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HIIG: Digitaler ziviler Ungehorsam?


Foto: Mattia Notari (CC BY-NC-SA 2.0)Neue digitale Taktiken des zivilen Ungehorsams... Foto: Mattia Notari (CC BY-NC-SA 2.0)

Von WikiLeaks bis The Yes Men. Die Digitale Welt kennt neue Formen des zivilen Ungehorsams. Wie sind sie zu bewerten? Das fragt das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG).


Ein Beitrag des HIIG

Bei zivilem Ungehorsam denkt man an Sitzblockaden, Menschen, die sich an Schienen oder Bäume ketten oder Rosa Parks und den Busboykott in der amerikanischen Bürgerbewegung. Der Begriff hat sich in unseren Wortschatz eingebürgert, als wenn es selbstverständlich wäre, was damit zu verbinden ist. Was genau ziviler Ungehorsam ist und wann er eine legitime Form der politischen Partizipation darstellt, ist jedoch keine banale Frage, die in der Öffentlichkeit und auch der politischen Theorie heiß diskutiert wurde (und bislang zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat). Am 25. März 2015 um 19 Uhr geht diese Debatte in eine neue Runde – vor allem mit Blick auf das Internet.

Bereits Mitte der 80er gab es die ersten Fälle, bei denen Taktiken zivilen Ungehorsams mithilfe von Technik umgesetzt wurden, Mitte der 90er hatte das Critical Art Ensemble die Vision des Electronic Civil Disobedience als bedeutendster Widerstandstaktik des späten Kapitalismus. Heute lassen sich im Netz ganz verschiedene Themen, Taktiken und Akteure finden, die digitale Formen von zivilem Ungehorsam erproben, von Anonymous, WikiLeaks, über Telecomix, das Peng! Kollektiv bis hin zu The Yes Men.

In einer öffentlichen Diskussion im Digitalen Salon des Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft wollen wir uns zum einen mit der Frage beschäftigen, welches Verständnis von zivilem Ungehorsam unserer heutigen Gesellschaft und digitalen Taktiken gerecht wird. Um schon einmal ein Stimmungs- und Meinungsbild einzuholen, stellen wir auch hier auf Publixphere allen Interessierten die Frage: Welche Vor- und Nachteile, Risiken oder neuen Potentiale haben digitale Taktiken zivilen Ungehorsams? Und: welche Rolle spielen sie in unserer Gesellschaft?


Diese Diskussion dient der Vorbereitung des "Digitalen Salons" zum Thema Disobedience revisited am 25.März 2015 in Berlin, organisiert vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft.


Kommentare

  • Liebe Community,

    ich war gestern beim Digitalen Salon und, entgegen der Moderatorin, durchaus zufrieden mit Diskussions. Dass in diesen 60 Minuten, wenn überhaupt, nur vage Antworten auf so viele Fragen geliefert werden würden, war doch eigentlich klar. Mann kann den Spieß auch umdrehen: Der Abend hat auf anregende und auch amüsante Art und Weise verdeutlicht, wie komplex und stets auch philosophisch das Thema ist…

    Ich wollte eigentlich am Ende noch den Vertreter des Peng!-Kollektivs, nachdem dieser bemängelt hatte, es fehle der politische Wille für tiefgreifende Veränderungen, fragen, warum er nicht selbst politisch aktiv wird und an einer Art "Piratenpartei 2.0" mitwirkt… Eine solche Partei könnte am digitalen Ungehorsam (in der rechtlichen Grauzone) als Markenkern, PR- und Aufklärungsinstrument festhalten und parallel im Rahmen demokratischer Prozesse (ähnlich wie die Grünen) mittel- und langfristig dafür sorgen, dass das Thema nicht länger stiefmütterlich behandelt wird.

    Was denkt ihr dazu?

  • Liebe Community,

    vielen Dank erstmal für den Anstoß zu dieser Diskussion.

    Ich würde gerne den Aspekt "Verantwortung" in die Diskussion mit einbringen. Denn eine Verantwortung haben die von dir ins Spiel gebrachten Akteure meiner Meinung nach durchaus. Das Amerikabild vieler Menschen wurde durch die Veröffentlichung der Geheimdienstdepeschen durch Wikileaks oder die NSA-Enthüllungen massiv beeinflusst. Ich möchte hier bewusst keine Diskussion zu deren Rechtmäßigkeit (von der ich persönlich überzeugt bin) anstoßen, sondern vielmehr fragen, ob Player mit einer solchen Macht offenlegen sollten, ob sie eine, und wenn ja, welche Priorisierung bei den Veröffentlichungen vornehmen.

    Geht es lediglich gegen Monopolstellungen, Korruption, Machtmissbrauch etc.? Gegen den Kapitalismus als solches?

    Mir reicht es jedenfalls nicht, wenn eine solche Debatte mit dem Verweis auf "Transparenz, Transparenz und nochmal Transparenz" abgewürgt werden würde. Dieser Begriff darf nicht zur Worthülse verkommen sondern muss von jedem Akteur, der sich seiner annimmt und mit ihm argumentiert, mit Leben gefüllt werden.

    Wenn man davon ausgeht, dass die Anzahl von Whistleblowern und die Menge des geleakten Materials in der Zukunft eher zunehmen wird, scheint mir diese Debatte wichtig zu sein.

    • Zu Wikileaks: Ich sehe das anders. Nur weil etwas öffentlich ist, ist es noch lange nicht wirkmächtig. Was hat Wikileaks in der Welt geändert? Was hat Snowden geändert? Wir sehen das alles. Und tun weiter so, als wäre nichts gewesen.

      • Naja, nichts geändert?

        Ich weiß nicht, ob wir ohne Snowden in der Debatte um Datensicherheit, Big Data und den ganzen Rattenschwanz überhaupt schon so weit wären, wobei "weit" hier natürlich äußerst relativ zu beurteilen ist….

        Dass die veröffentlichten Geheimdienstdepeschen (neben weiteren Gründen) kräftig am moralischen Führungsanspruch der USA gerüttelt haben, dürfte wohl auch nicht zu leugnen sein. Eine unmittelbare Folge dessen ist für mich, dass die EU in der aktuellen Ukrainekrise erstmals eigenständig, von den USA emanzipiert und ihrer Bedeutung entsprechend auftritt…

  • Spannend ist, dass sich vor allem auch Akteure der Netzkunst dem Thema widmen – wie eben das Critical Art Ensemble oder The Yes Men...ich wage mal die These, dass Kunstaktionen bzw. die dadurch aufgeworfenen Fragen oftmals ihrer Zeit etwas voraus sind...und vielleicht auch als Gedankenspiele für Aktivisten dienen, sich dementsprechend zu artikulieren. Denn Kreativität ist hier ganz sicher gefragt.

    In diesem Sinne würde mich eine Diskussion über unterschiedliche Formen von digitalem zivilen Ungehorsam interessieren: Was kommt – nach oder neben Wikileaks und Anonymous? Welche Art von Widerstand bildet sich aktuell z.B. gegen die immer stärkere Monopolisierung von Internetunternehmen? Gibt es neue Akteure, die beobachtet werden sollten?

  • Hallo HIIG,

    ich finde die Begriffskombination interessant. Ziviler Ungehorsam hat ja einen sehr guten Klang, speziell bei der unheivollen 'Gehorseims'-Tradition in Deutschland. Man denkt an mutige Taten des Widerstands, an Distanz zum übergiffigen autoritären 'Obrigkeitsstaat' (siehe Wikipedia)

    Und ich ich frage mich da, ob ziviler Widerstand nicht eine Art Bürgerschaft oder einen Bürgersinn voraussetzt - und eben ein fieses, erkennbares Gegenüber. Aber wer soll diese Bürgerschaft in der grenzenlosen digitalen Welt sein? Und "Taktiken" klingt dann wieder nach Partisanen-Krieg oder so.

    Also irgendwie stolper ich über die Kombination 'Digitaler ziviler Ungehorsam'. Was Neues und was Uraltes/Ehrwürdiges gemixt.