht ein...wer weiß das schon.

        Vllt etwas platt, aber ich halte das wie mit Ed Hardy Klamotten: Nur weil das möglich ist, muss man das nicht machen. ;)

  • Tiefkühl-Babies & Tiefkühlhähnchen / Eine Polemik

    ES WIRD KALT AUF DIESER WELT

    Der globale Kapitalismus neoliberaler Prägung hat längst begonnen unsere tiefsten, privatesten und intimsten Bedürfnisse zu steuern und seinen Kapitalverwertungsprozessen zu unterwerfen. Ich habe darauf an andere Stelle auf Publixphere schon einmal kurz hingewiesen. Als Biopolitics wird dies von Philosophen und Sozialwissenschaftlern wie Michel Foucault, Christian Marazzi etc. seit Jahrzehnten diskutiert. Die aufkeimende Diskussion um Social Freezing markiert hier nur einen neuen Höhepunkt. Es geht hier schlicht und einfach darum, Kompetenz und Arbeitskraft von Frauen ungestört von Schwangerschaft und Kinderbetreuung in dem weiblichen Lebenszyklus mit der höchsten Leistungskraft- und bereitschaft dem Markt ungestört zu Verfügung zu halten. Punkt. Nix mit Emanzipation und Karriereförderung von Frauen!

    Der Zukunftsforscher und Trendscout Sven Gábor Jánszky ist von dieser Idee total begeistert und Prof. Dr. Claudia Wiesemann, Mitglied des Deutschen Ethikrates, schätzt, dass Social Freezing bald ebenso selbstverständlich sein wird wie die „Pille“. Was für eine schöne neue Welt voller Retortenkinder und Androiden!

    Ich habe immer geglaubt ein Kind zu zeugen, sei der höchste Ausdruck der Liebe zwischen einen Mann und einer Frau, die körperliche Zeugung der Akt größtmöglicher Nähe und Intimität zwischen zwei Menschen. Allerdings bin ich, wie mein Profil ausweist auch ein Kind des vorigen Jahrhunderts.

    Weiter gebe ich zu bedenken:

    • Setzt sich dieser Trend durch, haben wir in 40 - 50 Jahren drei Typen von Menschen oder menschenähnlichen Wesen: konventionell gezeugte Kinder, Retortenkinder aus dem Reagenzglas oder der Petrischale und Androiden, wenn die Rasante Entwicklung der Robotertechnik so weitergeht. Dies mit allen juristischen und gesellschaftlichen Implikationen, z. B. der Frage was ist ein echter Mensch, welche Rechte hat welche Kategorie von Mensch usw.

    • Wir befinden uns in Westeuropa in einer massiven Demographie-Falle! Für die USA trifft das nicht zu aber wer finanziert die Hunderte von Milliarden Ausfälle an Sozialabgaben in Europa, wenn die nächste Generation die das schultern muss erst einmal auf Eis liegt?

    • Reproduktionsmediziner weisen darauf hin dass a) der Zeitpunkt der Entnahme von Follikeln möglichst früh erfolgen muss, um möglichst erfolgreich zu sein. Für Frauen stellt sich dann die Gretchenfrage schon Ende Zwanzig, b) dass keine gesicherten wissenschaftliche Erkenntnisse über die Folgen einer so langen Phase des Einfrierens auf das Follikel bestehen und c) die Anzahl der Risikoschwangerschaften ab 40 oder 50 für Frauen exponentiell steigt. Die Geburtenrate wird also weiter tendenziell sinken.

    • Es würde ein riesiger medizinisch-technischer Industriekomplex mit phantastischen Renditemöglichkeiten entstehen, der dann naturgemäß ein marktwirtschaftliches Eigenleben entwickelt.

    • Angesichts der rasanten Entwicklung der Präimplantationsdiagnostik würde die gute alte Eugenik durch die Hintertür zurückkommen. Eingefroren werden sollen zudem (nach dem Modell Facebook, Apple) vornehmlich Follikel, die das Erbgut scheinbar wertvollerer Menschen mit hohem IQ und hoher technischer Intelligenz sichern.

    Bitte wiedersprecht mir heftig, aber ich komme nicht umhin diese Form menschlicher Reproduktion mit der der Aktion Lebensborn von NSDAP und SS und deren Instrumentalisierung der Eugenik zu vergleichen. In beiden Fällen ist sie eindeutig politisch-wirtschaftlichen Interessen untergeordnet. Ich frage mich auch, ob mit den Äußerungen von Frau Prof. Dr. Claudia Wiesemann nicht tendenziell „faschistisches Gedankengut“ Einzug in den Deutschen Ethikrat“ gehalten hat.

    • das sehe ich ähnlich. das einfrieren von eizellen mag eine sicherheit vorgaukeln, die doch eigentlich nur durch einen verbesserten umgang mit müttern und familien auf dem freien markt sicher gestellt werden kann. zu nemo, auch ich sehe die gefahr der (un)natürlichen selektion im rahmen künstlicher befruchtung. sicher ist diese unanbdinglich, für kinderwunsch-paare und homosexuelle partnerschaften, aber zur karriereförderung halte ich diesen ansatz für verfehlt. auch weil dies auf einer weiteren stufe einzig die herrschaft der sogenannten ersten welt manifestiert; wo kaum medizinische grundhilfe vorhanden ist denkt so schnell niemand darüber nach sein erbgut einzufrieren; wirtschaftlich ohnehin schon benachteiligte gruppen werden so weiter vom globalen markt verdrängt. für die ganze debatte muss sich jeder zunächst selbst eine grundsätzliche frage beantworten: leben wir um zu arbeiten oder arbeiten wir um zu leben?

  • In der Theorie: Ein Schritt zu mehr Emanzipation. In der Praxis: Tun mir die Menschen Leid, die sich so spät entscheiden, Eltern zu werden. Die Anstrengungen, Kinder großzuziehen möchte ich zumindest in meinen Vierziger nicht mehr haben. Ich finde Modelle unterstützenswert, die unterschiedliche Arbeitsmodelle (Homeoffice, Teilzeit, usw usw) zulassen - und die Beruf und Karriere vereinbaren.

    Gegen das Argument, dass manche Frauen noch nicht den richtigen Partner gefunden haben, kann ich nichts einwenden.

    • Männer entscheiden sich schon heute erst spät für eine Familie und Kinder. Frauen können das einfach nicht. Daher finde ich es aus Gleichstellungsgründen erstmal gut, dass Social Freezing nun auch Frauen diese Möglichkeit eröffnet.

  • Ich kann dem meisten, was ihr schon angemerkt habt, zustimmen. Mein erster Gedanke, als ich von dem Angebot von Apple und Facebook gelesen hab, ging auch eher in die Richtung „gruselig“. Es wird doch auch irgendwie damit suggeriert, dass die Familienplanung warten kann und das sie auch warten soll. Damit man eben dem Unternehmen mit voller Arbeitskraft zur Verfügung steht, ohne lästige Kinder, wegen denen man vielleicht nicht 120 Prozent geben kann. Und auch denke ich, dass dadurch langsam der Druck steigen wird, auf diejenigen, die dieses Angebot nicht annehmen wollen.

    Aber vielleicht ist das Angebot des Social Freezings auch nur eine weitere Sozialleistung der „Caring Companies“, die eh seit Jahren schon versuchen, die Mitarbeiter durch zig verschiedene Benefits an sich zu binden, angefangen bei der betrieblichen Altersvorsorge über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio bis hin zur Betriebskita. Und die IT-Riesen sind hier ja eh ganz weit vorne mit dabei.

    Einen anderen Punkt finde ich aber auch ganz wichtig und interessant: Demnach sind bisher fast nie berufliche Gründe, die Frauen anführen, wenn sie sich für Social Freezing entscheiden. Bisher wird vor allem genannt, aktuell nicht den passenden Partner zu haben.

    Grundsätzlich gilt aber auch bei diesem Thema: Man kann es annehmen, muss es aber nicht. Und in einer aktuellen Umfrage der Zeit meinen sogar 37 Prozent, das Angebot sei „grundsätzlich richtig“.

    • Mich interessiert Dein Punkt: haben so viele Frauen Schwierigkeiten den richtigen Partner zu finden? Und wenn ja, warum eigentlich? Und würden Frauen den richtigen Mann erst mit 50 kennenlernen und dann zum Glück noch Eizellen eingefroren haben? So ganz kann ich mir das alles nicht vorstellen.

      • Ich denke, Facebook und Apple interessiert nicht, ob ihre Mitarbeiter/innen in Partnerschaften leben. Die Hauptsache, ihr voller Leistungseinsatz wird nicht so bald durch eine Familiengründung geschmälert, durch Elternzeit, Teilzeitarbeit etc. Familiengründung kann nach dem Willen des Arbeitgebers warten.

        Ich empfinde das Angebot des social freezing als ein zutiefst "unmoralisches Angebot"!

        • Hallo Doro, ich kann deine Skepsis verstehen. Zumindest was Google angeht halte ich das Angebot von Social Freezing allerdings nicht für irgend einen Trick, der die Gründung einer Familie verzögern soll. Ich bin da kein Experte, weiß aber von Bekannten wie familienfreundlich das Unternehmen jetzt schon ist. Es wäre schön, wenn andere Unternehmen sich daran ein Beispiel nehmen könnten. Über Facebook kann ich nichts sagen... aber ich halte das Angebot grundsätzlich für gut.

        • Natürlich interessiert es Apple und Facebook nicht, ob ihre Mitarbeiter einen Partner haben. Aber ich finde den Punkt, dass Frauen sich öfters deshalb fürs Social Freezing entscheiden, weil ihnen aktuell der richtige Partner fehlt (warum auch immer, das ist ja total unterschiedlich und subjektiv) und sie die Chancen erhöhen wollen, sich einen Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt noch zu erfüllen, trotzdem an dieser Stelle nicht unwichtig. Denn wenn es gar nicht so viele Frauen gibt, die die Karriere bei diesem Punkt als entscheidenden Faktor anführen, dann können die Unternehmen das noch so sehr als „Sozialleistung“ anbieten, dann wird es aber nicht so stark angenommen werden. Wohingegen diese Möglichkeit für Frauen, die sehr karriereorieniert sind, vielleicht eher eine Option darstellt.

          • Hallo Kathrin,

            es sind unterschiedliche Blickwinkel: Wenn Arbeitgeber das social freezing ihren Mitarbeiter/innen nahelegen, finde ich das unmoralisch.

            Wenn eine Frau sich dazu entschließt, weil sie noch nicht den Partner gefunden hat, der Vater ihres Kindes sein könnte, oder aus welchen Gründen auch immer, ist das total menschlich verständlich, und sie braucht sich dafür nicht zu rechtfertigen. Im Gegenteil, es ist eine dankenswerte Möglichkeit, die die heutige Medizin bietet, finde ich.