„Sternstunde der Selbstdemontage“ oder „Hilflos gegen ökonomischen Unsinn“ (Beispiel Wettbewerbsfähigkeit)
Auch im ökonomischen Rennen herrscht ein enger Aufholwettbewerb. Foto: picture alliance / Laci Perenyi
Die Wettbewerbsfähigkeit aller Länder der Eurozone – ein Muss oder ein Mythos?
Ein Beitrag von MisterEde
Lachanfall und Heulkrampf, Bestätigung und doch Fassungslosigkeit. Als Friederike Spiecker in der Phoenix Runde vom Dienstag zum Thema Eurokrise neben vielen anderen richtigen Dingen ab Minute 39 auch erklärt, dass es ein logisches Problem ist, wenn die Bundesregierung fordert, „alle Länder müssen wettbewerbsfähiger werden“, fängt das Schauspiel an. Ein verdutzter Udo van Kampen schüttelt den Kopf und Prof. Markus C. Kerber wirft ein: „Das kann ich gar nicht verstehen!“. Darüber hinaus entgegnet er: „Das heißt ja mit anderen Worten, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit bei allen gleichzeitig senken, dann entsteht Wohlstand“. Der lobenswerte Versuch von Spiecker, daraufhin das Prinzip der Wettbewerbsfähigkeit zu veranschaulichen, scheitert dann leider erneut wegen weiterer unangebrachter Zwischenrufe, z.B. „haben Sie schon mal etwas von Aufholwettbewerb gehört?“ Im Anschluss wird der Diskussionspunkt dann bedauerlicherweise von Moderator Kähler durch eine andere Frage zum Fehlen der Wechselkurse endgültig beerdigt.
Diese nicht mal zwei Minuten, die zwischen Realsatire und Trauerspiel anzusiedeln sind, verdeutlichen nicht nur, dass das Prinzip der Wettbewerbsfähigkeit leider noch immer in weiten Teilen der politischen, wissenschaftlichen und publizistischen Elite schlicht nicht verstanden wurde und wird, sondern zeigen auch, wie hilflos der Versuch ist, mit Argumenten gegen die Verbreitung dieses ökonomischen Unsinns anzukommen. Es handelt sich ja nicht um Irgendwen, sondern zum einen laut Wikipedia um einen Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin und zum anderen um den ehemaligen Wirtschafts- und Europaerklärer des ZDF, der mittlerweile Bertelsmann berät. Und Was soll man da dann noch machen, wenn diese es nicht verstehen oder nicht verstehen wollen? Was werden wohl die Studierenden lernen? Und wie wird die Eurokrise auch künftig dem Zuschauer und Bürger vermittelt? Lachanfall und Heulkrampf, Bestätigung und doch Fassungslosigkeit!
Glossar: Wettbewerbsfähigkeit (www.mister-ede.de)
Die Wettbewerbsfähigkeit: Täuschung der Relation (www.mister-ede.de – 27.02.2014)
P.S. Wer sich bislang nicht vorstellen konnte, dass ein großes ökonomisches Unverständnis auch bei jenen herrscht, die in Deutschland eine Verantwortung als Entscheider oder Wissensvermittler tragen, hat jetzt den 2-minütigen Beweis – leider!
Meine Frage: Wie gelingt es, endlich eine offene Diskussion über solche ökonomischen Themen zu initiieren, damit diese weitverbreiteten Mythen wie „es müssen einfach alle wettbewerbsfähiger werden“ endlich der Vergangenheit angehören?
Doro
Hallo MisterEde,
ich bin betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich nicht so versiert wie Sie. Trotzdem sagt mir auch mein "Laienverstand", dass die Äußerung "alle Länder (der EU)müssen wettbewerbsfähiger werden" dumm ist.
Ich versuche eine Erklärung über das Beispiel der Bundesländer in Deutschland. Bayern ist sicher wettbewerbsfähiger in Sachen Auto-Industrie als Schleswig-Hostein. Umgekehrt ist Schleswig-Holstein wettbewerbsfähiger in Sachen Windstrom-Erzeugung als Bayern.
Auf die 28 EU-Länder übertragen: Jedes EU-Land müsste die Bereiche fördern, in denen es wettbewerbsfähiger ist als die andern EU-Länder, und die andern EU-Länder müssten das anerkennen und ihre Märkte darauf ausrichten und nicht auch da noch in einen ungerechten Wettkampf eintreten wollen.
Wäre das ein Schritt in die richtige Richtung?