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Wie berechtigt ist linke Kritik am Euro?


Foto: Nur folgerichtig oder populistisch? Sahra Wagenknecht (Linke) hält den Euro für diskussionswürdig. Foto: picture alliance / Sven Simon

Ist der Euro grundsätzlich infrage zu stellen? Darüber diskutiert aktuell die Linkspartei. Was denkt ihr?


Ein Beitrag von Redaktion

Zweifel am Euro sind nicht gerade neu. Ökonomen äußerten sie bereits vor Einführung der Gemeinschaftswährung, und erst Recht nach Ausbruch der Griechenland- und Eurokrise. 2011 räumte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "Gründungsfehler" des Euro ein – die es in einem jahrelangen Prozess zu beheben gelte. Finanzminister Wolfgang Schäuble bringt immer wieder eine Verkleinerung der Eurozone ins Spiel – Griechenland könne zeitweise austreten.

"Der Euro funktioniert nicht"

Fundamentale Zweifel am Euro waren in der Bundespolitik bislang allerdings eine Seltenheit – und vor allem in den Reihen der Unionsparteien anzutreffen. Um so mehr Wirbel verursacht aktuell die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht, wenn sie eine partei-interne Debatte darüber begrüßt, "ob wir dieses Währungssystem nicht generell infrage stellen müssen."

Die künftige Linke-Fraktionschefin meint: "Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt (...)". Wagenknecht fragt, "welchen Spielraum eine Politik jenseits des neoliberalen Mainstreams im Rahmen des Euro überhaupt hat". Hintergrund sind die aktuellen Reform- und Sparauflagen für Griechenland.

Stein des Anstoßes sind zudem aktuelle Euro-Reformideen – vorgelegt von den Präsidenten der EU-Kommission, des Europäischer Rats, des EU-Parlaments, der Europäischen Zentralbank und der Euro-Gruppe ("Bericht der fünf Präsidenten", Juni 2015). Sie zielen auf eine "Vollendung" der Wirtschafts- und Währungsunion in mehreren Schritten bis 2025. Hierfür müssten die EU-Staaten "in zunehmendem Maß gemeinsame Entscheidungen über Teile ihrer jeweiligen nationalen Haushalts- und Wirtschaftspolitik akzeptieren".

Wagenknecht warnt: "Wenn in Zukunft die Haushalts- und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedsstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen, und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben." Die Linke müsse eine Debatte darüber führen, ob "sie sich lieber für ein anderes Finanz- und Währungssystem stark macht". Ähnliche Gedankenspiele stellen aktuell auch andere Linkspolitiker in Europa an, etwa in Frankreich, Italien, Griechenland und Spanien.

Gefährdet die Linke Europas Einheit?

Führende Politiker der deutschen Linkspartei distanzieren sich von Wagenknechts Äußerungen. Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger meint zwar, Wagenknechts Befürchtungen seien Konsens in der Linken. Allerdings ergebe sich daraus nicht zwangsläufig die Schlussfolgerung, "dass man aus dem Euro raus muss und ein neues Währungssystem braucht". Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping stützt Wagenknechts Kritik am "neoliberalen Diktat" der Euro-Gruppe. Doch, so Kipping, sei eine neoliberale Politik "ja nicht im Euro festgeschrieben", sondern Ergebnis der "politischen Kräfteverhältnisse in Europa". Der Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte der "Saarbrücker Zeitung": "Ein Zurück zu den alten Nationalstaaten in Europa, auch zum alten deutschen Nationalstaat, darf es mit der Linken nicht geben.“

Kritik an Wagenknechts Äußerungen übt die Grünen-Chefin Simone Peter: „Für mich bewegt sich die Linkspartei weiter weg von einer europäischen Partei. Sie begibt sich damit auf die Ebene der Nein-Sager in der Union, die ja auch den Grexit befürworten und damit die Einheit Europas in Gefahr bringen“.

Diskussion

Wir würden von euch gerne wissen:

  • wie berechtigt ist Sahra Wagenknechts Euro-Kritik?

  • Ist es richtig, den Euro – aus welcher parteipolitischen Perspektive auch immer – grundlegend infrage zu stellen? Oder wäre das antieuropäischer Populismus?


Hinweis: Auf diese Debatte geht der ehemalige EU-Parlamentarier Jürgen Klute mit einem eigenen Text ein: "Der Euro ist aus linker Perspektive nicht infrage zu stellen"


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Kommentare

  • Axel Troost MdB, DIE LINKE
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    Rückkehr zu nationalen Währungen nicht wünschenswert

    Die Propagierung eines anderen Währungsmechanismus und die Forderung nach Rückkehr zu einer nationalstaatlichen Gestaltung der Ökonomien sollten linke Bewegungen den rechtspopulistischen Parteien überlassen.

    Eine solche politische Strategie läuft letztlich auf eine Unterwerfung jedes einzelnen Nationalstaates unter den internationalen Kapitalverkehr hinaus.

    Die Befürworter einer Renationalisierung überschätzen die Spielräume nationalstaatlicher Politik. Vor dem Hintergrund freier Kapital- und Warenströme sowie einer gemeinsamen Währung können nationale Regierungen in den zentralen Feldern der Wirtschafts-, Sozial- und Lohnpolitik keine progressive Politik im nationalen Alleingang durchhalten. Was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass eine enge Zusammenarbeit der zwei oder drei größten Volkwirtschaften (Deutschland, Frankreich, Italien) nicht neue Handlungsspielräume schaffen könnte.

    Eine Rückkehr zu nationalen Währungen – die radikalste Variante einer Renationalisierung – ist keine wünschenswerte politische Option. Dieser Weg würde mit dramatischen ökonomischen und sozialen Verwerfungen einhergehen.

    Die Alternative zu weniger Europa ist mehr Europa, aber anders. Ziel ist ein demokratisches und soziales Europa, das mit der neoliberalen Logik des Maastrichter Vertrags bricht.

    • Hallo Herr Troost, da bin ich ja beruhigt! Schön wäre es natürlich, wenn der Linken noch mehr Euro-Argumente einfallen außer 'Der Rückbau wäre zu schmerzhaft'. Das 'Allein-Bleiben-ist-auch-keine-Lösung'-Argument wissen nun Sozialstaaten wie Dänemark und Schweden täglich trefflich zu widerlegen. Also eine optimistische Vision hätte ich gern, nicht nur von den Linken.

      • Der wichtigste Grund für den Euro ist, dass wir eine Währung schaffen, die international sehr attraktiv ist.

        Sie war für manche Euro-Länder nur vielleicht etwas zu attraktiv (niedrige Zinsen, steigende Schulden).

  • Zunächst einmal: die Eurozone ist nicht Europa. Wenn der Euro scheitert, scheitert nicht automatisch das Projekt Europa. Gleiches gilt für eine nüchterne Bestandaufnahme in Sachen Gemeinschaftswährung.

    Wir brauchen auch auf den Euro nicht verzichten, wenn wir bereit sind die in jeder Währungsgemeinschaft automatisch auftretenden Ungleichgewichte auszugleichen. Für die Eurozone würde dies in der Tat bedeuten einen einheitlichen Raum zu schaffen mit gleichen wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen (!) Standards. Dies wäre allerdings gleichbedeutend mit dem Einstieg in die sogenannte Transferunion, wie es sie z.B. auch innerhalb Deutschlands, Frankreichs oder Italiens gibt. Also sozusagen ein Europa - oder genauer gesagt - eine Eurozone für alle, für die Konzerne ebenso wir für jeden einzelnen Bürger.

    Da dieses Europa vor allem wegen deutscher Bedenken leider auf absehbare Zeit nicht mehrheitsfähig ist, muss es erlaubt sein, sich in der Diskussion um den Euro auch so zu positionieren wie es Sarah Wagenknecht tut, deren Argumentation ich ausdrücklich teile. Es gilt dabei zwei mögliche Entwicklungen zu verhindern:

    *Europa wird weiterhin von der Eurogruppe dominiert, die ein völlig undemokratischer, rein informeller Zusammenschluss der Euroländer ist, zu keinerlei Öffentlichkeit oder gar zu nachprüf- und nachvollziehbarem politischen Handeln verpflichtet. Die Ungleichgewichte in der Eurozone werden sich verstärken und der EURO an seinen Konstruktionsfehlern und inneren Widersprüchen scheitern. In diesem Szenario ist ein geordnete Rückkehr zu nationalen Währungen allemal dem Supergau vorzuziehen, der dann droht, wenn Frankreich, Italien oder Belgien von den Kapitalmärkten gezwungen werden aus dem EURO auszuscheiden.

    *Wir bekommen einen demokratisch nicht legitimierten Euro-Finanzminister samt ebenso wenig demokratisch bestimmten Eurozonen-Parlament, der dann konsequent die Interessen der jeweils stärksten Volkswirtschaft im gemeinsamen Währungsraum durchsetzt. So etwas funktioniert auch, allerdings nur in völlig demokratiefreien Entscheidungs- und Handlungsstrukturen. Postdemokratie wäre dann Geschichte, der Souverän zum bloßen Zuschauer degradiert. Die Macht des (neoliberalen) Marktes würde die Macht des Volkes endgültig und unumkehrbar ersetzen.

    Im Übrigen gefährden nicht diejenigen, die über Sinn und Unsinn der Gemeinschaftswährung diskutieren das Europäische Projekt, sondern diejenigen die der Wertegemeinschaft Europa oder deren Resten die Gefolgschaft aufgekündigt haben. Das erbärmliche Gezerre der letzten Tage und Wochen um die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen in Europa macht das hinreichend deutlich.

    Aber all diese Argumente sind hinlänglich bekannt und ausführlich diskutiert worden. Sie liegen seit Langem auf den Tisch. Wie ich schon oft gefordert habe gilt es jetzt Entscheidungen zu treffen!

    • Hallo nemo, wir waren uns ja einig, dass eine Entscheidung her sollte. Was mich bei der Linken allerdings gewaltig stört, ist ihr gestörtes Verhältnis zu den Insitutionen, die zumindest indirekt demokratisch funktionieren. Die Eurogruppe ist eine Notlösung, sie ersetzt im Grunde die Pensionsfonds und sonstigen Investoren, die den Staaten im Normalfall bei der Schuldenaufnahme gegenüber sitzen würden. Hast Du schon einmal etwas von diesen Staatschulden-Geschäften gehört? Eben. Das ist die totale Intransparenz des Marktes. Auch die politischen Versprechen, die Staaten den "Märkten" (also uns Sparern) machen, bleiben absolut nebulös, sie gehen auf "Roadshow", bezahlen einen Mangel an Wettbewerbsfähigkeit durch höhere Zinsen, so viel steht fest. Das ist der Vergleichsmaßstab für den Demokratietest - den gewinnen wir Steuerzahler als direkte Kreditgeber. Der neoliberale Druck entseht aus der Art, wie sich Staaten finanzieren, nämlich durch Schulden, aus dieser Logik können sich auch öffentliche Gläubiger nicht entziehen, der Euro ist hier das nachgelagerte Problem - so funktioniert der Weltkapitalismus!

      Für mich hat die Linke nur eine Möglichkeit: in gleich mehreren Ländern, von Spanien bis Deutschland für ihre Europoplitik werben, meinetwegen für die Auflösung des Euro oder eine neuartige Transfer- und Sozialunion. Aber dieses Schimpfen auf die "Technokratie" und die undemokratischen Institutionen ist für mich der blanke Populismus einer politischen Kraft, die es nicht versteht, die Herzen der Europäer zu gewinnen. Auch scheint mir bei Frau Wagenknecht und Herrn Rexinger schon eine gehörige Portion Nationalismus durch.

      • Hallo Rakaba, man kann natürlich völlig richtig & legitim so argumentieren wie du es in deiner Antwort tust.

        Ich möchte nur davor warnen linke EURO-Kritiker in die rechte nationalistische Ecke zu stellen. In Tagen und Wochen in denen wir eine klare Positionierung aller Demokraten gegen rechte nationalistische Hetze brauchen trägt dies nur zu einer weiteren Verwischung der politischen Fronten bei. Gleichzeitig veranlasst es AfD, Pegida & den ganzen rechten Rand sich wie die legitime Mitte der Gesellschaft zu fühlen.

        • Hallo nemo! Du hast ja Recht, es gibt derzeit schlimmere Rechte. Was ich bei der Linken nur sehr vermisse, ist systeminterne Kritik, die sich den vorgesehenen Pfaden bedient (Wahlen, Reformvorschlägen). Ein plumpes Brüssel-Bashing entpolitisiert die ganze Debatte, suggeriert Ohnmacht, in Deutschland, na ausgerechnet!

  • Spiel mit dem Feuer

    Hallo Publixphere, danke für die Frage. Meine Antwort: ein klares JEIN! Auf der einen Seite: na klar muss geredet werden, über die Eurozone der Zukunft. Grundlage muss eine schonungslose Analyse dessen sein, was die gemeinsame Währung für die Ökonomie und die Demokratie der Eurostaaten bedeutet.

    Auf der anderen Seite kann ich Wagenknecht und den Linken nur raten, nicht in ein Bashing zu verfallen. Dann finden sie sich nämlich schnell in einem Boot mit dem Front National und anderen anti-europäischen Irrlichtern wieder und kommen aus der Nummer so schnell nicht wieder raus, wenns um die richtigen Reformen geht.

  • Wagenknechts Aussage, „der Euro erzeuge immer größere Ungleichgewichte“, ist falsch. Der Euro erzeugt die Ungleichgewichte nicht. Mit Bezug auf die unterschiedliche Bonität wird die Wirkung der Ungleichgewichte lediglich verstärkt. Wären alle Länder (Staat, Banken, …) für Geldanlagen gleich sicher, würde es auch im Euro keine Zinsunterschiede geben. Und auch die unterschiedliche Lohnkostenentwicklung ist ja nicht vom Euro hervorgerufen worden, führt aber eben innerhalb des Euros zu Problemen. Daneben hat auch die Souveränitätsabgabe nichts mit Neoliberalismus zu tun, sondern ist einfach eine logische Konsequenz einer gemeinsamen Währung – ansonsten wäre es ja keine gemeinsame Währung.

    Inhaltlich ist ihre Euro-Kritik also eine reine Luftnummer, weshalb ich vermute, dass das hauptsächlich dazu dient, Bartsch auszustechen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie 2017 die Frontfrau sein will und jetzt zum einen testet, wie weit sie mit Linkspopulismus gehen kann, und zum anderen versucht, frühzeitig die Diskussion, vor allem auch innerhalb der Linken, an sich zu ziehen und Themen zu (be)setzen.

  • Katja Kipping hat Recht! Aber was sagt uns das ueber linke Ideen, wenn die Machtverhaeltnisse in der Eurozone so sind wie sind?

    • Meine Frage ist eher, wie diese Machtverhältnisse hin zu einer linken Mehrheit geändert werden können.