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#EUremix: Keine Demokratie ohne Streit


Foto: Europäisches Parlament)Muss der Streit um EU-politische Alternativen sichtbarer werden? Im Bild: Diverse EU-Abgeordnete. Foto: Europäisches Parlament (Montage)

Viele Menschen erleben die Europäische Union nicht als ihre eigene, sondern wahlweise als die der Eliten, Lobbyisten, Bankster oder Bürokraten - beobachtet Mayte Schomburg. Sie fordert mehr Debatte und gemeinsame Visionen. Zu Recht?


Ein Beitrag von Mayte Schomburg, Initiatorin von Publixphere

Wohin steuert Europa? Flüchtlingskrise, Griechenlandkrise, grassierende Jugendarbeitslosigkeit und Politikverdrossenheit: an Herausforderungen mangelt es nicht. Doch wie reagieren? Mit Renationalisierung? Bloß nicht! Da sind sich die demokratischen Parteien in Deutschland einig. Dennoch fehlen jenseits der (extremen) Rechten und Linken die politischen Visionen. Europa sei schwer zu vermitteln, man dürfe die Bürger damit nicht überfordern, Wahlen gewinne man damit nicht - diese Resignation ist nach wie vor weit verbreitet. Doch diese Mutlosligkeit schwächt die Demokratie. Es ist höchste Zeit, dass Bürger und Politiker wieder zusammen finden und gemeinsam Visionen für Europa entwickeln.

Demokratie ist Grundlage der Europäischen Union. Sie erfordert Streit, auch über die ganz großen Fragen. Wollen wir die Grenzen wieder schließen (und dabei die Grundfreiheiten der Union antasten), wie es derzeit einige Politiker fordern? Wollen wir die Eurozone zurückbauen oder im Gegenteil zur echten Republik entwickeln? Wagen wir den offenen Schlagabtausch, wagen wir die breite öffentliche Debatte über unser Europa der Zukunft?

Die Europabefürworter haben die Sinnfragen der Europäischen Union und den öffentlichen Wettbewerb um die besten Zukunftskonzepte zu lange gescheut. Viele Menschen sehen überhaupt keine Alternativen mehr innerhalb des Systems und pflegen die Fundamental-Opposition. Sie erleben die EU nicht als ihre eigene, sondern wahlweise als die der Eliten, Lobbyisten, Bankster oder Bürokraten… dabei, da bin ich sicher, könnte europäische Demokratie funktionieren.

Die Union ist kein Selbstzweck, sondern der Garant gemeinsamer Werte. Wenn diese in Gefahr sind, dann müssen wir dagegen aufbegehren - oder uns darüber klar werden was die Konsequenzen sind, wenn wir das nicht tun. Zu all dem gehört, dass wir die Demokratie auch grundsätzlich wieder beleben - in Europa ebenso wie in unseren Nationalstaaten. Das beinhaltet auch eine Auseinandersetzung darüber, warum sich so viele Bürger von der Politik abwenden.

Die Idee bleibt genial

Wie also können echte europäische Debatten um die Schickalsfragen aussehen? Vielleicht kann man das an den Griechenland- und Flüchtlingskrisen gerade sehr gut erkennen. Die Europaparlamentsdebatte, in der sich der liberale belgische Europaabgeordnete Guy Verhofstadt einen öffentlichen Schlagabtausch mit dem linken griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lieferte, war sicher ein Glanzmoment. Der Streit war außerdem Höhepunkt einer breiteren europäischen Auseinandersetzung mit der Euro-Krise, die zuvor ebenso im Netz wie in Zeitungen und den nationalen Öffentlichkeiten stattgefunden hatte. Öffentlichkeit formiert sich, wenn man sie lässt. Wie es in der Debatte um die Flüchtlingskrise weitergeht werden wir sehen; sicher ist, dass dieses Thema politische Alternativen hervorbringt, die europaweit diskutiert werden müssen.

Die Idee von einem demokratischen und solidarischen Europa ist und bleibt genial. Aber die Union wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht, wenn sie die kritische Debatte scheut.

Wenn wir heute noch keine ausgereifte europäische Öffentlichkeit haben, dann müssen und werden wir sie halt schaffen. Die europäische Idee ist nicht so schwach, dass sie der öffentlichen Debatte nicht standhält.

Zeit für den #EUremix.

Links zur Debatte


Kommentare

  • Vorfreude

    Hallo Mayte! Schoen, dass Du mal die Fortschritte wuerdigst, die wir gerade erleben. Fuer das sonstige europaeische Tempo sind sie rasend. Noch vor 2008 haette kaum jemand den griechischen Premier auch nur dem Namen nach gekannt. Jetzt wissen fast alle wie er heisst und dass das Schicksal Griechenlands auch unseres ist. Wir sehen, dass in Griechenland noch nicht alles neoliberal durchreformiert ist, dass es dort noch starke Gewerkschaften gibt und linke Intellektuelle und widerstaendige Menschen, das muss ja nicht allen gefallen, ein 'Gewinn', ein anderer Weg, ist es trotzdem.

    Dasselbe in der Fluechtlings-Krise. Wir sehen die Zuege von Budapest nach Muenchen fahren, oder wie sie blockiert werden, wir merken, wie alles zusammenhaengt, wie es nur noch europaeisch geht, wie die Debatte eine europaeische sein MUSS. Das ist keine Frage des Wollens mehr. Das ist alternativlos!

    Drehen wir alles um, raus aus dem deutschen Biedermeier-Maekelmodus, der ueberall nur Verluste wittert, hinein in ein Gefuehl des Neuanfangs, zur Vorfreude auf die kommenden Jahrzente.

    Denn jetzt ist unsere Chance, ueber das Buerokraten-Eliten-Lobby-Bruessel-Europa hinauszukommen, es endlich von unten nach oben neu zu bauen.

    Frau Merkel sagt, sie will dass die Eurozone nach der Krise "wettbewerbsfaehiger" ist als vor der Krise. Das ist ihre Vision? Ist das alles, was sie zu traeumen vermag? Mehr als Geld faellt ihr nicht ein? Ich will, dass Europas Herz in all den Krisen endlich zu Schlagen beginnt, seine Demokratie, seine Kultur, seine Vielfalt, seine Schoenheit, seine Moeglichkeiten, ein fantastischer Ort zu sein....Auch das kann "passieren". Auch in diese Richtung kann die Stimmung der Menschen umkippen, habe ich grade stark wie nie das Gefuehl.

    Vielleicht sind es nur die Parallelen in den Bildern, Ungarn, Zuege, aber es ist so eine Mauerfall-, so eine Wende-Stimmung, die aufblitzt.

    • Hallo GeertV,

      danke für deinen Kommentar! Für mich fühlt es sich auch gerade nach einem sehr besonderen Moment an. In der Flüchtlingskrise zeigt sich eine so solidarische Seite der Gesellschaft, dass Merkel ja irgendwann sanftere Töne anschlagen musste. Ich frage mich manchmal ob sie sich auch dazu durchgerungen hätte (oder vielleicht auch nicht das nötige Selbstbewusstsein aufgebaut hätte, um den härteren Tönen aus der Union etwas entgegenzusetzen) wenn nicht so eine Welle der Hilfsbereitschaft durch die Gesellschaft rollen würde.

      Es ist so, als müsste sich nun einfach Jeder entscheiden, auf welcher Seite er/sie stehen will. Auf der Seite der Kritiker oder der Helfer. Man ist einfach gezwungen den Mund aufzumachen, wenn man den Neonazis und Fremdenfeinden nicht das Feld überlassen will.

      Plötzlich geht's darum, ob wir eine offene Gesellschaft sein wollen oder nicht. Ob wir weiterhin offene Grenzen in Europa haben wollen oder nicht. Usw. Eine schwierige, spannende Zeit.

  • Nun will Verhofstadt mit Cameron diskutieren

    Liebes Forum, kurzer Hinweis. Die Idee, die EU-Regierungschefs im EU-Parlament zu "grillen", scheint neuen Auftrieb zu bekommen.

    Nachdem der oben erwähnte Schlagabtausch mit Alexis Tsipras auf Youtube mehr als eine Million mal geklickt wurde (alle Redebeiträge zusammengenommen), soll sich nun der britischen Premierminister David Cameron den EU-Parlamentariern stellen - seine EU-Kritik und Reformagenda erläutern.

    Das fordert zumindest der Chef der liberalen ALDE-Fraktion im Parlament, Guy Verhofstadt. Der Belgier wünscht sich größtmögliche „öffentliche und transparente Debatten“, um damit der Behauptung Camerons zu entgegnen, in der EU gehe es zu wenig demokratisch zu. „Es wäre schon seltsam, wenn Cameron auf diese Einladung nicht eingehen würde", so Verhofstadt.

    Link: EU-Parlament: Verhofstadt will Debatte mit Cameron

    • Alle sollen sie sich den europäischen Parlamentariern stellen! Merkel, Orban, Cameron! Alle! Und dann bitte mit Live-Übertragung in der ARD, 20.15 Uhr und ganz viel Hintergrund und Kommentar, als Demokratie-Happening, wie ein Superbowl! (wir sind hier ja am Träumen)

    • Liebes Forum, kurzer Hinweis. Die Idee, die EU-Regierungschefs im EU-Parlament zu "grillen", scheint neuen Auftrieb zu bekommen.

      Populismus kam schon immer gut an, aber schaut Euch diesen Typ doch an. Der schafft es nicht mal in Belgien zwei Volksgruppen zusammenzuhalten und meint jetzt Ratschläge für die EU verteilen zu müssen. Noch dazu ist Belgien das Griechenland Mitteleuropas – Verschuldet, hohe Arbeitslosigkeit und kurz vor der Pleite. Ehrlich, wenn das der Hoffnungsträger für die EU sein soll, dann bin ich lieber hoffnungslos.

      Aber dann so ein Rumpelstilzchen-Auftritt und er wird als Europas Zukunft gefeiert. Einen besseren Beleg für die Verkommenheit dieses Systems gibt es nicht.

      • Lieber Mister Ede, jetzt hast Du mich zum Lachen gebracht. Das wars schon.

        • Hallo GeertV

          Lachen macht fröhlich und das ist doch auch schon was. Aber sag mir doch mal, warum ich falsch liege, wenn ich von Verhofstadt eine Entschuldigung beim griechischen Volk und sehr viel Selbstkritik erwarte, anstatt einem objektiv Unschuldigen (Tsipras Amtsantritt 01/2015) die Schuld am Versagen der Euro-Rettungspolitik in die Schuhe zu schieben. Der Austeritätskurs war doch genau das, was die ALDE über Jahre forderte.

  • Mit Renationalisierung? Bloß nicht! Da sind sich die demokratischen Parteien in Deutschland einig.

    Aus meiner Sicht ist die deutsche Politik absolut nationalistisch. Griechenland wurde ins Elend gestürzt um deutsche Banken zu retten, Dublin wurde nicht verändert, weil es Deutschland nutzte und jetzt führt Deutschland Grenzkontrollen ein.

    Zwar wird in vielen unserer Medien behauptet, Deutschland wäre super solidarisch, aber das liegt ja nur daran, dass viele Journalisten null Ahnung haben.

    • Jede nationale Politik in Europa ist absolut nationalistisch. Dennoch wurde über Jahrzehnte immer wieder die Notwendigkeit der europäischen Integration hochgehalten. Die Bürger sollten jeden weiteren Integrationsschritt mittragen. Ein kritischer Diskurs über ein Für und Wider dieser weiteren Integrationsschritte hat nie stattgefunden. Selbst europapolitische Debatten im Bundestag haben diese Fragen nie wirklich thematisiert. Man war entweder für Europa oder dagegen.

      Dabei ist dann naturgemäß eine Schizophrenie zu Tage getreten, mit der wir jetzt zu kämpfen haben. Das europäische Projekt wurde nie wirklich mit politischem Leben, mit Demokratie gefüllt.

      Ich bin dennoch eine überzeugte Europäerin und glaube, dass ein demokratischeres Europa möglich ist. Nur tun sich unsere nationalen Politiker und Vertreter der EU-Kommission damit ja offenbar sehr schwer.

      • Hallo Mayte

        Jede nationale Politik in Europa ist absolut nationalistisch.

        Das mag heute womöglich zutreffen, aber über lange Jahre waren die nationalen Interessen (vielleicht auch nur die Interessen nationaler politischer und wirtschaftlicher Eliten) soweit gleichgerichtet, dass sich daraus automatisch ein gemeinsames europäisches Interesse ergab. Vielleicht gab es aber auch einfach ein anderes Verständnis von der Notwendigkeit eines europäischen Miteinanders aus der Erfahrung heraus, wie ein Gegeneinander aussieht.

        Ein kritischer Diskurs über ein Für und Wider dieser weiteren Integrationsschritte hat nie stattgefunden.

        Das stimmt vielleicht in Deutschland, aber man denke an die Referenden in manchen EU-Ländern zu den angestrebten neuen EU-Verträgen 2005. Und sofern man die gemeinsame Währung Euro auch als Integrationsschritt betrachtet, kann man ja nicht sagen, dass dieser Schritt hierzulande nicht ausgiebig diskutiert wurde.

        Man war entweder für Europa oder dagegen.

        Nun ja, entweder man ist für die europäische Integration (Union, SPD, Grüne – in Teilen die Linken) oder dagegen (AfD, NPD). Die Frage, die sich danach stellt, ist aber, wie genau die Integration aussehen soll.
        Ich kann also die Vorschläge Schäubles ablehnen und dennoch die europäische Integration befürworten, ohne deshalb schizophren sein zu müssen.

        Ich bin dennoch eine überzeugte Europäerin und glaube, dass ein demokratischeres Europa möglich ist.

        Ich auch! Allerdings halte ich das aktuelle Spitzenpersonal der EU für ungeeignet, um diese Integration so voranzubringen, wie ich mir die europäische Integration erhoffe. Selbiges gilt für die aktuellen deutschen Spitzenpolitiker. Möglicherweise ändert sich meine Meinung, wenn z.B. die Bundesregierung ihr Handeln grundlegend überdenkt. Zurzeit sehe ich hierfür aber leider keine Anzeichen.

  • Hallo Mayte,

    ein erstes Problem ist doch schon das Foto. Wer kennt diese Leute darauf? Ich erkenne grad 2 Parlamentarier, und nochmal zwei, wo ich den Namen nicht genau weiß.

    Ich kann es den Leuten auch gar nicht verübeln, wenn sie keine Ahnung von ihrer EU-Demokratie haben. Denn: bei der Flüchtlings-Politik hat das EU-Parlament wenig zu melden, da sind die Nationalstaaten die entscheidenden Player. Bei der Eurokrise ebenso, die Troika ist am EP vorbei konstruiert, die Eurogruppe auch. Herr Tsipras musste sich dem europäischen Parlament nicht zum öffentlichen Schlagabtausch stellen, er war freiwillig da. Wer soll das ganze verzwickte Konstrukt durchschauen?

    Also wir haben es in Europa leider immer noch mit Politik unter völliger geistiger Abwesenheit der vielen Millionen Menschen zu tun, für die sie eigentlich gemacht wird.

    • Nicht resignieren, jkippenberg! :)

    • Hallo jkippenberg,

      danke für deinen Kommentar!

      Eigentlich geht es mir in meinem Text gar nicht ausschließlich um's Parlament (und ich kenne die Namen der Parlamentarier auf dem Foto übrigens auch nicht alle). Ich glaube z.B. auch nicht, dass man das Demokratiedefizit ganz einfach dadurch überwinden könnte, dass man dem EP einfach mehr Rechte einräumt (obgleich ich das für eine sehr gute Idee halte).

      Wichtig finde ich den öffentlichen Austausch zwischen Bürgern und Politikern bzw. institutionellen Entscheidungsträgern. Derzeit findet da m.E. noch viel zu wenig statt.

      Europäische Öffentlichkeit spielt sich ja nicht nur im Parlament ab, sondern genauso in nationalen Parlamenten (wenn's um europäische Themen geht), in den Medien, auf der Straße etc. Idealerweise sollte sich im Parlament ja aber der Streit um politische Alternativen verdichten (und es gibt ja durchaus Politikbereiche, in denen das Europäische Parlament was zu sagen hat, s. ACTA, TTIP usw.). Du hast natürlich Recht, dass Tsipras vor dem Europäischen Parlament überhaupt nicht hätte erscheinen müssen; aber genau deshalb fand ich den Moment so gut. Er wurde eingeladen und ist freiwillig gekommen. Da lief so viel in irgendwelchen Krisenratssitzungen ab, völlig abseits der Öffentlichkeit, während gleichzeitig ein unheimlicher Gesprächsbedarf bestand - und zwar über nationale Tellerränder hinweg. Einen besseren Ort für diese Auseinandersetzung als das EP gab's da einfach nicht. Ich fand es jedenfalls super hilfreich, dass man diese direkte Konfrontation mit Europaparlamentariern inszeniert (!) hat.

      Das Europaparlament hat sich damit ja eine politische Öffentlichkeit geschaffen, die ihr so gar nicht zugedacht war (ich habe z.B. irgendwo gelesen, weiß aber nicht ob es stimmt und schreibe es daher hier unter Vorbehalt, dass Juncker versucht hat Schulz davon abzuhalten Tsipras einzuladen). Und seine Bedeutung damit nochmal unterstrichen. Es wird so viel über das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit, einer europäischen Identität usw. lamentiert und dabei immer wieder beschworen, dass man mehr Austausch bräuchte... dabei wird die Agora, die man schon hat, gar nicht so richtig in ihrem Potenzial ausgeschöpft.

      Also wir haben es in Europa leider immer noch mit Politik unter völliger geistiger Abwesenheit der vielen Millionen Menschen zu tun, für die sie eigentlich gemacht wird.

      Total. Und ich hoffe sehr, dass sich das noch ändert. Die Flüchtlingskrise ist da ein ganz interessanter Fall, weil Öffentlichkeit ganz einfach stattfindet. Sie formiert sich einfach. Und wird sicher auch deshalb so sichtbar, weil die Menschen ganz konkret in die Geschehnisse eingreifen und über das, was sie in Deutschland, Österreich, Ungarn, Griechenland oder wo auch immer erleben, ganz einfach berichten. Bei so etwas Abstraktem wie der Eurokrise ist das ja z.B. gar nicht möglich.

      Ich kann es den Leuten auch gar nicht verübeln, wenn sie keine Ahnung von ihrer EU-Demokratie haben.

      Ich auch nicht :)

      • Hallo Mayte!

        Du hast ja Recht. Und noch etwas Wasser in den Wein:

        • die Mobilisierung für Flüchtlinge ist beeindruckend! Doch was das Politische betrifft, fehlen eben die demokratischen Pfade und Abläufe. Eigentlich müsste die Zivilgesellschaft auf den Rat der Innenminister in Brüssel blicken und je nachdem Druck nicht in Deutschland, sondern genauso in Wien, Budapest und London machen, um die EU-Flüchtlingspolitik zu ändern. Aber noch wird einfach pauschal auf die EU geschimpft. Die Ungarn, die Briten, die Deutschen leben in ihrer eigenen Medienwelt, formieren sich nicht transnational. Oder anders gesagt, wer hier die europäische Politik ändern will, muss dafür sorgen, dass Ungarn und Briten andere Regierungen und Politiken wählen. Dafür müsste er sich mit Ungarn und Briten zusammensetzen und mit ihnen reden. Wer macht das schon? Aber gut, kann ja noch werden...
        • Hallo jkippenberg,

          wenn diese Krise ein Gutes hat, dann, dass Menschen sich endlich politisch mobilisieren! Merkel wurde sicher durch öffentlichen Druck dazu bewegt, sich öffentlich zu den Themen Fremdenfeindlichkeit und Flüchtlingskrise zu äußern. In ganz Europa sieht man, wie sich Menschen unabhängig von der Politik organisieren und Aufgaben übernehmen, die der Staat nicht mehr übernehmen kann oder (wie in Ungarn z.B.) mag. Nun bezweifle ich, dass in Ungarn der politische Umbruch bevorsteht. In England - Stichwort: Corbyn - scheint sich ja aber zumindest ein bisschen was zu tun...

          • Stichwort: Corbyn

            Das wäre doch auch mal etwas für Deutschland.

  • Der Schlagabtausch von Verhofstadt ist ein gutes Beispiel: Wer hat denn in den letzten Jahren und Jahrzehnten Verantwortung getragen? Verhofstadt oder Tsipras? Verhofstadt ist das personifizierte EU-Versagen, nur das steht doch nicht in unseren Zeitungen. Dort wird nur gejohlt über ein bisserl Show.

    Oder Juncker. Das ist doch ein Märchen mit der politischen Kommission. Wäre sie politisch, würde sie Verantwortung übernehmen, z.B. "Entweder die Quote zur Flüchtlingsverteilung kommt oder ich trete zurück."

    • In unserer derzeitigen Lage bin ich Verhofstadt tatsächlich nur dankbar für das "bisserl Show", das er da abgeliefert hat. Wir brauchen viel mehr davon, weil sonst einfach keiner hinguckt (die Medien erst Recht nicht).

      Juncker wurde nicht gewählt (die einzigen, die das geglaubt oder vor den Wahlen auch nur behauptet haben, sind doch wir hier in Deutschland). Daher kann er auch keine politische Kommission führen. Die Frage ist aber auch, ob man wirklich eine starke politische Kommission haben möchte. Auch darüber muss man erstmal streiten.

      • Das Herr Schaeuble das nicht will, wissen wir schon mal :)

      • Hallo Mayte

        Zum ersten Punkt: Da haben wir wohl gänzlich andere Wünsche. Show ist schön und gut, aber sie muss dem Zweck dienen, eine Debatte voranzubringen und politische Inhalte zu transportieren. Seine Rede war aber so inhaltsleer wie Kauders Verweise auf die DDR bei Debatten mit den Linken.

        Zum zweiten Punkt:

        Juncker wurde nicht gewählt (die einzigen, die das geglaubt oder vor den Wahlen auch nur behauptet haben, sind doch wir hier in Deutschland).

        Juncker selbst behauptet das, z.B. bei seiner Rede zur Lage der Union. Außerdem kann jeder politisch handeln und ein Kommissionspräsident sogar in besonderem Maße. Was ich ihm vorwerfe ist, dass er es nicht macht! Entweder er schafft es, dass die Verteilung von Flüchtlingen in Europa funktioniert oder er soll zurücktreten. Übrigens sind die ALDE-regierten Länder Niederlande und Belgien auch nicht gerade vorbildlich, was die Bereitschaft zur Solidarität in der Flüchtlingsfrage anbelangt. Darüber darf Verhofstadt gerne mal schimpfen.