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dasnuf: Gegen die Hilflosigkeit


picture alliance / AP PhotoDie Multimedia-Installation „Listening Post“ der Künstler Mark Hansen und Ben Rubin lässt durch eine Collage unzensierter Textfragmente aus Online-Foren und Chaträumen ein dynamisches Portrait von Online-Kommunikation entstehen. Foto: picture alliance / AP Photo.

Verschwinden? Zurückschlagen? Ignorieren? Was tun gegen hasserfüllte Menschen im Netz? Die Bloggerin @dasnuf stellt ihre Vorschläge zur Diskussion.


Ein Beitrag von dasnuf (Crosspost von Das Nuf Advanced)

Manche Dinge lassen mir einfach keine Ruhe. Seit dem Vortrag von Anne Wizorek auf der re:publica 2013 in dem sie unter anderem davon berichtet, wie sie aufgrund #aufschrei angegriffen wurde, denke ich darüber nach wie diese Art Wahnsinn (und es ist nichts anderes) gestoppt werden kann. Der Fall #gamergate und der daraus resultierende Vortrag von Anita Sarkeesian auf der XOXO Festival über die Beschimpfungen, Belästigungen und Bedrohungen, denen sie ausgesetzt ist, hat die Gedanken wieder neu angestoßen und letztendlich den Rest hat mir der Artikel “Trouble at the Koolaid Point” von Kathy Sierras gegeben.

Man muss nichts über Feminismus wissen, man muss nichts über diese Personen wissen, im Grunde reicht es einfach zuzuhören und sich dann zu fragen: Möchte ich Teil dieser Onlinekultur sein? Mehr nicht. Und für mich ist die Antwort glasklar: Nein. Ich möchte nicht. Nicht mal passiv.

Das Internet ist für mich ein wunderbarer Ort und ich möchte nicht, dass sich dort ungehindert Menschen bewegen, die andere Menschen beleidigen, angreifen, bedrohen, einschüchtern und fertig machen.

Das Internet sind Menschen. Echte Menschen. Keine virtuellen und ich möchte, dass das langsam mal alle verstehen. Alles was hier stattfindet, ist echt. Es gibt keine virtuellen Gefühle. Es gibt kein sich virtuell bedroht fühlen. Es gibt keine virtuelle Beleidigung. Wenn jemand auf Twitter eine andere Person beleidigt, dann ist das so echt wie auf der Straße, auf einer Konferenz, in den eigenen vier Wänden. Es gibt keinen Unterschied.

Das heisst doch – es gibt einen Unterschied. Offenbar sind die Angreifer und Aggressoren enthemmter. Warum auch immer. Das ist nicht mal an Anonymität gekoppelt. Es gibt genug Menschen, die sich unter ihrem Klarnamen wie Wildsäue aufführen. Ich vermute, weil sie sich als Vertreter einer großen Gruppe sehen. Mit dieser Gruppe im Rücken fühlen sie sich stark und sehen ihr Verhalten als berechtigt an.

Ich will an der Stelle gar nicht über diese Menschen im Detail und was mit ihnen nicht stimmt, sprechen. Ich will im Grunde nur zu einer Sache auffordern:

»One of the most radical things you can do is to actually believe women when they tell you about their experiences«, Anita Sarkeesian

Und wenn man tatsächlich zugehört hat, dann möchte ich einen Weg finden nicht mehr so hilflos zu sein, denn so fühle ich mich. Hilflos und unendlich betroffen. Was ist also zu tun?

Eine ungeordnete Sammlung meiner Gedanken, denn die Betroffenen selbst, haben keine Möglichkeit zu “gewinnen”. Ihre Verhaltensspielräume haben immer einen Effekt – am Ende gewinnt immer der Troll/Hater:

  1. leave ([The trolls] Win)

  2. ignore them (they escalate, make your life more miserable, DDoS, ruin your career, etc. i.e. They Win)

  3. fight back (If you’ve already hit the Koolaid Point, see option #2. They Win).

Aus: Trouble at the Koolaid Point

Ich glaube, das Problem ist, dass die Betroffenen eben nicht alleine gewinnen können. Ich denke aber, es gibt einen Weg wie sie gewinnen können und dieser Weg hat etwas mit uns – den “Unbeteiligten” – zu tun.

1. Für dieses Phänomen der Aggressoren ein neues Wort finden

D.h. nicht nur von “Trollen” sprechen. Trolle, das sind diese kleinen, fast schon niedlichen, vielleicht etwas nervigen Wesen bei Ronja Räubertochter, die immer “Wiesu denn bluß?” fragen. Menschen, die Frauen so angehen, wie Anita Sarkeesian oder Kathy Sierras, das sind keine Trolle, das sind Menschenhasser, das sind Orks. Sie sind unsozial, unzivilisiert und gewaltbereit. Das sind keine Kritiker, keine Menschen, die eine andere Meinung haben oder Menschen, mit denen man sich normal auseinandersetzen kann. Das sind hasserfüllte Menschen. Natürlich gibt es hier Abstufungen von Kritikern, Trollen bishin zu diesen hasserfüllten Orks. Ich rede aber von denen, die eindeutig, EINDEUTIG (persönliche und menschliche) Grenzen überschreiten.

Also sprecht nicht von Trollen, wenn ihr von diesen Menschen sprecht, die Frauen auf diese Art angreifen. Ich hab keinen besseren Namen, vielleicht habt ihr einen. Aber “Troll” ist zu wenig, “Troll” verharmlost diese Angriffe. Einen Troll kann man abschütteln. Bestimmte Aggressoren sind aber nicht abzuschütteln.

2. Solidarität

Und hier sehe ich mehrere Ebenen.

a) Frauen, denen diese Art von Angriff und Gewalt widerfährt: Berichtet von dem was vorfällt - ich meine nicht, dass man Menschen an den Pranger stellt, aber warum Rücksicht nehmen auf jemanden, der keine Rücksicht nimmt? Dieses schlimme Fehlverhalten muss Konsequenzen haben (dürfen!). Sucht euch Hilfe, sucht euch Verbündete. Wer ist im gleichen Feld aktiv? Wer ist gleichen Angriffen ausgesetzt? Niemand soll diese Art Angriffe wochen-, monate-, manchmal sogar jahrelang alleine auf sich gestellt aushalten müssen. Warnt andere Frauen vor diesen Menschen, verhindert, dass sie in die selbe Falle laufen. Persönlich kann ich sagen, wenn ich auf Twitter mit jemanden interagiere und innerhalb von fünf Minuten von drei unabhängigen Menschen eine Nachricht erhalte, die mich vor dieser Interaktion warnt, dann bin ich dankbar.

b) Menschen, die diese Art von Angriff und Gewalt beobachten: Steht den Opfern bei. Egal wie. Seid Multiplikator, verbreitet ihre Erfahrungen. Bezieht Stellung, tut das v.a. wenn ihr zu der Gruppe gehört mit denen sich diese Hater identifizieren – sprich wenn ihr zu den technikbegeisterten weißen Männern gehört. Es ist nicht nötig, sich mit anderen zu streiten. Aber einfach sagen: Das ist nicht in Ordnung. Ich finde das widerlich. Ich habe eine komplett andere Meinung.

Es muss diesen Hatern klar werden, dass sie nur für sich sprechen, dass sie nicht Sprecher einer ganzen Gruppe sind, keine Vertreter, keine Gesandten.

c) Wenn ihr mal nicht der Meinung bestimmter Menschen, die permanent Angriffen ausgesetzt sind, seid: sagt einfach nichts. Keine zusätzliche Kohlen ins Feuer werfen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Dieser Punkt mag einige empören, aber ganz ehrlich: manchmal lohnt es sich Nutzen und Kosten abzuwägen und darüber nachzudenken auf wessen Kosten etwas geht und jemanden, der ohnehin schon ständigen Angriffen ausgesetzt ist, nicht noch zusätzlich zu schwächen. Ich finde es verständlich, dass Menschen, die ständigen Attacken ausgesetzt sind nicht immer die differenziertesten Dinge von sich geben. Deswegen sei's drum. Einfach mal nichts sagen.

3. Hater/Maskus aktiv ausgrenzen

Und mir ist noch ein Punkt 0 eingefallen:

0. Anerkennen, dass es ein Problem gibt

Ich habe den Eindruck, dass viele sich wundern, wenn sie Artikel wie den meinen lesen. Ihnen ist nämlich nur das übliche Getrolle und Gepöbel im Netz bekannt. Die gängige Antwort lautet dann eben dieses “Ignorier’ das doch”. Und ja, das ist richtig. Bestimmte Pöbeleien kann man einfach ignorieren und nicht drauf eingehen. Aber es geht mir eben NICHT um diese Fälle. Es geht mir um massive Beschimpfungen und Bedrohungen. Aufrufe zu Vergewaltigungen und zu Mord, es geht mir um Stalking und Übergriffe auf das Leben außerhalb des Netzes und ich bitte alle, die sich fragen, was das alles soll, sich die ganz oben im Blogpost verlinkten Artikel durchzulesen. Mindestens den von Kathy Sierras. So etwas kann man nicht ignorieren. So etwas darf man nicht ignorieren und die Betroffenen (und ich weiß, es sind nicht wenige) brauchen Unterstützung und Beistand.

Wenn ihr weitere Ideen habt, ich ergänze den Artikel gerne. Ich bin es so satt mich hilflos und betroffen zu fühlen.

Lesenswerte Artikel


Mehr zum #pxp_thema: Aggressionen im Netz


Kommentare

  • Danke für diesen Beitrag! Ich denke, dass Solidarität und die einfache Anerkennung von Tatsachen tatsächlich bereits große Schritte wären. Hinzufügen würde ich noch die fortwährende Artikulation von Missständen und die Verknüpfung von Themengebieten. Auch wenn kommunikative Gewalt im Netz originär kein reines Frauenproblem ist, scheint hier die Frau latent im Fokus zu stehen. Aber auch andere "vermeintliche" Minderheiten sehen sich solcher Tiraden ausgesetzt. Zum Faktor Solidarität rückte so noch der Faktor Solidarisierung in den Mittelpunkt der persönlichen Haltung.

  • Hallo dasnuf,

    würden Sie mir zustimmen, dass es für den Fall von Aggressionen eines Einzelnen (Stalking, Beleidigung, Morddrohung) und sei er auch anonym, bereits jetzt ausreichend Gesetze gibt? Meine Frage wäre dann, werden die Gesetze in diesem Bereich nicht angewendet bzw. schreitet die Polizei nicht ein? Wenn das das Problem ist, was ich mir durchaus hier und da vorstellen kann, müssten doch vor allem die Sicherheitsorgane sensibilisiert werden.

    Und würden Sie mir zustimmen, dass beim Phänomen der blinden Masse, also bei einer Vielzahl von Nutzern, die auf einen Einzelnen eindreschen, eigentlich auch dieselben Gesetze anwendbar wären? Kann es sein, dass ein Hauptproblem hier schlicht in der Masse von Angriffen besteht und auch in der Kürze der Zeit, in der so ein Sturm losbrechen kann? Nachträglich können zwar dann 1.000 Anzeigen geschrieben werden, aber da ist das Kind dann ja schon in den Brunnen gefallen ist. Müsste hier nicht von den großen Dienst- oder Plattformanbietern, wie Twitter oder Facebook, gefordert werden, in solchen Fällen möglichst schnell zu löschen und zu sperren und auch die Nutzer zu sensibilisieren?

    Meine Gedanke, wir brauchen keine schärferen Strafgesetze, sondern müssen Sicherheitsorgane und Nutzer sensibilisieren und von Plattformbetreibern Standards, wie schnelles Löschen etc., fordern.

    Beste Grüße Mister Ede

    • Gesetze gibt es genug, nur werden entsprechende Meldungen in den allermeisten Fällen nicht ernst genommen (zudem gibt es auch technische Hürden, wie Anonymisierungsdienste, die eine das Rückverfolgen nahezu unmöglich machen). Eine Sensibilisierung ist von daher dringend notwendig.

      Und zum 2. Punkt: Auch hier stimme ich zu und es gäbe entsprechende Lösungen. Z.B. könnte Twitter erleichtern, dass Accounts, die weniger als 48 Std alt sind (z.B.) - also eigens zu einer Hetze angelegt sind, identifiziert und ggf. zumindest vom replyen blockiert werden…

      • Hallo @dasnuf,

        geht es um eine Sensibilisierung der Polizei, wären meines Erachtens die Landesinnenminister oder die innenpolitischen Sprecher der Parteien die richtigen Ansprechpartner. Bei den Plattformen sehe ich auch in gewisser Weise die Nutzer in der Pflicht, z.B. auf Plattformen zu verzichten, die nicht genügend Schutz vor solchen Attacken bieten.

  • Liebes Forum,

    wir möchten euch auf die Zusammenfassung der Podiumsdiskussion "Gewalt im Internet – brauchen wir neue Gesetze?" sowie die dazugehörige Videoaufzeichnung der Diskussion aufmerksam machen, die am 18. Februar in Zusammenarbeit mit dem Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung stattfand.

  • babbelgebrabbel ist dafür
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    Hallo dasnuf, danke für diesen klaren und wichtigen Beitrag. Ich lese den Post als Art "Anleitung" wie man sich als Nichtbeteiligter /-betroffener im Sinne der Betroffenen verhalten kann/sollte. Ich bin bisher (noch) nicht mit dieser Art Hatern persönlich konfrontiert gewesen, habe aber einen Höllenrespekt davor.

    Gleich wie, sowohl 1. Für diese Art der Aggressionen ein neues Wort finden als auch 2. Solidarität finden meine vollste Unterstützung.

    Denn - verweisend auf den Kommentar von MisterEde - ich sehe es ähnlich wie @dasnuf, dass die Gesetze allein eben nicht ausreichen.