Michal: Wie Europa wirklich entsteht - Historie

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  • Michal: Wie Europa wirklich entsteht

    von Redaktion, angelegt

    Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Ein Wandbild der OXI-Bewegung in Athen. Foto: aesthetics of crisis (CC BY-NC-SA 2.0)*

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview Link: https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0CCIQFjAAahUKEwiOsKuSw-fHAhUjinIKHS7TAE0&url=http%3A%2F%2Fwww.deutschlandradiokultur.de%2Fkonsequenzen-aus-der-griechenland-krise-herfried-muenkler.1008.de.html%3Fdram%3Aarticle_id%3D325252&usg=AFQjCNEDXMnH_n8SQIDnE60wK1ZYFIvRlQ sagte kürzlich der Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

    Links zur Debatte

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    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte kürzlich der Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

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    In einem bemerkenswerten Interview sagte kürzlich der Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

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    Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Ein Wandbild der OXI-Bewegung in Athen. Foto: aesthetics of crisis (CC BY-NC-SA 2.0)*

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte kürzlich der der kürzlich Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

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    Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Ein Wandbild der OXI-Bewegung in Athen. Foto: aesthetics of crisis (CC BY-NC-SA 2.0)*

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte der kürzlich Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: Dieser *Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

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    Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Ein Wandbild der OXI-Bewegung in Athen. Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Foto: aesthetics of crisis (CC BY-NC-SA 2.0 )* )

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte der kürzlich Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: *Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

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    Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Foto: aesthetics of crisis Link: https://www.flickr.com/photos/aestheticsofcrisis/19319309475/in/photolist-vrbvCF-wgsXii-rFA6ba-wxo6wM-uANYjM-vxd3nW-vvrYGN-uAUM5F-vxKCFg-uAUKBk-vvrUDs-uAJUCs-vgaXu7-vxcLom-vy7tJc-vy7sRa-uAJKhy-vgaNib-vxKijv-vg5arW-uYprHR-uBSsUv-vg5eAN-vh8GcS-vwoXQh-4VrwLT-vKSEFc-9CAYiJ-vBUQDZ-vz3qwH-varYp9-9E49Vz-uEwJQm-axNFYG-8eqP1j-2ng287-h4mGhd-vr5Fm5-Ljzby-LjzbE-vwui6S-w82MCk-8Ls84w-vBx8gV-2nZLtn-2o5hU5-2o5hxw-2o5h9S-2nZTri-2o5gh1 (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Foto: Olivia Henry Link: https://images.unsplash.com/photo-1416848563085-8aba76f2ba00?q=80&fm=jpg&s=c1952c4c7037e623f676a5bfa8a9e9d2 (CC0 1.0 Link: http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/ )

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte der kürzlich Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: *Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

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    Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Wann entflammt die Debatte um Europa? Foto: Olivia Henry (CC0 1.0 ) )*

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte der kürzlich Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: *Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

    Links zur Debatte

  • Michal: Wie Europa wirklich entsteht

    von Redaktion, angelegt

    Foto: Olivia Henry (CC0 1.0) Wann entflammt die Debatte um Europa? Foto: Olivia Henry Link: https://images.unsplash.com/photo-1416848563085-8aba76f2ba00?q=80&fm=jpg&s=c1952c4c7037e623f676a5bfa8a9e9d2 (CC0 1.0 Link: http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/ )*

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Wie entsteht für euch Europa? Hat Michal Recht?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte der kürzlich Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: *Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011)

    Links zur Debatte

  • Michal: Wie Europa wirklich entsteht

    von Redaktion, angelegt

    Das Projekt Europa kann nicht von oben installiert werden, meint der Publizist Wolfgang Michal. Die linke Syriza-Bewegung habe den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei. Hat Michal Recht?


    Ein Beitrag von Wolfgang Michal

    In einem bemerkenswerten Interview sagte der kürzlich Chefhistoriker der Mächtigen, Herfried Münkler, Europa werde als Elitenprojekt fortgeführt – „oder es wird scheitern“. Würden Krethi (ein Grieche!) und Plethi überall mitreden dürfen, wüchsen nur die zentrifugalen Kräfte, die das schöne Projekt am Ende zerreißen. Doch genau dieses Risiko des Scheiterns ist das Ingrediens, das aus dem einst kalten Thema Europa ein politisch heiß umstrittenes macht.

    Noch nie haben die Probleme eines einzelnen Landes die Bevölkerungen anderer Länder so stark interessiert wie heute. Mit dem Wahlsieg der Syriza-Bewegung ist Bewegung ins europäische Haus gekommen. Die Inneneinrichtung Europas wird nicht mehr allein den Eliten überlassen. Im griechischen Referendum konnten wir einen ersten zaghaften Ansatz zur Formulierung einer Alternative erkennen. Und durch das Referendum erlebten wir erstmals eine Solidarisierung (und Polarisierung) der Menschen quer zu den europäischen Nationalstaaten: Auf den Straßen von Irland bis Italien feierten die Verteidiger der griechischen „Nein“-Politik ihre Helden; an den Stammtischen von München bis Riga regierten die Anhänger der harten Linie gegen die „Verschwender“ des Südens. Zum ersten Mal gab es in der EU so etwas wie eine innereuropäische Auseinandersetzung, zum ersten Mal gab es zwei politische Lager, die sich konfrontativ gegenüber standen. Für die Verfechter der alten Europapolitik der Eliten (etwa die Brüsseler Apparatschiks Martin Schulz oder Rolf-Dieter Krause) war das ein Graus, für diejenigen, die die sozial blinde Politik der großen Koalition in Brüssel satt haben, war es eine Erlösung. Syriza – das muss man der aus der Not geborenen Bewegung lassen – hat den Nationalstaatsbewohnern das vereinte Europa näher gebracht als jede bisherige Alt-Partei (einschließlich den Grünen). Syriza hat das Projekt Europa aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

    Ein solches Projekt kann nicht von oben installiert werden, wie dies in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch möglich schien. Sollte dieser veraltete Politik-Ansatz jedoch weiterhin versucht werden – und dafür spricht das jüngste „Einigungspaket“ mit Athen – wird der Aufstand der Griechen nur der Anfang der kommenden Aufstände gewesen sein. Nicht die Bevölkerungen müssen ausgetauscht werden, die Politik in Brüssel und in den nationalen Hauptstädten muss eine grundlegend andere werden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die Griechen hätten sich mit der Einigung wieder nur Zeit gekauft, nein, es ist die Troika, es sind die durch die Troika vertretenen Sonder-Interessen, die sich immer weitere Zeit kaufen. Der Konflikt selbst bleibt ungelöst.

    Der nächste Aufstand wird deshalb dramatischer ausfallen als der jetzige, der übernächste könnte in einen Bürgerkrieg münden. Wer die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika studiert, wird sehen, dass auch dieses Projekt nicht von heute auf morgen auf dem Papier entstanden ist, sondern nach harten Auseinandersetzungen im Rahmen eines ökonomisch-politischen Nord-Süd-Konflikts.


    Hinweis: *Dieser Dieser Crosspost erschien zunächst am 13. Juli 2015 auf wolfgangmichal.de. Zum Thema siehe auch Michals Text: "Ein vereintes Europa kann nur durch einen revolutionären Akt entstehen" (2011) Link: http://www.wolfgangmichal.de/2011/10/ein-vereintes-europa-kann-nur-durch-einen-revolutionaren-akt-entstehen/ wolfgangmichal.de

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